15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 6572

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Urteil14.04.2008Hessisches Landesarbeitsgericht17 Sa 1855/07
Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil17.10.2007, 22 Ca 1490/07
ergänzende Informationen

Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil14.04.2008

Kein Mutter­schutzlohn wenn der Arzt die Fahrt zur Arbeit untersagtDie Beschäftigung an sich könnte ausgeführt werden, nur der Weg zur Arbeit ist zu gefährlich

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts besteht kein Anspruch auf Mutter­schutzlohn, wenn die schwangere Arbeitnehmerin ohne Gefährdung an dem ihr zugewiesenen Ersatz­a­r­beitsplatz arbeiten könnte, der Arzt ihr wegen der Schwangerschaft allerdings die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz verboten hat.

Eine als Flugbegleiterin eingestellte Mitarbeiterin einer Flugge­sell­schaft war schwanger. Ihre Ärzte hatten ihr wegen ihrer Schwangerschaft die einstündige Anreise mit dem Auto im Berufsverkehr von ihrem Wohnort zu dem ihr während der Schwangerschaft zur Verfügung gestellten Boden­a­r­beitsplatz verboten. Zwischen der Mitarbeiterin und dem Arbeitgeber bestand kein Streit darüber, dass die Mitarbeiterin die ihr zugewiesene Bodentätigkeit selbst während der Schwangerschaft hätte ausüben können. Mit ihrer Zahlungsklage verlangte die Mitarbeiterin von dem Arbeitgeber die Zahlung von Mutter­schutzlohn für die Zeiten des Beschäf­ti­gungs­verbotes. Sie vertrat die Auffassung, es verstoße gegen das AGG, das Wegerisiko bei Beschäf­ti­gungs­verboten der Schwangeren aufzuerlegen.

LAG: Kein Anspruch auf Mutter­schutzlohn

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung der Mitarbeiterin hatte keinen Erfolg. Das Hessische Landes­a­r­beit­gericht ist in Übereinstimmung mit Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts zu der Auffassung gekommen, es bestehe kein Anspruch auf Mutter­schutzlohn gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG.

Anspruch auf Mutter­schutzlohn nur wenn Leben oder Gesundheit durch die Beschäftigung gefährdet werden

Mutter­schutzlohn könne nur verlangt werden, wenn der Arbeitsausfall darauf zurückzuführen sei, dass Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind durch die Fortdauer der Beschäftigung oder durch die Übertragung einer Ersatztätigkeit gefährdet werden. Sei die Gefährdung hingegen in dem Weg oder der Fahrt von und zu der Arbeit begründet und bestünden gegen die Verrichtung der Tätigkeit bzw. einer Ersatztätigkeit keine Bedenken, schulde der Arbeitgeber keinen Mutter­schutzlohn. Die Schwangere habe das sogenannte Wegerisiko zu tragen. Ein ärztliches Verbot, dass sich nur auf die Zurücklegung des Arbeitsweges beziehe, stelle kein Beschäftigungsverbot i.S.d. MuSchG dar.

LAG beruft sich auf BAG-Entscheidung von 1970

Diese Auffassung sei weder überholt noch mit den heutigen Verhältnissen nicht mehr in Einklang zu bringen. Soweit die Klägerin auf veränderte Verkehrs­ver­hältnisse und erhöhtes Verkehr­s­auf­kommen in Ballungszentren verweise, mag eine Änderung gegenüber dem Zustand von 1970 eingetreten sein. Die Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts aus diesem Jahr beruhe aber nicht auf der Annahme eines geringen Verkehr­s­auf­kommens, sondern auf der Auslegung der §§ 3, 11 MuSchG in Situationen, in denen sich das Wegerisiko bei einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund der Schwangerschaft realisiere. Gesteigertes Verkehr­s­auf­kommen ändere an diesem Ansatzpunkt nichts, führe allenfalls dazu, dass ggf. in häufigeren Fällen als im Jahr 1970 damit zu rechnen sei, dass Schwangeren die Teilnahme am täglichen Berufsverkehr wegen der damit verbundenen Belastungen und einhergehenden Gefährdungen vom Arzt verboten werde. Die Verteilung des Wegerisikos habe aber unabhängig davon zu erfolgen, in welcher Häufigkeit mit einer Realisierung aufgrund bestimmter Umstände zu rechnen sei. Soweit die Klägerin auf das AGG und eine seit 1970 veränderte Rolle der Frau in der Gesellschaft verweise und eine Benachteilung gegenüber nicht schwangeren Arbeitnehmern oder auch kranken schwangeren Arbeit­neh­me­rinnen beanstande, könne ihr nicht gefolgt werden. Die Belastung mit dem Wegerisiko stelle weder eine Ungleich­be­handlung der Schwangeren noch eine mittelbare Frauen­dis­kri­mi­nierung dar. Jeder Arbeitnehmer trage das Risiko der Realisierung des seine private Sphäre betreffenden Wegerisikos. Die Arbeitnehmerin, bei der sich das Wegerisiko aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft realisiere, werde insoweit nicht anders behandelt als ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, bei denen sich das Wegerisiko aus anderen Gründen verwirkliche. Ebenso wenig liege eine Ungleich­be­handlung gegenüber kranken Arbeitnehmern vor. Auch hier gelte nach der überwiegend und zutreffend vertretenen Auffassung, dass kein Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG bestehe, wenn die Krankheit nicht zur Arbeits­un­fä­higkeit führe, sondern der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung nur nicht in der Lage sei, den Weg zur Arbeit zurückzulegen.

Wegerisiko trägt die Mutter

An der rechtlichen Bewertung des Sachverhaltes ändere auch der Umstand nichts, dass ein Mutterschutz, der der werdenden Mutter das Wegerisiko nicht abnehme, unvollkommen sei. Hierzu habe bereits das Bundes­a­r­beits­gericht im Jahr 1970 ausgeführt. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, insoweit etwa bestehende Schutzlücken zu schließen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 09/08 des LAG Hessen vom 22.08.2008

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