Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Mann (späterer Kläger) zusammen mit seiner Ehefrau die Wohnung für etwa 15 Minuten verlassen, um einen im gleichen Hause wohnenden Nachbarn aufzusuchen, ohne zuvor die beiden im Wohnzimmer an einem Adventskranz brennenden Kerzen zu löschen. Die Kerzen standen in einer Metallhalterung auf einem geschmückten Adventskranz, der sich wiederum unmittelbar auf einem Tisch aus Holz und Kunststoff befand. Der Adventskranz fing Feuer. …
Die Versicherung weigerte sich, den Schaden zu regulieren. Der Versicherungsnehmer verklagte daraufhin erfolgreich die Versicherung vor dem Landgericht Hamburg auf Zahlung von rund 50.000,- DM für den Brandschaden. Das OLG Hamburg hob diese Entscheidung in der Berufungsinstanz jedoch wieder auf.
Dem Kläger stünden keine Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis zu, weil die Beklagte nach § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit sei, führte das Gericht aus. Der in der Wohnung des Klägers entstandene Sachschaden war nach Überzeugung des Gerichts durch grobe Fahrlässigkeit verursacht worden.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, nämlich einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedermann einleuchten musste; neben dem objektiven Pflichtenverstoß muss auch ein subjektiv schweres Verschulden gegeben sein (BGH VersR 1986, 671).
Objektiv liegt eine erhebliche Leichtfertigkeit darin, angesichts der von einer offenen Flamme ausgehenden Brandgefahr zwei brennende Adventskerzen während eines Zeitraumes von 15 - 20 Minuten sich selbst zu überlassen. Anders als es das Landgericht gesehen hat, hielt das Oberlandesgericht das Verschulden des Klägers auch subjektiv für so schwerwiegend, dass von einer groben Fahrlässigkeit gesprochen werden müsse.
Aufgrund der Beweisaufnahme kam das OLG zu der Überzeugung, dass der Kläger die Wohnung nicht in der Annahme, die Kerzen seien von seiner Frau gelöscht worden, verlassen hat, sondern entweder - wie vom Zeugen bekundet - sie wissentlich hat brennen lassen in der Meinung, dies sei ungefährlich, oder schlicht die brennenden Kerzen nicht bedacht hat.
Nach dieser Sachlage sei ein grobes Verschulden des Versicherungsnehmers i.S. von § 61 VVG auch dann zu bejahen, wenn der Kläger meinte, während des nur als "kurz" geplanten Besuches bei den Nachbarn könne von den noch kaum heruntergebrannten, ca. 7 - 8 cm dicken und über 20 cm hohen Kerzen keine konkrete Gefahr ausgehen. Jedermann weiß, dass nicht nur heruntergebrannte Kerzen, sondern auch flackerndes, ungleichmäßig brennendes Kerzenlicht Feuer auslösen kann, z.B. wenn es durch Luftbewegung in seitliche Richtungen getrieben wird. Auch sei brennbares Material in der Nähe gewesen.
Allerdings sei der Vorwurf grober Sorglosigkeit nicht schon stets dann zu erheben, wenn brennende Kerzen einmal kurzfristig unbeaufsichtigt bleiben. Das Aufstellen von Adventskränzen und -kerzen in der Advents- und Weihnachtszeit sei allgemein gebräuchlich, dies müsse bei den Anforderungen an die versicherungsrechtliche Sorgfaltspflicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 1295).
Im vorliegenden Fall hätten der Kläger und seine Ehefrau indessen ohne jeden verständlichen Grund eine der Sache nach gebotene und völlig unschwer auszuführende Vorsichtsmaßnahme unterlassen, als sie die Wohnung verließen. Anders als jemand, der von dritter Seite her, von außen, wie z.B. durch einen Telefonanruf, aus dem Zimmer gerufen wird oder neben einer gesichert angebrachten Kerze unvermutet einschläft (BGH VersR 86, 671) oder versehentlich eine von mehreren Kerzen nicht löscht (BGH VersR 86, 254), sind sie in keiner Weise unvorhergesehen abgelenkt worden, sondern hatten hinreichend Zeit, Veranlassung und Überlegungsspielraum, um durch einfaches Löschen der Kerzen ihre Wohnung vor deren Verlassen zu sichern.
Auch der Umstand, dass der Kläger meinte, er bleibe nur für "kurze Zeit" der Wohnung fern, vermöge seine Leichtfertigkeit nicht abzumildern, führte das Gericht aus. Denn er und seine .F rau konnten die Dauer ihrer Abwesenheit nicht von vornherein überschauen wie z.B. derjenige, der nur einen Gegenstand aus dem Keller holen will, und sie nicht wie dieser allein bestimmen. Die Dauer eines Gesprächs hängt auch vom Gesprächspartner ab, häufig dehnt sich - auch dies sei eine allgemeine Erfahrung - eine Unterhaltung unbemerkt aus, man "vergisst die Zeit". So sei es auch gewesen.
Die Missachtung dieser allgemein bekannten, sich aufdrängenden Erfahrungssätze führe dazu, das Verhalten des Klägers auch subjektiv als grob fahrlässig einzustufen. Dies gelte erst recht, wenn er beim Verlassen der Wohnung überhaupt nicht bedacht hatte, dass die Kerzen noch brannten, weil er dann jegliche notwendige Sicherungsmaßnahme und gebotene Vorsicht außer Acht gelassen hätte.
Bitte beachten Sie, dass § 61 VVG heute nicht mehr gültig ist. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung eines Versicherungsfalls wird die Versicherung nicht mehr komplett leistungsfrei, sondern kann ihre Leistung nach der Schwere des Verschuldens kürzen (vgl. § 81 VVG).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.12.2011
Quelle: ra-online, Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg