15.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 433

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil23.03.2005

Abschie­bungs­verbot bei drohender Genita­l­ver­stüm­melung

Mit Urteil vom 23. März hat der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof entschieden, dass junge Frauen und Mädchen nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen, wenn ihnen dort die konkrete Gefahr einer zwangsweisen Beschneidung (Female Genital Mutilation - FMG -) droht.

Geklagt hatten eine 17-jährige junge Frau und ihre 8 Jahre alte Schwester aus Sierra Leone, die zusammen mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester im Jahr 1998 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren. Nachdem das VG einen Asylanspruch und einen Anspruch der Klägerinnen auf Abschie­bungs­schutz nicht anerkannt hatte, entschied nun der VGH Hessen, dass bei den Klägerinnen die Voraussetzungen für einen Abschie­bungs­schutz nach dem seit dem 1. Januar 2005 geltenden § 60 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung führt das Gericht aus, den Klägerinnen drohe bei einer Rückkehr in ihr Heimatland eine zwangsweise Genita­l­ver­stüm­melung. In Sierra Leone - wie in vielen anderen afrikanischen Staaten auch - sei die Praxis der zwangsweise Beschneidung von jungen Frauen und Mädchen tief in der Tradition verwurzelt und extrem stark verbreitet; in Sierra Leone seien hiervon 80 bis 90 % aller jungen Frauen und Mädchen betroffen. Allein der Bildungsstand oder der Aufenthalthalt in Großstädten biete keinen ausreichenden Schutz vor den oft von Verwandten durchgeführten Zwangs­be­schnei­dungen. In Sierra Leone seien diese Praktiken auch vom Gesetz nicht verboten und der Staat sei nicht in der Lage bzw. nicht willens, den Betroffenen Schutz zu gewähren; im Gegenteil sei die Zwangs­be­schneidung, die mit großen Qualen und schwerwiegenden physischen und psychischen Folgen der betroffenen Mädchen und Frauen verbunden sei, staat­li­cherseits im Jahr 1998 sogar propagiert und gefördert worden.

Auch die Eltern der Klägerinnen, die selbst die Beschneidung von jungen Frauen und Mädchen ablehnten, seien aus persönlichen und familiären Gründen nicht in der Lage, ihre Töchter im Fall einer Rückkehr nach Sierra Leone vor einer zwangsweise Genita­l­ver­stüm­melung durch andere Familien­an­ge­hörige wirkungsvoll zu schützen. Bei der Genita­l­ver­stüm­melung handele es sich zwar nicht um eine staatliche Verfolgung, jedoch schütze § 60 AufenthG unter bestimmten, hier gegebenen Voraussetzungen auch vor einer Bedrohung von Leben und Freiheit durch nichtstaatliche, private Akteure.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder vom Bundes­be­auf­tragten für Asylan­ge­le­gen­heiten Beschwerde eingelegt werden, über die das BVerwG zu entscheiden hätte.

Quelle: Pressemitteilung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.04.2005

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