14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 4507

Drucken
Urteil06.07.2007Hessisches Landesarbeitsgericht3 Sa 1202/06
Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil14.06.2006, 9 Ca 6631/05
ergänzende Informationen

Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil06.07.2007

Außer­or­dentliche Verdachts­kün­di­gungen unwirksamArbeitgeber muss Abschluss des Ermitt­lungs­ver­fahrens gegen Arbeitnehmer abwarten

Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht hat entschieden, dass Verdachts­kün­di­gungen rechtsunwirksam sind, wenn der Arbeitgeber während eines laufenden straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens außerordentlich kündigt, ohne dass ihm neue, eine Verdachts­kün­digung rechtfertigende Umstände bekannt geworden sind.

Hintergrund des Rechtsstreits sind mehrere fristlose Kündigungen, die der beklagte Arbeitgeber gegenüber seinem ehemaligen Abtei­lungs­leiter der Sportredaktion ausgesprochen hat. Nachdem sich der Vorwurf von Unregel­mä­ßig­keiten gegenüber dem Abtei­lungs­leiter ergeben hatte, hatten sich die Parteien im März 2004 darauf geeinigt, dass der Mitarbeiter nur noch in der Funktion eines Redakteurs der Sportredaktion im Rahmen eines Alters­teil­zeit­ver­hält­nisses tätig werden sollte. Kurze Zeit später wurde auch ein staats­an­walt­schaft­liches Ermitt­lungs­ver­fahren gegen ihn eingeleitet. Dem Mitarbeiter wurde vorgeworfen, über Firmen, an denen seine Ehefrau beteiligt war, erhebliche Geldbeträge erlangt zu haben, indem Zuschüsse zu Produk­ti­o­ns­kosten nicht in dem notwendigen Maße an seinen Arbeitgeber weitergeleitet worden seien. Darüber hinaus seien Firmen, die über das Unternehmen seiner Ehefrau Produktionen erstellen ließen, bevorzugt bei der Ausstrahlung von Sportsendungen berücksichtigt worden. Als im Juni 2005 ein Haftbefehl gegen den Mitarbeiter und Durch­su­chungs­be­schlüsse im Rahmen des Ermitt­lungs­ver­fahrens erlassen wurden, sprach der Arbeitgeber tagesgleich zwei Verdachts­kün­di­gungen sowie einige Wochen später eine außer­or­dentliche Tatkündigung aus. Der Mitarbeiter erhob gegen alle Kündigungen Klage vor dem Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil im Hinblick auf die beiden Verdachts­kün­digung stattgegeben.

Die gegen dieses Teilurteil des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Auch das Hessische Landes­a­r­beit­gericht ist zu der Auffassung gekommen, die Verdachts­kün­di­gungen seien unwirksam.

Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außer­or­dent­lichen Kündigung sei, dass der Arbeitgeber die Zweiwochenfrist zum Ausspruch einer solchen Kündigung beachtet. Zwar sei es ihm unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gestattet, den Ausgang eines staats­an­walt­schaft­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens abzuwarten, um so Klarheit zu gewinnen, ob der Arbeitnehmer die Pflicht­wid­rigkeit/Straftat begangen hat oder nicht. Dann müsse der Arbeitgeber jedoch grundsätzlich auch den Ausgang eines solchen Verfahrens abwarten, bevor er eine Kündigung ausspricht. Dies gelte im Regelfall auch, wenn die Staats­an­walt­schaft im Rahmen ihres Ermitt­lungs­ver­fahrens von den ihr nach der Straf­pro­zess­ordnung zur Verfügung stehenden Ermitt­lungs­maß­nahmen wie einer Durchsuchung Gebrauch macht oder wenn ein Haftbefehl ergeht, um Störungen der Tatsa­che­ner­mittlung zu verhindern.

Derartige Umstände können den Arbeitgeber unter Umständen dazu berechtigen, selbst weitere Ermittlung durchzuführen. Entscheide sich der Arbeitgeber dazu, selbst weitere Ermittlungen einzuleiten, muss er diese Ermittlungen zügig durchführen, um dann ggf. nach Erlangung neuer Fakten kündigen zu können.

Der Verdacht einer strafbaren Handlung ermöglicht es dem Arbeitgeber jedoch nicht, in der Zeit eines laufenden straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt eine fristlose Kündigung auszusprechen.

Deshalb waren die beiden Verdachts­kün­digung im zu entscheidenden Verfahren rechtlich zu beanstanden. Der Arbeitgeber habe nicht kündigen dürfen, weil das Ermitt­lungs­ver­fahren noch nicht abgeschlossen war. Unabhängig davon hätte er nach Auffassung des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts auch die von ihm eingeleiteten Ermitt­lungs­maß­nahmen (Antrag auf Akteneinsicht bei der Staats­an­walt­schaft) zu Ende führen müssen, um dann zu entscheiden, ob eine Kündigung ausgesprochen werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt waren die streit­ge­gen­ständ­lichen Verdachts­kün­di­gungen verfrüht ausgesprochen worden. Vorinstanz: Arbeitsgericht Frankfurt vom 14. Juni 2006 - 9 Ca 6631/05

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 07/07 des LAG Hessen vom 06.07.2007

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil4507

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI