23.11.2024
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Dokument-Nr. 6942

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Urteil15.08.2008Hessisches Landesarbeitsgericht3 Sa 1798/07
Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil19.09.2007, 5 Ca 34/07
ergänzende Informationen

Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil15.08.2008

Zur Vergütung eines Chefarztes

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts hat sich die Vergütung des Chefarztes eines Kreis­kran­ken­hauses, in dessen Arbeitsvertrag eine Koppelung an eine bestimmte Vergü­tungs­gruppe des damals geltenden BAT vereinbart worden ist, nicht nach dem TV-Ärzte/VkA Tarifgebiet West zu richten.

In dem Streitfall orientierte sich ein Bestandteil der einem Chefarzt zu zahlende Vergütung nach dem im Jahr 1986 abgeschlossenen Arbeitsvertrag an einer bestimmten genannten Vergü­tungs­gruppe des BAT in Verbindung mit einem Vergü­tung­s­ta­rif­vertrag für Mitglieder der Vereinigung kommunaler Arbeit­ge­ber­verbände (VkA). Ab Herbst 2005 erhielt der Chefarzt seine Vergütung auf der Grundlage des TVöD/VkA. Die Bezahlung einer höheren Vergütung unter Heranziehung des zwischen dem Marburger Bund und den kommunalen Arbeitgebern geschlossenen Tarifvertrags TV-Ärzte/VkA lehnte die Klinik ab. Der Chefarzt klagte daraufhin den Differenzbetrag von monatlich € 1.760,00 ein. Er vertrat die Ansicht, die ergänzende Vertrags­aus­legung ergebe, dass die Vergü­tungs­re­ge­lungen des TV-Ärzte/VkA als dem spezielleren Ärzte­ta­rif­vertrag und nicht die des allgemeinen, berufs­grup­pen­über­grei­fenden TVöD auf das Arbeits­ver­hältnis anzuwenden seien.

Arbeitsgericht gab Chefarzt recht

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben.

Landes­a­r­beits­gericht hebt Urteil des Arbeitsgerichts auf

Die von dem Klinikträger eingelegte Berufung hatte Erfolg. Nach Ansicht des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts hat der klagende Chefarzt keinen Anspruch auf eine Vergütung, die sich nach dem TV-Ärzte/VkA errechnet. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Ansicht tritt die Entgeltgruppe IV/Stufe 1 der Tabelle TV-Ärzte/VkA - Tarifgebiet West nicht an die Stelle der im Arbeitsvertrag aufgeführten Vergü­tungs­gruppe I BAT. Dies folge aus der Auslegung des Arbeitsvertrags.

Inwieweit der im Arbeitsvertrag in Bezug genommene BAT und der maßgebende Vergü­tung­s­ta­rif­vertrag durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt werden, ergebe sich nicht allein daraus, dass die Tarif­ver­trags­parteien des TVöD-BT-K und des TV-Ärzte/VkA dem jeweiligen Tarifvertrag ersetzende Funktion beimessen, denn eine beiderseitige Tarifbindung des Klägers und des Beklagten bestehe nicht.

LAG verweist auf Wortlaut des Arbeits­ver­trages

Auch nach dem Wortlaut der arbeits­ver­trag­lichen Verwei­sungs­klausel handele es sich bei dem TVöD-BT-K und/oder dem TV-Ärzte/VkA nicht um einen den BAT im Bereich der VkA ersetzenden Tarifvertrag. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könnten nur solche Tarifwerke einen anderen Tarifvertrag ersetzen, die von den Tarif­ver­trags­parteien vereinbart worden seien, die auch den zu ersetzenden Tarifvertrag - hier den BAT - abgeschlossen haben. Zudem müsse es sich um einen einzigen Tarifvertrag handeln, der als Ersatz vorgesehen sei. Letzteres hätten die Arbeits­ver­trags­parteien unmiss­ver­ständlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Ersetzung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Arbeits­ver­trages „durch einen anderen Tarifvertrag“ erfolgen muss. Im Bereich der VkA erfassten aber nicht nur ein, sondern zwei Tarifverträge in ihrem persönlichen Geltungsbereich Kranken­hau­särzte.

Richter legen Arbeitsvertrag aus

Auch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien folge im Wege der Auslegung keine Vorrangregelung für einen der Tarifverträge, insbesondere führe der Zweck der Bezugnahme nicht zu einer Auflösung der Kollision. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass eine dynamische Verweisung auf die höchste für Ärzte geltende Tarifgruppe gewollt gewesen sei. Daraus könne aber kein Schluss auf eine Auswahl in Bezug auf die derzeit möglichen Tarifwerke getroffen werden.

Der TV-Ärzte/VkA komme auch nicht im Wege ergänzender Vertrags­aus­legung zur Anwendung. Zum einen sei zweifelhaft, ob überhaupt eine ausfül­lungs­be­dürftige Vertragslücke angenommen werden könne. In jedem Fall seien die Gerichte für Arbeitssachen im Streitfall mangels ausreichender Anhaltspunkte aus dem Vertrag nicht befugt, eine etwaige Lücke zu schließen. Auch der Hinweis des Klägers, dass ihm zumindest eine ebenso hohe tarifliche Grundvergütung zustehen müsse wie einem leitenden Oberarzt, weil er eine höherwertige Arbeitsleistung erbringe, greife nicht durch. Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sei in der deutschen Rechtsordnung keine allge­mein­gültige Anspruchs­grundlage, sondern bedürfe der Umsetzung in spezifischen Anspruchs­grundlagen. In Fragen der Vergütung bestehe Vertrags­freiheit, die lediglich durch verschiedene rechtliche Bindungen wie Diskri­mi­nie­rungs­verbote und tarifliche Mindestentgelte eingeschränkt sei. Anhaltspunkte, die in diese Richtung weisen, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Kein Wegfall der Geschäfts­grundlage

Letztlich führten auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäfts­grundlage gem. § 313 BGB im Streitfall nicht zu einer Anwendung des TV-Ärzte/VkA. Selbst bei Annahme einer Störung der Geschäfts­grundlage sei diese nur dann rechtlich erheblich, wenn und soweit das Festhalten am unveränderten Vertrag den Parteien nicht zugemutet werden kann. Dies sei bei dem Kläger aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeits­ver­hältnis nicht anzunehmen. Es stelle für ihn keine unzumutbare Belastung dar, wenn das Vertrags­ver­hältnis bis zu diesem Zeitpunkt für wenige Monate auf der Grundlage des BAT in der zuletzt geltenden Fassung fortgeführt werde. Der daraus resultierende Nachteil halte sich für ihn in zumutbaren Grenzen, weil ihm lediglich ein Einkom­mens­zuwachs für einen kurzen Zeitraum vorenthalten wurde.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/08 des LAG Hessen vom 04.11.2008

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