Hessisches Landessozialgericht Urteil05.12.2007
Analphabeten dürfen nicht zur Unterschrift gedrängt werdenEntsprechende Schriftstücke sind rechtsunwirksam
Arbeitslose, die der deutschen Sprache weder mündlich noch schriftlich mächtig sind, dürfen ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht zur Unterzeichnung von Erklärungen oder anderen Dokumenten aufgefordert werden. Entsprechende Schriftstücke sind rechtsunwirksam. Das entschied das Hessische Landessozialgericht.
Im vorliegenden Fall war ein heute 64jähriger türkischer Arbeitsloser von der Arbeitsagentur in Marburg aufgefordert worden, schriftlich zu bestätigen, dass er von seiner Ehefrau "dauernd getrennt lebt". Das hat Auswirkungen auf die Höhe des Arbeitslosengeldes. Der Türke unterschrieb das ihm vorgelegte Dokument, ohne es verstanden zu haben. Daraufhin forderte die Arbeitsagentur zuviel gezahlte Leistungen in Höhe von 5.500 € zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in 2. Instanz Erfolg.
Die Darmstädter Richter hielten es für erwiesen, dass der Kläger, der niemals eine Schule besucht hat, Analphabet ist und so gut wie kein Deutsch versteht. Man habe ihn eine Erklärung ohne Hinzuziehung eines Übersetzers nicht unterschreiben lassen dürfen. Andernfalls entfalte sie keine rechtliche Wirkung. Deshalb sei die Rückforderung von zuviel gezahltem Arbeitslosengeld nicht zulässig.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.12.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 44/07 des LSG Hessen vom 11.12.2007