21.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 25828

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Hessisches Landessozialgericht Urteil11.04.2018

Alters­ver­sorgung für Vertragsärzte: Bei Beitrags­be­messung müssen hohe Sachkosten berücksichtigt werdenBeiträge dürfen nicht nur auf Umsatz abstellen

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen verfügt als einzige Kassenärztliche Vereinigung in Deutschland mit der sogenannten Erweiterten Honora­r­ver­teilung über eine eigene Alters­ver­sorgung für niedergelassene Vertragsärzte. Zum Juli 2012 wurden die Grundsätze der Erweiterten Honora­r­ver­teilung dahingehend geändert, dass die Beiträge nach der Honorarhöhe ohne Abzug von Koste­n­er­stat­tungen festgesetzt werden. Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht entschied, dass diese Regelung verfas­sungs­widrig ist, soweit Sachkosten, die bei bestimmten Arztgruppen einen maßgeblichen Anteil des Honorars ausmachten, nicht beitrags­mindernd berücksichtig werden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie erbringt im Rahmen ihre vertrag­s­ärztliche Tätigkeit insbesondere ambulante Dialy­se­be­hand­lungen. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen stufte sie für den Zeitraum ab 1. Juli 2013 in die höchste Beitragsklasse ein und setzte den Beitrag je Quartal auf rund 5.800 Euro fest. Dabei ging Kassenärztliche Vereinigung Hessen von einem jährlichen Gesamthonorar in Höhe von rund 900.000 Euro aus.

Ärztin wendet sich gegen Beitrags­fest­setzung

Die Ärztin aus dem Landkreis Kassel brachte hiergegen vor, dass etwa 90 % ihres Honorars aus nichtärztlichen Dialy­se­leis­tungen stammten. Um diese Sachkosten müsste ihr Honorar im Rahmen der Beitrags­be­messung bereinigt werden. Ihr Quartalsbeitrag läge dann bei lediglich 1.254 Euro.

Gerichte erklären Beitrags­be­messung für rechtwidrig

Genau wie das Sozialgericht beurteilte auch das Hessische Landes­so­zi­al­gericht die Beitrags­be­messung für rechtswidrig. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen müsse über die Eingruppierung der Ärztin und die Beitrags­fest­setzung unter Beachtung der gerichtlichen Rechts­auf­fassung neu entscheiden. Bei der Erweiterten Honora­r­ver­teilung handele es sich um eine solidarische Pflicht­ver­si­cherung. Der Satzungsgeber habe daher das beitrags­rechtliche Äquiva­lenz­prinzip und den solidarischen Charakter der Alterssicherung gegeneinander abzuwägen und in Ausgleich zu bringen.

Beitrags­be­messung nur nach Umsatz ist verfas­sungs­widrig

Die ab Juli 2012 geltende Erweiterten Honora­r­ver­teilung sei laut Landes­so­zi­al­gericht verfassungswidrig, da hiernach in erheblichem Ausmaße Sachkosten nicht mehr abgezogen würden und damit in unangemessener Weise das weitgehend ungekürzte Honorar der Beitrags­be­messung zu Grunde lege.

LSG verweist auf rechtswidrige Ungleich­be­handlung

Der Beitrag müsse zwar nicht an den Gewinn, sondern könne durchaus an die Höhe des Honorars - und damit an den Umsatz - angeknüpft werden. Wenn allerdings vertrag­s­ärztliche Umsätze verschiedener Arztgruppen nicht mehr tendenziell Überschüsse in ähnlicher Größenordnung erwarten lassen, müsse dies bei Beitrags­be­las­tungen, die allein an Umsätzen ausgerichtet seien, berücksichtigt werden. Eine rechtswidrige Ungleich­be­handlung liege deshalb vor, wenn Arztgruppen mit überdurch­schnittlich hohen Sachkos­te­n­an­teilen in der Vergütung im Verhältnis zum Gewinnanteil höhere Beiträge zahlen bzw. denselben Beitrag aus einem niedrigeren Gewinn erwirtschaften müssten. Dies sei der Fall, wenn hohe Sachkosten - wie für nichtärztliche Dialy­se­leis­tungen - bei der Beitrags­be­messung nicht entsprechend berücksichtigt würden.

Die Grundsätze der EHV sind mit Wirkung zum 1. Januar 2017 geändert worden.

Hinweise zur Rechtslage

Art. 3 Grundgesetz (GG)

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Art. 12 GG

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbil­dungs­stätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

§ 1 Grundsätze der erweiterten Honora­r­ver­teilung (GEHV) in der Fassung vom 1. Juli 2012

(1) Jeder niedergelassene Vertragsarzt nimmt [...] an der Honora­r­ver­teilung im Rahmen dieser Bestimmungen der Erweiterten Honora­r­ver­teilung teil. [...]

§ 3 GEHV

(1) Die Erweiterte Honora­r­ver­teilung wird finanziert durch Beiträge der aktiven Vertragsärzte, die vom Honorar einbehalten werden. Die Höhe des zu leistenden Beitrags ist abhängig von dem erzielten Honorar aus ärztlicher Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung im Vorvorjahr des Beitragsjahres, das heißt aller für das herangezogene Kalenderjahr durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen vergüteten ärztlichen Honorare sowie der Honorare aus Selek­tiv­ver­trägen, die in dem entsprechenden Jahr zugeflossen sind. [...]

(2) Es werden insgesamt neun Beitragsklassen festgelegt. Anhand des Durch­schnitts­ho­norars aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler) bestimmt sich die Beitragsklasse 4, die den Regelbeitrag festlegt. Beitragszahler, die ein unter­durch­schnitt­liches Honorar erzielen, zahlen einen ermäßigten Beitrag der Beitragsklassen 1 bis 3; Beitragszahler mit überdurch­schnitt­lichem Honorar werden den Beitragsklassen 5 bis 9 zugeordnet. Die konkrete Zuordnung des Beitragszahlers zur Beitragsklasse erfolgt über das prozentuale Verhältnis des Arzthonorars zum Durch­schnitts­honorar. [...]

§ 3 GEHV in der Fassung vom 1. Januar 2017

(1) Die Erweiterten Honora­r­ver­teilung wird finanziert durch Umlagen der aktiven Vertragsärzte. Die Umlage wird in Form eines prozentualen Abzugs von dem über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen abgerechneten Honorar des jeweiligen Vertragsarztes im aktuellen Abrech­nungs­quartal zuzüglich der auf vier Quartale aufgeteilten Summe der für das Vor-Vorjahr gemeldeten bzw. geschätzten Honorare aus Selek­tiv­ver­trägen einbehalten. [...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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