14.11.2024
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Dokument-Nr. 645

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Entscheidung28.06.2005

Die A 380-Wartungshalle am Frankfurter Flughafen darf gebaut werden

Der 12. Senat des Hess.VGH hat nach insgesamt vier Verhand­lungstagen am 24., 25. und 31. Mai sowie am 7. Juni 2005 mehrere Entscheidungen zu dem Bau der A 380-Wartungshalle am Flughafen Frankfurt am Main verkündet: Das Gericht hat die Klagen abgewiesen, soweit sie auf eine Aufhebung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses, also auf eine Verhinderung des Baus der Halle gerichtet waren. Auch die Eilanträge, mit denen ein vorläufiger Baustopp erreicht werden sollte, hatten keinen Erfolg.

Noch nicht entschieden hat der Hess. VGH allerdings die Frage, ob der Planfest­stel­lungs­be­schluss durch Lärmschutz­auflagen zugunsten von Wohngebieten in Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim zu ergänzen ist; insoweit hat das Gericht beschlossen, ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten über die künftige Lärmbelastung durch Trieb­werk­s­pro­beläufe einzuholen.

Durch Beschluss vom 26. November 2004 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landes­ent­wicklung den Plan für den Bau der A 380-Werft (mit einer Länge von ca. 350 m, Breite von ca. 140 m und Höhe von ca. 45 m) einschließlich einer Vorfeldfläche sowie die dadurch veranlasste Verlegung der Okrifteler Straße und des Tores 31 des Flughafens festgestellt. Gegen den Plan haben der BUND, der Kreis Groß-Gerau, die Städte Mörfelden-Walldorf, Rüsselsheim, Neu-Isenburg und Raunheim, private Kläger aus Neu-Isenburg sowie die Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach geklagt. In fünf Verfahren haben die Kläger auch Eilanträge gestellt, mit denen der sofortige Vollzug des Planfest­stel­lungs­be­schlusses vorläufig verhindert werden sollte.

Das Verfahren des BUND hat eine Reihe natur­schutz­recht­licher Fragen aufgeworfen. In diesem Zusammenhang sieht es das Gericht aus ornithologisch-fachlicher Sicht als vertretbar an, dass die zuständige Natur­schutz­behörde den Vorha­bens­bereich nicht in das Vogel­schutz­gebiet "Mark- und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Walldorf" einbezogen hat. Zwar sei kurz vor Erlass des Planfest­stel­lungs­be­schlusses eine Grund­da­te­n­er­fassung für das gemeldete FFH-Gebiet gleichen Namens bekannt geworden, in der mehr Brutreviere des Mittelspechts kartiert worden seien als bisher bekannt. Gleichwohl hat das Gericht die Abgrenzung des Vogel­schutz­gebiets nicht beanstandet, weil insbesondere schon der Lebensraum von 40 bis 50 % der in Hessen lebenden Mittel­spechtpaare unter Schutz gestellt sei, so dass der streitige Bereich nicht zu den "geeignetsten" Gebieten von Hessen gehöre (im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten).

Wie das Gericht weiterhin festgestellt hat, soll die A 380-Werft in einem Bereich errichtet werden, der in Erfüllung der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL - an die EU-Kommission gemeldet, aber noch nicht ausgewiesen ist.. Nach Ansicht der Richter werde dieses Gebiet hinsichtlich des Lebensraumtyps "alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur", des Lebensraums des Hirschkäfers und eines Jagdreviers der Bechstein­fle­dermaus durch den Bau der Wartungshalle auch erheblich beeinträchtigt. Es sei aber gerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Planfest­stel­lungs­behörde diese Nachteile für die Natur den insgesamt für die Werft streitenden öffentlichen Interessen untergeordnet habe, zumal durch Ausgleichs­maß­nahmen sichergestellt sei, dass die globale Kohärenz von "Natura 2000" geschützt sei. Nach der Überzeugung des Gerichts bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der Errichtung der A 380-Werft, weil eine geeignete Wartungs­ein­richtung am Flughafen Frankfurt/Main nicht vorhanden, aber notwendig sei. Mit dem Bau der Werft werde zudem ein Wartungsengpass für Flugzeuge der Inter­kon­ti­nen­ta­l­flotte beseitigt und gleichzeitig die Funktion des Flughafens als Drehkreuz sowie als Heimatflughafen der Deutschen Lufthansa AG gestärkt. Auch wirtschaftliche Gründe, insbesondere die Sicherung und Schaffung hochqua­li­fi­zierter und zukunfts­o­ri­en­tierter Arbeitsplätze belegten ein überwiegendes öffentliches Interesse am Bau der Halle.

Die Fraport AG könne nicht darauf verwiesen werden, die Werft an einem anderen Standort innerhalb des bisherigen Flugha­fen­ge­ländes zu bauen. Insbesondere eine Inanspruchnahme des Airbase-Bereiches scheitere an den Planungen der Fraport, dort ein drittes Terminal zu errichten. Die Belegung dieses Geländes mit der A 380-Werft würde die Ausbauplanung und Entwick­lungs­fä­higkeit des Flughafens in einem Maß einschränken, das außer Verhältnis zu der dadurch erreichten Schonung des gemeldeten FFH-Gebietes stehe.

Der Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 26. November 2004 sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil er eine Abweichung von dem Regionalplan Südhessen aus dem Jahr 2000 und eine Teilaufhebung des Bannwaldes zulasse. Beide Entscheidungen seien durch die Planfest­stellung ersetzt worden und auch in der Sache durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, entschied das Gericht.

Zu einem, allerdings nur geringen Teil, hatte die Klage des BUND Erfolg. Die Richter beanstanden, dass die Planfest­stel­lungs­behörde Maßnahmen zur Aufwertung einzelner Flächen im Natur­schutz­gebiet "Mönchbruch von Mörfelden und Rüsselsheim" als natur­schutz­rechtliche Ausgleichs­maß­nahmen anerkannt habe, obwohl diese Maßnahmen zu einem erheblichen Teil aufgrund der Verordnung über dieses Natur­schutz­gebiet schon von den Natur­schutz­be­hörden hätten durchgeführt werden müssen. Deshalb hat der Verwal­tungs­ge­richtshof das beklagte Land verpflichtet, diesen Teil des Planfest­stel­lungs­be­schlusses unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts zu ergänzen.

Teilweise hat sich des Verfahrens des BUND erledigt. Dies beruht darauf, dass die Planfest­stel­lungs­behörde einigen Einwendungen des BUND während des gerichtlichen Verfahrens - u. a. auf Hinweise des Gerichts - durch zumindest klarstellende Ergänzungen des Planfest­stel­lungs­be­schlusses Rechnung getragen hat.

Die Klagen des Kreises Groß-Gerau und der Stadt Rüsselsheim wurden insgesamt und die der Städte Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim sowie der privaten Kläger aus Neu-Isenburg durch Teilurteil insoweit abgewiesen, als sie auf eine Aufhebung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses gerichtet sind. Die Abweisung der Klagen beruht im Wesentlichen auf der Erwägung, dass sich Kommunen und durch Lärm betroffene private Kläger nicht mit Erfolg auf Belange des Naturschutzes oder auf natur­schutz­rechtliche Ziele der Regionalplanung berufen können.

Über die zuletzt genannten Klagen (der Städte Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim und der privaten Kläger aus Neu-Isenburg) hat der Verwal­tungs­ge­richtshof jedoch noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Er hat beschlossen, durch Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens zu klären, in welchem Umfang durch den Betrieb der A 380-Halle Trieb­werk­s­pro­beläufe veranlasst und welche Lärmbe­ein­träch­ti­gungen dadurch verursacht werden. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Lärmschutz­belange der Bewohner der betroffenen Baugebiete nicht ausreichend geschützt worden sind, müsste dem durch weitere Lärmschutz­auflagen (z. B. in Form von Betrie­bs­re­ge­lungen bis hin zur Errichtung einer Lärmschutzhalle für Standläufe) Rechnung getragen werden. Das würde allerdings nur zur Ergänzung, nicht aber zur Aufhebung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses führen. Dagegen haben einige der Kläger eingewendet, der Planfest­stel­lungs­be­schluss sei schon allein aus Lärmschutz­gründen aufzuheben, weil das A 380-Projekt unzuläs­si­gerweise von dem Gesamt­aus­bauplan abgekoppelt worden und dadurch die eigentliche Lärmproblematik unbewältigt geblieben sei. Dieser Auffassung hat sich der Verwal­tungs­ge­richtshof nicht angeschlossen, weil die A 380-Wartungshalle ihre flugha­fen­be­triebliche Funktion unabhängig von der Realisierung der Gesamt­aus­bau­kon­zeption erfülle.

Die Klage der Gemeinnützigen Baugesellschaft Offenbach hat der Verwal­tungs­ge­richtshof mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Planfest­stel­lungs­be­schluss für den Bau der A 380-Halle könne nicht als Zulassung für weitere Flugbewegungen angesehen werden mit der Folge, dass auch Lärmbe­ein­träch­ti­gungen oder Sicher­heits­risiken, die durch weitere Flugbewegungen ausgelöst werden könnten, nicht mit Erfolg gegenüber dem Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 26. November 2004 geltend gemacht werden können. Diese Flugbewegungen fänden ihre Rechtsgrundlage vielmehr in dem Planfest­stel­lungs­be­schluss aus dem Jahr 1971.

Die Eilanträge hatten insgesamt keinen Erfolg. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 26. November 2004 ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Eine gerichtliche Aussetzung der Vollziehung komme daher nur in Betracht, wenn mit erheblicher Wahrschein­lichkeit damit zu rechnen sei, dass der Plan im gerichtlichen Verfahren keinen Bestand haben werde. Eine solche Prognose sei aufgrund der abweisenden Urteile und Teilurteile hier aber nicht gerechtfertigt. Eine später eventuell erforderliche Planergänzung durch Anordnung von Lärmschutz­maß­nahmen stehe dem sofortigen Bau der Wartungshalle nicht entgegen.

Soweit die Klagen durch Urteil oder Teilurteil abgewiesen wurden, hat das Gericht die Revision nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann Beschwerde beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig eingelegt werden.

Die Ablehnung der Eilanträge ist unanfechtbar.

Aktenzeichen:

12 A 3933/04 Klage Stadt Mörfelden-Walldorf

12 A 3/05 Klage Stadt Rüsselsheim

12 A 8/05 Klage BUND

12 A 11/05 Klage Stadt Raunheim

12 A 35/05 Klage Kreis Groß-Gerau

12 A 216/05 Klagen Stadt u. private Kläger aus Neu-Isenburg

12 A 226/05 Klage Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach

12 Q 7/05 Eilantrag Stadt Rüsselsheim

12 Q 9/05 Eilantrag BUND

12 Q 10/05 Eilantrag Stadt Raunheim

12 Q 34/05 Eilantrag Kreis Groß-Gerau

12 Q 221/05 Eilanträge Stadt Neu-Isenburg und private Antragsteller

Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/2005 des VGH Hessen vom 28.06.2005

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