Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil29.08.2017
Betrugsmasche "Spoofing": Kassiererin handelt bei Herausgabe von Codes für Prepaid-Karten nicht grob fahrlässigMitarbeiterin befand sich in struktureller Unterlegenheit gegenüber den Betrügern
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass eine Kassiererin, die auf eine Betrugsmasche hereinfällt und 124 Codes für Prepaid-Telefonkarten am Telefon herausgibt, nicht für den Schaden haften muss.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte ist seit dem 21. Juni 2015 in Teilzeit als Kassiererin in einer Tankstelle beschäftigt. Sie wurde an ein bis zwei Tagen eingearbeitet. Dabei ist ihr die Betriebsanweisung mitgeteilt worden, Telefonkarten nicht am Telefon herauszugeben. Am Abend des 29. September 2015 arbeitete die Beklagte in der Tankstelle. Um 22.49 Uhr erhielt sie einen Anruf von einer männlichen Person, die sich als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft ausgab. Er erklärte, dass eine Systemumstellung vorgenommen werden solle, womit eine andere Firma, und zwar diejenige, die für Betreuung des gesamten Betriebssystems der Tankstelle zuständig war, beauftragt sei. Diese würde sich kurze Zeit später telefonisch melden. Um 22.51 Uhr erhielt die Beklagte einen Anruf einer weiteren männlichen Person, die sich als Mitarbeiter der beauftragten Firma ausgab. Diese gab an, dass sämtliche 30-Euro-Prepaidtelefonkarten durch neue ersetzt werden müssten. Die Beklagte scannte daraufhin insgesamt 124 Prepaidkarten zu je 30 Euro ein, druckte die jeweils 14stelligen Codes aus und gab dem Anrufer sämtliche Prepaid-Codes telefonisch bekannt. Bei den Anrufen handelte es sich um einen Betrug, durch den ein Schaden von 3.720 Euro entstand. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass es sich um einen Fall von sog. Spoofing handelte, bei dem eine falsche Telefonnummer des Anrufers angezeigt wurde. Die Klägerin, eine Versicherung, erstattete der Inhaberin der Tankstelle diesen Schaden und nimmt die beklagte Arbeitnehmerin aus übergegangenem Recht in Anspruch.
Erforderliche Sorgfalt wurde nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt
Die Klage hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Die Klägerin hatte die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht gewahrt. Nach dem Arbeitsvertrag kam daher eine Haftung nur noch bei grober Fahrlässigkeit in Betracht. Diese lag nicht vor. Die Kassiererin hat in der konkreten Situation die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das verkannt, was jedem hätte sofort einleuchten müssen. In der doppelten Anrufsituation befand sie sich in einer strukturellen Unterlegenheit gegenüber den Anrufern, die den Betrugsversuch professionell vorbereitet hatten. Ein ganz entscheidender Aspekt dafür, dass die Kassiererin die Anrufe für echt halten durfte, war zur Überzeugung des Gerichts folgender: Bei Eingabe der 124 Karten in das System fragte dieses die Kassiererin – anders als sonst – nicht, ob die Eingabe aufgrund telefonischer Anfrage erfolgte. Nach den zwei angeblich von der Telefongesellschaft und des Systembetreibers der Tankstelle erfolgten Anrufen durfte die Kassiererin jedenfalls aufgrund dieses weiteren Umstandes davon ausgehen, dass alles seine Richtigkeit hatte, selbst wenn generell eine Herausgabe der Codes der Telefonkarten auf telefonische Anweisung nicht erfolgen sollte.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.08.2017
Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf/ra-online