15.11.2024
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Urteil08.05.2008Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel8 UE 1851/07
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel Urteil08.05.2008

Bürger­meis­terwahl in Schotten für gültig erklärtErste Entscheidung zum neuen Wahlfeh­ler­begriff im Kommu­nal­wahlrecht

Die am 2. Oktober 2005 durchgeführte Bürger­meis­terwahl in der Stadt Schotten (Vogelsbergkreis), bei der sich die jetzige Amtsinhaberin Susanne Schaab-Madeisky (SPD) mit 2838 (52,9 %) von 5360 gültigen Wählerstimmen gegen ihren von der CDU vorgeschlagenen Mitbewerber durchgesetzt hatte, ist gültig. Mit dieser Begründung bestätigte der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof durch ein Urteil eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Gießen vom 31. August 2007 und wies die Berufung eines wahlbe­rech­tigten Bürgers aus Schotten gegen dieses erstin­sta­nzliche Urteil zurück.

Der Kläger hatte nach der Direktwahl der neuen Bürgermeisterin - unterstützt durch die Unterschriften von 126 weiteren Wahlbe­rech­tigten - Einspruch eingelegt, den er mit seiner Ansicht nach ergeb­nis­re­le­vanten Unregel­mä­ßig­keiten im Vorfeld der Wahl begründet hatte. Der Amtsvorgänger der neuen Bürgermeisterin, der sich damals aus gesund­heit­lichen Gründen nicht mehr zur Wahl gestellt hatte, habe sich im Wahlkampf in mehreren Wahlver­samm­lungen für die damalige Frakti­o­ns­vor­sitzende der SPD in der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung und heutige Bürgermeisterin eingesetzt, in einem Wahlkampf­prospekt unter Verwendung seiner Amtsbezeichnung für sie geworben und bei zwei privaten Volksfesten, bei denen er als Bürgermeister aufgetreten sei, ihre Grüße überbracht beziehungsweise sie als Bürger­meis­ter­kan­didatin vorgestellt. Im Klageverfahren machte der Kläger darüber hinaus geltend, der Amtsvorgänger der Bürgermeisterin habe im Wahlkampf auch bei zwei von der Stadt organisierten Fahrten für „seine Kandidatin“ geworben und veranlasst, dass bei einem der erwähnten Feste nur die damalige SPD-Kandidatin und nicht auch der damals anwesende Gegenkandidat von einem Presse­fo­to­grafen mit ihm zusammen fotografiert worden sei. Durch dieses Verhalten habe der frühere Bürgermeister seine auch in seiner Funktion als Wahlleiter bestehende Neutra­li­täts­pflicht verletzt.

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof, der sich bei der heutigen Entscheidung erstmals mit dem seit 1. April 2005 geltenden veränderten Wahlfeh­ler­begriff in § 50 Nr. 2 Kommu­nal­wahl­gesetz ausein­an­der­zu­setzen hatte, bestätigte mit seinem Urteil im Wesentlichen die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Gießen, wobei der Senat allerdings bezüglich der Frage, in welchem Umfang der Kläger bereits im Einspruchs­ver­fahren vermeintliche Wahlfehler hätte geltend machen müssen, weniger strenge Maßstäbe anlegte. Im Übrigen vertrat der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu dem für Landtagswahlen geltenden Wahlfeh­ler­begriff in Artikel 78 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen die Ansicht, nach der Änderung des Wahlfeh­ler­be­griffs in § 50 Nr. 2 Kommu­nal­wahl­gesetz könnten nur noch sehr schwer wiegende Wahlfehler, die nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich auf das Wahlergebnis von entscheidendem Einfluss gewesen sein können, dazu veranlassen, eine Wahl für ungültig zu erklären. Soweit der Kläger einen solchen Wahlfehler in der Teilnahme des früheren Bürgermeisters an Wahlkampf­ver­an­stal­tungen seiner Nachfolgerin und in seiner Meinung­s­äu­ßerung in deren Wahlkampf­prospekt gesehen habe, lägen diese Voraussetzungen nicht vor, weil der frühere Bürgermeister insoweit nur von seinem auch im Wahlkampf bestehenden Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung Gebrauch gemacht habe und nicht in amtlicher Eigenschaft aufgetreten sei. Zur Verwendung seiner Amtsbezeichnung sei er beamten­rechtlich auch im privaten Bereich berechtigt gewesen. Soweit Auftritte des früheren Bürgermeisters bei zwei Volksfesten und den von der Stadt organisierten Fahrten beanstandet worden seien, könnten diese Vorgänge schon wegen ihrer Geringfügigkeit nicht als Wahlfehler angesehen werden und es sei darüber hinaus nicht ersichtlich, in welcher Weise diese Vorgänge überhaupt ergeb­nis­re­levant gewesen sein sollten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 10/08 des VG Gießen vom 08.05.2008

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