23.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 10705

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Urteil05.05.1993Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg5 U 231/92
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 1994, 1249Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 1994, Seite: 1249
  • VersR 1994, 89Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1994, Seite: 89
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ergänzende Informationen

Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil05.05.1993

Advents­kranz­kerzen für "kurzen" Besuch bei Nachbarn außer Acht lassen ist grob fahrlässigOLG Hamburg zur grob fahrlässigen Brand­ver­ur­sachung durch brennende Adventskerzen

Ein Versi­che­rungs­nehmer handelt nach Auffassung des OLG Hamburg grob fahrlässig, wenn er gemeinsam mit seiner Ehefrau trotz brennender Advents­kranz­kerzen die Wohnung für 15 Minuten verlässt, um den Nachbarn zu besuchen.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Mann (späterer Kläger) zusammen mit seiner Ehefrau die Wohnung für etwa 15 Minuten verlassen, um einen im gleichen Hause wohnenden Nachbarn aufzusuchen, ohne zuvor die beiden im Wohnzimmer an einem Adventskranz brennenden Kerzen zu löschen. Die Kerzen standen in einer Metallhalterung auf einem geschmückten Adventskranz, der sich wiederum unmittelbar auf einem Tisch aus Holz und Kunststoff befand. Der Adventskranz fing Feuer. …

Kläger verklagt Versicherung

Die Versicherung weigerte sich, den Schaden zu regulieren. Der Versi­che­rungs­nehmer verklagte daraufhin erfolgreich die Versicherung vor dem Landgericht Hamburg auf Zahlung von rund 50.000,- DM für den Brandschaden. Das OLG Hamburg hob diese Entscheidung in der Berufungs­instanz jedoch wieder auf.

OLG: Brand grob fahrlässig verursacht - Versicherung ist nicht leistungs­pflichtig

Dem Kläger stünden keine Ansprüche aus dem Versi­che­rungs­ver­hältnis zu, weil die Beklagte nach § 61 VVG von ihrer Leistungs­pflicht befreit sei, führte das Gericht aus. Der in der Wohnung des Klägers entstandene Sachschaden war nach Überzeugung des Gerichts durch grobe Fahrlässigkeit verursacht worden.

Definition der groben Fahrlässigkeit

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, nämlich einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedermann einleuchten musste; neben dem objektiven Pflich­ten­verstoß muss auch ein subjektiv schweres Verschulden gegeben sein (BGH VersR 1986, 671).

OLG: Objektiv war der Kläger erheblich leichtfertig

Objektiv liegt eine erhebliche Leicht­fer­tigkeit darin, angesichts der von einer offenen Flamme ausgehenden Brandgefahr zwei brennende Adventskerzen während eines Zeitraumes von 15 - 20 Minuten sich selbst zu überlassen. Anders als es das Landgericht gesehen hat, hielt das Oberlan­des­gericht das Verschulden des Klägers auch subjektiv für so schwerwiegend, dass von einer groben Fahrlässigkeit gesprochen werden müsse.

OLG: Kläger lies Kerzen wissentlich brennen

Aufgrund der Beweisaufnahme kam das OLG zu der Überzeugung, dass der Kläger die Wohnung nicht in der Annahme, die Kerzen seien von seiner Frau gelöscht worden, verlassen hat, sondern entweder - wie vom Zeugen bekundet - sie wissentlich hat brennen lassen in der Meinung, dies sei ungefährlich, oder schlicht die brennenden Kerzen nicht bedacht hat.

OLG: Jedermann weiß von Gefährlichkeit auch nicht herun­ter­ge­brannter Kerzen

Nach dieser Sachlage sei ein grobes Verschulden des Versi­che­rungs­nehmers i.S. von § 61 VVG auch dann zu bejahen, wenn der Kläger meinte, während des nur als "kurz" geplanten Besuches bei den Nachbarn könne von den noch kaum herun­ter­ge­brannten, ca. 7 - 8 cm dicken und über 20 cm hohen Kerzen keine konkrete Gefahr ausgehen. Jedermann weiß, dass nicht nur herun­ter­ge­brannte Kerzen, sondern auch flackerndes, ungleichmäßig brennendes Kerzenlicht Feuer auslösen kann, z.B. wenn es durch Luftbewegung in seitliche Richtungen getrieben wird. Auch sei brennbares Material in der Nähe gewesen.

Adventskerzen sind allgemein gebräuchlich

Allerdings sei der Vorwurf grober Sorglosigkeit nicht schon stets dann zu erheben, wenn brennende Kerzen einmal kurzfristig unbeaufsichtigt bleiben. Das Aufstellen von Adventskränzen und -kerzen in der Advents- und Weihnachtszeit sei allgemein gebräuchlich, dies müsse bei den Anforderungen an die versi­che­rungs­rechtliche Sorgfalts­pflicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 1295).

OLG: Kläger unterließ - ohne Not - Vorsichts­maß­nahmen

Im vorliegenden Fall hätten der Kläger und seine Ehefrau indessen ohne jeden verständlichen Grund eine der Sache nach gebotene und völlig unschwer auszuführende Vorsichts­maßnahme unterlassen, als sie die Wohnung verließen. Anders als jemand, der von dritter Seite her, von außen, wie z.B. durch einen Telefonanruf, aus dem Zimmer gerufen wird oder neben einer gesichert angebrachten Kerze unvermutet einschläft (BGH VersR 86, 671) oder versehentlich eine von mehreren Kerzen nicht löscht (BGH VersR 86, 254), sind sie in keiner Weise unvorhergesehen abgelenkt worden, sondern hatten hinreichend Zeit, Veranlassung und Überle­gungs­spielraum, um durch einfaches Löschen der Kerzen ihre Wohnung vor deren Verlassen zu sichern.

OLG: Gespräche dehnen sich - nach allgemeiner Erfahrung - häufig aus

Auch der Umstand, dass der Kläger meinte, er bleibe nur für "kurze Zeit" der Wohnung fern, vermöge seine Leicht­fer­tigkeit nicht abzumildern, führte das Gericht aus. Denn er und seine .F rau konnten die Dauer ihrer Abwesenheit nicht von vornherein überschauen wie z.B. derjenige, der nur einen Gegenstand aus dem Keller holen will, und sie nicht wie dieser allein bestimmen. Die Dauer eines Gesprächs hängt auch vom Gespräch­s­partner ab, häufig dehnt sich - auch dies sei eine allgemeine Erfahrung - eine Unterhaltung unbemerkt aus, man "vergisst die Zeit". So sei es auch gewesen.

Kläger handelte auch subjektiv grob fahrlässig

Die Missachtung dieser allgemein bekannten, sich aufdrängenden Erfahrungssätze führe dazu, das Verhalten des Klägers auch subjektiv als grob fahrlässig einzustufen. Dies gelte erst recht, wenn er beim Verlassen der Wohnung überhaupt nicht bedacht hatte, dass die Kerzen noch brannten, weil er dann jegliche notwendige Siche­rungs­maßnahme und gebotene Vorsicht außer Acht gelassen hätte.

Anmerkung

Bitte beachten Sie, dass § 61 VVG heute nicht mehr gültig ist. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung eines Versi­che­rungsfalls wird die Versicherung nicht mehr komplett leistungsfrei, sondern kann ihre Leistung nach der Schwere des Verschuldens kürzen (vgl. § 81 VVG).

Quelle: ra-online, Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg

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