21.11.2024
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Dokument-Nr. 3680

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Urteil21.09.2006Landesarbeitsgericht Hamm16 Sa 86/06
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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil21.09.2006

Kein Haftungs­privileg bei Schaden­s­er­satz­ansprüchen unter Arbeitskollegen

Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des Schadens begehrt, der ihm durch einen von der Beklagten mit seinem Pkw verursachen Verkehrsunfall entstanden ist.

Der Kläger, der Österreicher ist und seinen Wohnsitz in Österreich hat, war im Sommer 2004 als Windsurflehrer in Valledoria auf Sardinien tätig. Die Windsurfschule wird betrieben von einem Bekannten des Vaters der Beklagten. Auf Vermittlung ihres Vaters war die Beklagte, die zu dieser Zeit noch Schülerin war, vom 15.07. bis 26.08.2004 als Aushilfe/Praktikantin an der Surfschule des Campingplatzes „La Jeune Vie“ tätig. Nach ihren Angaben waren Kost und Logis frei, die Kosten für die Anreise mit Ausnahme des Transfers von und zum Flughafen hatte sie selbst zu tragen, eine Vergütung erhielt sie nicht.

In einer Entfernung, für die nach Angaben der Beklagten mit dem Fahrrad 20 Minuten und mit dem Pkw fünf Minuten benötigt wurde, unterhielt der Bekannte ihres Vaters eine weitere Surfstation namens „La Foce“. Auf dieser Surfstation war eine Surflehrerin eingesetzt. Die Beklagte wurde auf beiden Surfstationen zu Tätigkeiten herangezogen. Dabei übernahm sie in Abwesenheit der Surflehrerin in der Surfstation „La Foce“ auch deren Aufgaben.

Am 04.08.2004 begab sich die Beklagte aufgrund eines Anrufs der Surflehrerin von der Surfstation „La Jeune Vie“ zu der Surfstation „La Foce“ und benutzte dabei den Pkw des Klägers. Auf der Rückfahrt verursachte sie einen Verkehrsunfall, indem sie auf ein vor ihr fahrendes Fahrzeug auffuhr, das anhielt, weil der Fahrer nach links einbiegen wollte. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers im Frontbereich beschädigt. Noch am selben Tag unterzeichnete die Beklagte eine Erklärung, wonach sie die volle Verantwortung für den von ihr verursachten Unfall übernehme und alle anfallenden Kosten trage.

Nach dem vorgelegten Sachver­stän­di­gen­gut­achten lag ein wirtschaft­licher Totalschaden vor. Konkret stellte der Sachverständige einen Schaden in Höhe von 3.300,00 € fest. Da die Haftpflicht­ver­si­cherung des Klägers den Schaden gegenüber dem Unfallgegner regulierte, entstand ein Rückstu­fungs­schaden in Höhe von 72,71 €. Außerdem macht der Kläger Nutzungsausfall in Höhe von 35,00 € pro Tag für sechs Tage geltend, die er deshalb beansprucht, weil er das Fahrzeug reparieren ließ. Für die Tätigkeit des Sachver­ständigen zahlte der Kläger an diesen 272,00 €.

Der Kläger hat den Gesamtschaden mit seiner am 03.02.2005 beim Amtsgericht eingereichten Klage geltend gemacht. Dieses hat den Rechtsstreit wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Arbeitsgericht verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte als Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitskollegen für den diesem zugefügten Schaden uneingeschränkt wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB. Eine Haftungs­be­schränkung, wie sie sonst im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelte, gelange hier nicht zur Anwendung.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihr Begehren nach Klageabweisung fortverfolgt. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen darauf berufen, das Fahrzeug des Klägers sei zu dienstlichen Zwecken eingesetzt worden. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihre Haftung auf einen Betrag in Höhe der üblichen Selbst­be­tei­ligung zu beschränken.

Das Landes­a­r­beits­gericht hat erkannt, dass die Beklagte dem Kläger sowohl den entstandenen Sachschaden in Höhe von 3.300,00 EUR, als auch die Kosten für die Tätigkeit des Sachver­ständigen in Höhe von 272,00 EUR sowie die Kosten der Malusabstufung in Höhe von 72,71 EUR als auch den geltend gemachten Nutzungsausfall zu ersetzen habe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei begründet. Auch richte sich die gerichtliche Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche nach deutschem Recht. Die Beklagte sei dem Kläger nach § 823 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Schadens an seinem PKW verpflichtet. Sie habe jedenfalls fahrlässig den Unfall verursacht. Im vorliegenden Fall lägen auch keine Gründe dafür vor, dass die Parteien bei Überlassung des PKW des Klägers an die Beklagte redlicherweise eine Haftungs­be­schränkung vereinbart hätten, hätten sie einen möglichen Unfall bedacht. Die Grundsätze der Haftungs­pri­vi­le­gierung im Arbeits­ver­hältnis fänden bei den Schaden­s­er­satz­ansprüchen des Klägers gegenüber der Beklagten keine Anwendung. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs lasse das Deliktsrecht für eine Berück­sich­tigung der Grundsätze des inner­be­trieb­lichen Schadens­aus­gleichs im Verhältnis zu einem außenstehenden Dritten keinen Raum. Vielmehr stehe dem Arbeitnehmer zum Ausgleich ein Freistel­lungs­an­spruch gegen den Arbeitgeber zu. Zwar habe der Kläger nach dem Sachvortrag der Beklagten dieser die Anweisung erteilt, den Wagen zu fahren und damit die Gefahr des Unfallschadens erst herbeigeführt. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Grundsätze des inner­be­trieb­lichen Schadens­aus­gleichs zur Anwendung kommen müssten. Eine Mitverursachung ließe sich nämlich über § 254 BGB erfassen, wofür im Entschei­dungsfall allerdings keine Gründe vorlägen. Vielmehr sei das Schaden­se­r­eignis von der Beklagten vollständig beherrschbar gewesen. Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, vorrangig den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Anspruch bestünde nur, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers eingesetzt worden wäre, was nur dann der Fall wäre, wenn der Arbeitgeber andernfalls, d. h. ohne den Einsatz des Fahrzeugs ein eigenes Fahrzeug hätte zur Verfügung stellen und dessen Unfallgefahr hätte tragen müssen. Der Kläger sei aber nicht verpflichtet, zugunsten der Beklagten zunächst gegen seinen Arbeitgeber vorzugehen, da die Durch­setz­barkeit eines etwaigen Anspruchs des Klägers gegen seinen Arbeitgeber nicht auf der Hand liege.

Erläuterungen

Vorinstanz

Arbeitsgericht Münster, Urteil vom 13.12.2005 – 3 Ca 1316/05 -

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 05/07 des LAG Hamm vom 17.01.2007

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