15.11.2024
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Dokument-Nr. 1656

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Urteil07.12.1999Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein1 Sa 464/99
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil07.12.1999

Beschäf­ti­gungs­verbot für eine Schwangere, weil Arbeitgeber nachhaltig deren Rechte missachtet

Wenn ein Arbeitgeber die Rechte einer Schwangeren nachhaltig verletzt und sie so zu gerichtlichen Ausein­an­der­set­zungen zwingt, kann dies u. U. zu einem Beschäf­ti­gungs­verbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG führen. Aufgrund der erhöhten Sensibilität während einer Schwangerschaft kann ein solches Verhalten des Arbeitgebers eine Situation schaffen, in der bei Fortdauer der Beschäftigung zumindest die psychische Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist. Während des Beschäf­ti­gungs­verbots steht der Schwangeren unbefristet Mutter­schutzlohn zu (§ 11 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 MuSchG). Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein entschieden und einer Klage auf Zahlung von Mutter­schutzlohn rechtskräftig stattgegeben.

In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien darüber, ob der schwangeren Klägerin für die Zeit eines ärztlich attestierten Beschäf­ti­gungs­verbots Mutter­schaftslohn zustand. Die Klägerin war in dem system­ga­s­tro­no­mischen Betrieb der Beklagten als gastgewerbliche Mitarbeiterin beschäftigt. Kurz nach Arbeitsaufnahme wurde sie schwanger, woraufhin die Beklagte das Arbeits­ver­hältnis kündigte. Erst in einem Kündi­gungs­schutz­ver­fahren gestand die Beklagte zu, dass das Arbeits­ver­hältnis ungekündigt fortbestand. Lohn zahlte sie jedoch nicht. Diesen musste die Klägerin ebenfalls einklagen und im Wege der Vollstreckung geltend machen. Die Klägerin war aufgrund von Kreis­lauf­be­schwerden und Ohnmachts­an­fällen zunächst arbeitsunfähig krank. Im Anschluss daran bescheinigte der sie behandelnde Gynäkologe, dass bei ihr bis zur Entbindung wegen schwan­ger­schafts­be­dingter Beschwernisse ein Beschäf­ti­gungs­verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bis zur Entbindung bestehe. Die Beklagte lehnte die Zahlung von Mutter­schaftsgeld für die Dauer des Beschäf­ti­gungs­verbots gemäß §§ 11 Abs. 1 i. V. m. 3 Abs. 1 MuSchG ab, weil die Klägerin psychisch krank und damit arbeitsunfähig gewesen sei, so dass kein Beschäf­ti­gungs­verbot hätte ausgesprochen werden dürfen.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landes­a­r­beits­gericht rechtskräftig zurückgewiesen.

Das Landes­a­r­beits­gericht hat hierzu ausgeführt, dass sich krank­heits­be­dingte Arbeits­un­fä­higkeit während einer Schwangerschaft, die nur einen 6-wöchigen Entgelt­zah­lungs­an­spruch auslöst, und ein Beschäf­ti­gungs­verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG, bei dem der Arbeit­neh­mehmerin unbefristet Mutter­schutzlohn zusteht (§ 11 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG), gegenseitig ausschlössen. Vorliegend sei die Klägerin ab dem Zeitpunkt des attestierten Beschäf­ti­gungs­verbots nicht arbeitsunfähig krank gewesen. Sie sei nach Auskunft des sie behandelnden Gynäkologen im Begriff gewesen, eine reaktive Depression zu entwickeln, wodurch sie sich - so das Landes­a­r­beits­gericht - in einem Grenzbereich zur Arbeits­un­fä­higkeit befunden habe. Hier komme der Beurtei­lungs­spielraum des Arztes zum Tragen, der gerade nicht von Arbeits­un­fä­higkeit, sondern von einer durch die Beschäftigung ausgehenden Gefährdung für Mutter und Kind ausgegangen sei. Die verbleibenden Zweifel gingen zu Lasten der Beklagten. Durch die Kündigung und die Vorenthaltung des Lohns habe die Beklagte eine offensichtlich feindselige Haltung gegenüber der Klägerin gezeigt, die die Klägerin immer wieder zum Beschreiten des Klagewegs und der gerichtlichen Vollstreckung gezwungen hätte. Ein solcher Konflikt wäre selbst für eine nicht schwangere Arbeitnehmerin eine schwere Belastung gewesen. Dies gelte erst recht für eine Schwangere, deren Sensibilität gesteigert sei. Es erscheine mithin plausibel, dass zumindest die psychische Gesundheit der schwangeren Klägerin bei einer Weiter­be­schäf­tigung gefährdet gewesen sei.

Quelle: Pressemitteilung des LAG Schleswig-Holstein vom 24.01.2000

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