21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 3612

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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil19.06.2006

Unberechtigte Überlassung eines Firmenausweises rechtfertigt fristlose KündigungBetrie­bs­si­cherheit und -abläufe sowie Schutz von Unterlagen oder Daten sind vorrangig

Wenn eine Mitarbeiterin ihre elektronische Zugangs­be­rech­ti­gungskarte einem Kollegen gibt, von dem sie weiß, dass dieser gekündigt worden ist, stellt dies einen wichtigen Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung dar. Das hat das Hessische Landes­a­r­beits­gericht entschieden. Der Kollege hatte wegen seiner Kündigung keine eigene Zugangskarte mehr. Mit Hilfe der geliehenen Karte verschaffte er sich nachts Zugang zu den Betriebsräumen und nahm Manipulationen an dem EDV-System vor.

Die Mitarbeiterin eines Kreditinstituts hatte anlässlich des Erhalts einer elektronischen Zugangs­be­rech­ti­gungskarte für den Betrieb eine Erklärung unterzeichnet, nach der die Karte nur von ihr selbst benutzt werden darf und vor dem Zugriff Dritter zu schützen ist und jeder Missbrauch diszi­pli­na­rische Maßnahmen zur Folge haben würde. Nachdem die Mitarbeiterin kurzfristig mit anderen Aufgaben betraut worden war, erkrankte sie über einen längeren Zeitraum. Während dieser Zeit entschloss sich der Arbeitgeber, sich von einem Abtei­lungs­leiter zu trennen. Nach entsprechender Unterrichtung des Abtei­lungs­leiters musste dieser die ihm überlassene Zugangs­be­rech­ti­gungskarte zurückgeben. Wenige Tage später betrat er in den Nachtstunden unter Verwendung der Zugangskarte der Bankan­ge­stellten die Betriebsräume und nahm dort Manipulationen am EDV-System vor. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis mit der Mitarbeiterin außerordentlich und hilfsweise ordentlich.

Er behauptete, sie habe dem Kollegen ihre Zugangskarte zur Verfügung gestellt. Die Karte habe sich während der Krankheit der Mitarbeiterin nicht im Betrieb befunden und der die Manipulationen vornehmende Kollege habe auch aufgrund des Auswechselns von Schlössern keine Möglichkeit gehabt, die von der Mitarbeiterin bisher genutzten Büroräume zu betreten. Die gekündigte Mitarbeiterin hingegen wandte im Rahmen des Kündi­gungs­schutz­ver­fahrens ein, ihre Karte habe sich in ihrem Schreibtisch im Büro befunden. Sie habe sie dort vergessen als sie erkrankte und den Kollegen lediglich gebeten, sie ihr mitzubringen. Auch habe sie nicht gewusst, wozu er sie verwendet hatte, als er die Karte ihr mitgebracht hat.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Berufung des Arbeitgebers hatte Erfolg. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme kam das Hessische Landes­a­r­beits­gericht zur Überzeugung, dass die gekündigte Mitarbeiterin ihrem Kollegen ihre Zugangs­be­rech­ti­gungskarte überlassen hatte, damit dieser die Büroräume des Arbeitgebers betreten konnte. Ob sie dabei konkret wusste, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang er beabsichtigte, Daten auf seinem dienstlichen PC zu löschen, sei unerheblich. Sie wusste jedenfalls, dass er die Betriebsräume gegen den Willen des Arbeitgebers betreten wollte, denn ihr war bekannt, dass seine Zugangskarte eingezogen worden war.

Nach Auffassung des Berufungs­ge­richts musste die gekündigte Mitarbeiterin auch wissen, dass der Arbeitgeber beabsichtigte, sich von ihrem Kollegen zu trennen und dass dieser seine Zugangs­be­rech­ti­gungskarte bereits zurückgegeben hatte. Damit konnte sie erkennen, dass er sich jedenfalls gegen den erkennbaren Willen des Arbeitgebers Zutritt zu den Betriebsräumen verschaffen wollte und dass dies nur möglich war, wenn dies außerhalb der Arbeitszeiten geschehen würde. Wenn er gegen den Willen der Beklagten die Betriebsräume betreten wollte, war aber auch erkennbar, dass er unbeobachtet Maßnahmen gegen den Willen und ohne Wissen des Arbeitgebers durchzuführen wollte. Ob der gekündigten Mitarbeiterin die näheren Einzelheiten bekannt waren, sei dabei nicht entscheidend. Denn jedenfalls konnte sie nicht mit vertretbaren Gründen davon ausgehen, ihr Verhalten sei vertragsgemäß oder werde von dem Arbeitgeber nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeits­ver­hält­nisses gefährdendes Verhalten angesehen.

Letztlich führte auch die notwendige Inter­es­se­n­ab­wägung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Denn aufgrund des Verhaltens der Mitarbeiterin musste der Arbeitgeber befürchten, sie werde seine berechtigte Interessen an seinem Eigentum, der Betrie­bs­si­cherheit und der Betrie­b­s­a­b­läufen, dem Schutz seiner Unterlagen oder Daten zugunsten eigener privater Interessen bzw. privater Interessen anderer Arbeitnehmer oder gar sonstiger Dritter missachten und diesen Zugriff auf die Betriebsmittel ermöglichen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 28/06 des LAG Hessen vom 29.12.2006

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