21.11.2024
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Dokument-Nr. 4198

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Urteil11.10.2006Hessisches LandessozialgerichtL 6 AL 24/05
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Gießen, Urteil13.12.2004, S 12 AL 1342/03
ergänzende Informationen

Hessisches Landessozialgericht Urteil11.10.2006

Zwang zum Passivrauchen ist ein Kündigungsgrund - Arbeitsagentur darf keine Sperrzeiten verhängenGefahren durch Passivrauchen sind wissen­schaftlich nachgewiesen

Arbeitnehmer, die sich an ihrem Arbeitsplatz vor dem Passivrauchen nicht schützen können und deren Arbeitgeber dagegen keine Abhilfe schaffen, können das Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis lösen und haben sofortigen Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld. Die Verhängung einer Sperrzeit wegen vorsätzlicher Herbeiführung der Arbeits­lo­sigkeit ohne wichtigen Grund ist hier nicht zulässig. Das entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Die Darmstädter Richter hoben damit das erstin­sta­nzliche Urteil, das der Arbeitsagentur recht gegeben hatte, auf. Der Kläger, ein heute 43Jähriger aus Weilburg, habe einen wichtigen Grund zur Aufgabe seines Arbeits­ver­hält­nisses bei einem feinme­cha­nischen Unternehmen in Wetzlar gehabt. Im gesamten Betrieb sei mit Einverständnis des Arbeitgebers geraucht worden; der Kläger habe den Rauch nicht vertragen und sich den Gefahren des Passivrauchens nicht aussetzen wollen; seine Intervention beim Firmenchef sei ohne Erfolg geblieben; er habe daher das Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis lösen dürfen, ohne mit einer anschließenden Sperrzeit beim Arbeits­lo­sengeld bestraft zu werden.

Die Darmstädter Richter halten die gesund­heit­lichen Gefahren durch Passivrauchen für ausreichend wissen­schaftlich nachgewiesen. Da das Passivrauchen auch in kleinen Dosen und in nur kurzer Zeit zu Tumoren führen könne, sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, über einen bestimmten Zeitraum an seinem "verqualmten" Arbeitsplatz auszuharren. Er habe vielmehr den im Gesetz vorgesehenen "wichtigen" Grund gehabt, sein Arbeits­ver­hältnis sofort zu lösen, nachdem seine Bemühungen um einen rauchfreien Arbeitsplatz gescheitert waren. Von einer grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeits­lo­sigkeit könne hier nicht die Rede sein, eine Sperrzeit habe daher auch nicht verhängt werden dürfen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 18/07 des LSG Hessen vom 08.05.2007

der Leitsatz

SGB III § 144; ArbStättV § 5; SGB IV § 7

Nach dem gegenwärtigen medizinischen Wissensstand können Dosis-Schwellenwerte, bei denen Nichtraucher durch Passivrauch keiner zu vernach­läs­si­genden Gesund­heits­ge­fährdung ausgesetzt sind, nicht angegeben werden. Scheitert die Intervention eines Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber, am Arbeitsplatz nicht dem Passivrauchen ausgesetzt zu werden, kommt es deshalb weder auf die persönliche Disposition des Arbeitnehmers noch auf die Intentsität der Belastung der Atemluft durch Tabakrauch an, wenn nach einer solchen Intervention an einem bestehenden Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis durch denjenigen Arbeitnehmer, der sich dem Passivrauchen nicht weiter aussetzen will, nicht mehr festgehalten wird. Bei einer Beendigung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses nach einer solchen Intervention bleibt daher bei dieser Fallgestaltung für die Feststellung einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeits­lo­sengeld kein Raum.

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