21.11.2024
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Dokument-Nr. 845

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Urteil18.03.2005Hessisches Landesarbeitsgericht3 Sa 1072/04
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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil18.03.2005

Abmahnung wegen Beschuldigung, Stasi-Methoden anzuwenden

Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht hat entschieden, dass eine Abmahnung gerechtfertigt ist, wenn ein Arbeitnehmer erklärt, bei dem Anfertigen von und dem Zitieren aus Gesprächs­ver­merken handele es sich um Stasi-Methoden.

Ein seit 10 Jahren bei einem öffentlichen Arbeitgeber beschäftigter Angestellter wurde zu einem Gespräch mit Vorgesetzten gebeten, an dem auf seinen Wunsch hin noch eine weitere Kollegin teilnahm. Im Laufe des Gespräches hielt ein Vorgesetzter dem Arbeitnehmer vor, er habe eine Frist zur Abgabe einer Unterlage versäumt. Ferner wurde der Mitarbeiter mit mehreren Aktenvermerken konfrontiert, die die Fachabteilung gefertigt hatte. Der Arbeitnehmer äußerte daraufhin, dass es sich bei dem Anfertigen der Aktenvermerke und dem Zitieren daraus um Stasi-Methoden handele. Der Arbeitgeber erteilte dem Mitarbeiter wegen dieser Äußerungen eine schriftliche Abmahnung. Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht auf Entfernung derselbigen aus seiner Personalakte. Er wandte vor Gericht ein, er sei zu der betreffenden Äußerung provoziert worden. Auch seien die ihm gegenüber in dem Gespräch gemachten Vorwürfe nicht berechtigt gewesen. Die Vorgesetzten hätten alles, was er zur Klarstellung oder seiner Entlastung vorgebracht habe, ignoriert. Indem der Arbeitgeber ihm mit unbekannten Aktenvermerken konfrontiert habe, hätte er ihm keine Gelegenheit gegeben, sich ein Bild von der Sachlage zu machen. Vor diesem Hintergrund habe er sich in einer besonderen Stresssituation befunden. Auch sei seine Äußerung nur in einem internen Gespräch und nicht im Publi­kums­verkehr getätigt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Berufungs­ge­richts rechtfertigen weder das Verhalten der Vorgesetzten, noch der Ablauf des Gesprächs die Äußerung des klagenden Arbeitnehmers. Eine durch den Arbeitgeber geschaffene Drucksituation oder Provokation sei ebenso wenig zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wie eine Paniksituation oder eine Kurzschluss­handlung auf seiner Seite. Die unstreitige Bemerkung im Laufe der Unterredung stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte, unangemessen überzogene Kritik am Verhalten seiner Vorgesetzten dar. Hierdurch habe der Kläger seine vertraglichen Pflichten derart verletzt, dass jedenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt und keinesfalls unver­hält­nismäßig sei.

Selbst wenn von seinen eigenen Vortrag ausgegangen werde, wonach ein Vorgesetzter mehrere Minuten auf ihn eingeredet, ihm Vorhaltungen gemacht und ihn mit mehreren Aktenvermerken konfrontiert habe, sei doch unstreitig, dass er Gelegenheit bekam, sich zu den Vorhalten zu äußern und diesen Vorwürfen auch entge­gen­ge­treten sei. Dass er sein Gegenüber in der Diskussion nicht (sofort) von der Richtigkeit seiner eigenen Darstellung überzeugen konnte, rechtfertige ebenso wenig den Vorwurf, man agiere mit Stasi-Methoden, wie die Tatsache des zulässigen sowie üblichen Anfertigens und Verlesens von gedächt­niss­tüt­zenden Vermerken.

Sofern ein Arbeitnehmer den Eindruck habe, der Arbeitgeber beziehungsweise seine Vertreter erschwerten ihm eine Stellungnahme und seine Sicht der Dinge sei im Laufe des Gesprächs nicht akzeptiert oder gar ignoriert worden, bleibt es ihm unbenommen, dies zum Ausdruck zu bringen. Soweit er die ihm gegenüber erhobenen Vorhalte für ungerecht­fertigt oder die Art des Gesprächs für unfair hält, darf ein Arbeitnehmer - schon wegen seines Grundrechts auf freie Meinung­s­äu­ßerung - seine Vorgesetzten hierauf auch kritisch hinweisen. Eine inhaltlich gerechtfertigte Kritik habe ein Angestellter des öffentlichen Dienstes jedoch so zu üben, wie es von ihm erwartet wird. Überzogene oder gar Schmähkritik und die Ehrverletzung von Vorgesetzten müssten unterbleiben und das Ansehen des öffentlichen Dienstes dürfe nicht beeinträchtigt werden. Das Verhalten eines Angestellten im öffentlichen Dienst sei hierbei an einem strengeren Maßstab zu messen als das privat Beschäftigter.

Der vom Kläger vorgenommene Vergleich des Vorgehens ihm gegenüber mit Stasi-Methoden stelle eine solch unzulässig überzogene und auch sachlich unberechtigte Kritik dar. Wie der Kläger selbst vorgetragen habe, war ihm die Praxis des Staats­si­cher­heits­dienstes bekannt, über einen längeren Zeitraum sehr viele Informationen über Personen anzuhäufen und diese mit angeblichen Verfehlungen zu konfrontieren, ohne ihnen vorher Gelegenheit zu geben, sich damit auseinander zu setzen. Der Stasi sei eines der wichtigsten Herrschafts­in­strumente der SED in der DDR gewesen und habe sich sich als Instrument des Staatsterrors zur umfassenden Beaufsichtigung der Bevölkerung erwiesen. Der vom Kläger ohne sachliche Berechtigung erhobene Vorwurf der Anwendung von Stasi-Methoden, also krass rechts­s­taats­widrigen Verhaltens seiner Arbeitgeberin durch ihre Vertreter in Form des Vergleichs mit einem derartigen Unrechtssystem habe grob ehrkränkenden Charakter, sei dem Betriebsfrieden und einer gedeihlichen Zusammenarbeit abträglich und deshalb auch vor dem Hintergrund des vom klagenden Arbeitnehmer geschilderten Gesprächs­ablaufs durch nichts gerechtfertigt. Auch sein im Verfahren gezeigtes Verhalten der Unein­sich­tigkeit bestätige im Nachhinein die Richtigkeit der Arbeit­ge­ber­ein­schätzung, dass ihm mittels einer Abmahnung deutlich vor Augen geführt werden muss, dass unmäßige Kritik den Bestand des Arbeits­ver­hält­nisses gefährde.

Die Abmahnung als Reaktion des Arbeitgebers auf die getane Bemerkung berücksichtige auch, dass seine Äußerung nur intern, das heißt im Rahmen eines Mitar­bei­ter­ge­sprächs gefallen ist. Zu Recht habe der Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass im Falle einer öffentlicher Äußerung dieses ehrverletzenden Vergleichs grundsätzlich sogar eine (außer­or­dentliche) Kündigung in Betracht gekommen wäre. Die Abmahnung stelle daher bereits die mildeste, im Hinblick auf die Schwere der Vertrags­ver­letzung sachgerechte und angemessene sowie nicht übermäßige Reaktion des Arbeitgebers dar.

Instanzen:

Hess. LAG, Urteil vom 18. März 2005 - 3 Sa 1072/04

Arbeitsgericht Offenbach am Main, Urteil vom 28. April 2004 - 4 Ca 317/03

Quelle: Pressemitteilung Nr. 16/05 des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 04.08.2005

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