24.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 5016

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Hessisches Landessozialgericht Urteil18.10.2007

Krankengeld darf nicht nach bloßer Aktenlage verweigert werdenKrankenkassen müssen den medizinischen Sachverhalt genau ermitteln

Sind Krankenkassen der Auffassung, dass Versicherte trotz einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung des behandelnden Arztes keinen Anspruch auf Krankengeld haben, so sind sie von Amts wegen zu eigenen medizinischen Ermittlungen verpflichtet. Dazu gehören in der Regel die Befragung der behandelnden Ärzte und eine Untersuchung des Patienten. Das entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im vorliegenden Fall war einer heute 53jährigen Frankfurterin, die unter einer Angstkrankheit und depressiven Störungen litt, von ihrer Ärztin Arbeits­un­fä­higkeit attestiert worden. Die Kasse zahlte zunächst Krankengeld, stellte diese Zahlungen jedoch nach einem halben Jahr ein (die maximale Bezugsdauer für Krankengeld beträgt 78 Wochen), obwohl von mehreren Ärzten die weiterhin bestehende Arbeits­un­fä­higkeit bescheinigt wurde. Die Krankenkasse berief sich bei ihrer Entscheidung auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK).

Die Darmstädter Richter verurteilten die Krankenkasse heute zur Weiterzahlung des Krankengeldes, weil sie bzw. der MDK ihrer Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung des medizinischen Sachverhalts nicht nachgekommen seien. Zwar habe die Bescheinigung der Arbeits­un­fä­higkeit durch einen Arzt keine bindende Wirkung für die Krankenkasse, ihr komme nur die Bedeutung einer ärztlich-gutachterlichen Stellungnahme zu. Wolle die Kasse jedoch von dieser ärztlichen Stellungnahme abweichen, so müsse der MDK ein medizinisches Gegengutachten vorlegen, das die ärztlichen Befunde bewerte und wissen­schaftlich-methodisch untersuche. Gerade bei psychischen Krankheiten sei dabei die Befragung und Untersuchung des Patienten zur Beurteilung der Arbeits­un­fä­higkeit unerlässlich. Der MDK habe aber weder die behandelnden Ärzte noch die Patientin befragt bzw. untersucht und ausschließlich nach (zudem fehlerhaft interpretierter) Aktenlage entschieden. Dieses Vorgehen grenzt nach Ansicht des Gerichts an Willkür.

Darüber hinaus wies das Gericht darauf hin, dass den Versicherten zum Nachweis ihrer Arbeits­un­fä­higkeit ausschließlich die Atteste ihrer behandelnden Ärzte zur Verfügung stehen. Kommen die Krankenkassen ihrer Pflicht zu einer möglichst schnellen Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nicht nach, so wird es für die Versicherten mit dem Zeitablauf immer schwieriger, eine frühere Arbeits­un­fä­higkeit nachzuweisen. Der dadurch entstehende prozessuale Nachteil für die Versicherten kann nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung dann durch Bewei­ser­leich­te­rungen ausgeglichen werden. Das heißt: ermittelt die Krankenkasse nicht pflichtgemäß, verringern sich zugunsten des Versicherten die Anforderungen an den Nachweis der Arbeits­un­fä­higkeit in der Vergangenheit. Im Einzelfall kann das sogar bis zu einer Umkehr der Beweislast führen: dann muss die Krankenkasse den Beweis führen, dass der Versicherte arbeitsfähig war.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 36/07 des LSG Hessen vom 18.10.2007

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