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Dokument-Nr. 26180

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Gericht der Europäischen Union Urteil13.07.2018

EuG: Zu Unrecht Ausnahmen bei Berechnung der Verschul­dungsquote versagtRechtsfehler und offensichtliche Beurtei­lungs­fehler durch EZB

Die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB), mit denen sechs französischen Kredi­t­in­stituten das Recht versagt wurde, bestimmte Risiko­po­si­tionen im Zusammenhang mit französischen Sparbüchern bei der Berechnung der Verschul­dungsquote unberück­sichtigt zu lassen, für nicht erklärt. Dies hat das Gericht der Europäischen Union in seiner Entscheidung bekanntgegeben.

Die Finanzkrise von 2008 hat gezeigt, dass einige Kreditinstitute einen zu großen Teil ihrer Investitionen durch Verschuldung statt durch Eigenmittel finanziert hatten. Dieser Mangel an Eigenmitteln führte dazu, dass einige Banken ihre Vermögenswerte dringend veräußern mussten, was die Wirkungen der Finanzkrise verstärkte.

Beurteilung der Eigen­mit­tel­ausstattung durch Verschul­dungsquote

Um einen besseren Überblick über die Eigen­mit­tel­ausstattung der Kreditinstitute zu ermöglichen, beschloss der europäische Gesetzgeber, ein neues Instrument zur Beurteilung ihrer Ausstattung zu schaffen, nämlich die Verschuldungsquote. Die Besonderheit der Verschul­dungsquote liegt darin, dass sie nicht anhand des Ausmaßes der Risiko­po­si­tionen der Kreditinstitute berechnet wird und dass grundsätzlich deren gesamte Investitionen in ihre Berechnung einfließen.

Ausnah­me­re­gelung für bestimmte Risiko­po­si­tionen eingefügt

Allerdings wurde in die Verordnung über Aufsichts­an­for­de­rungen an Kreditinstitute eine Ausnah­me­re­gelung eingefügt, nach der die zuständigen Behörden, darunter die Europäische Zentralbank (EZB), den Kredi­t­in­stituten gestatten können, Risiko­po­si­tionen, die bestimmte Bedingungen erfüllen, bei der Berechnung der Verschul­dungsquote unberück­sichtigt zu lassen.

Sechs Kreditinstitute beantragen Ausnahmen für Risiken aus Sparbüchern

Sechs französische Kreditinstitute, die der Direktaufsicht durch die EZB unterliegen, stellten bei dieser den Antrag, bei der Berechnung der Verschul­dungsquote die Risiko­po­si­tionen unberück­sichtigt lassen zu dürfen, die sich aus Beträgen aus mehreren bei ihnen eröffneten Sparbüchern ("livret A" [Sparbuch A], "livret de développement durable et solidaire" [LDD] [Sparbuch für nachhaltige und solidarische Entwicklung] und "livret d’épargne populaire" [LEP] [Volkssparbuch]) ergaben und auf die Caisse des dépôts et consignations (CDC) (Kasse für Einlagen und Hinterlegungen), eine französische Anstalt des öffentlichen Rechts, übertragen worden waren.

EZB verwehrt Genehmigungen

Mit Beschlüssen vom 24. August 2016 verwehrte die EZB die Genehmigung, die gegenüber der CDC bestehenden Risiko­po­si­tionen, die sich aus den auf den drei oben genannten Sparbüchern angelegten Beträgen ergaben, bei der Berechnung der Verschul­dungsquote unberück­sichtigt zu lassen. Zur Begründung führte sie aus, selbst wenn die in der Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien, stehe es in ihrem Ermessen, ob sie die beantragte Nicht­be­rück­sich­tigung genehmige. Bei der Ausübung dieses Ermessens sei zu beachten, dass der Mechanismus der Übertragung von der CDC auf die betroffenen Kreditinstitute Schwächen aufweise und aufsichts­rechtliche Bedenken aufwerfe, was die Ablehnung der Anträge dieser Kreditinstitute rechtfertige. Die sechs Kreditinstitute riefen daraufhin das Gericht der Europäischen Union an, um die ablehnenden Beschlüsse der EZB für nichtig erklären zu lassen.

Gericht bestätigt Möglichkeit einer Ermes­sen­s­ent­scheidung durch die EZB

Das Gericht erklärt die Beschlüsse der EZB für nichtig. Es bestätigt zunächst, dass es, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der in Rede stehenden Nicht­be­rück­sich­tigung erfüllt sind, im Ermessen der EZB steht, ob sie diese Nicht­be­rück­sich­tigung tatsächlich genehmigt. Dass ein solches Ermessen besteht, ergibt sich nämlich eindeutig aus dem Wortlaut der Verordnung und erklärt sich damit, dass es der EZB gestattet sein muss, eine Abwägung anhand der Besonderheiten jedes Einzelfalls vorzunehmen, und zwar zwischen einerseits dem Erfordernis, den Grundgedanken der Verschul­dungsquote zu beachten (was die Berück­sich­tigung der Gesam­t­ri­si­ko­po­si­ti­o­ns­messgröße eines Kreditinstituts ohne Gewichtung anhand des Risikos impliziert), und andererseits der Erwägung, dass bestimmte Risiko­po­si­tionen, die ein besonders schwaches Risikoprofil aufweisen und nicht aus einer Inves­ti­ti­o­ns­ent­scheidung des betroffenen Kreditinstituts herrühren, für die Berechnung der Verschul­dungsquote irrelevant sind und dabei unberück­sichtigt bleiben können.

Beurtei­lungs­fehler durch EZB bei Ermes­sens­ausübung

Sodann prüft das Gericht, ob der EZB bei der Ausübung ihres Ermessens ein Rechtsfehler oder offen­sicht­licher Beurtei­lungs­fehler unterlaufen ist. Insoweit stellt es fest, dass die EZB ihre Ablehnung mit Aspekten begründet hat, die den Risiko­po­si­tionen, auf die sich die in der Verordnung vorgesehene Ausnah­me­re­gelung bezieht, inhärent sind, womit sie dieser Ausnah­me­re­gelung ihre praktische Wirksamkeit genommen hat. Sie hat ihre Ablehnung nämlich damit begründet, dass die Risiko­po­si­tionen gegenüber der CDC auf der Aktivseite der Bilanz der betroffenen Kreditinstitute stünden (dabei sind die von der Ausnah­me­re­gelung betroffenen Risiko­po­si­tionen wesensgemäß dazu bestimmt, auf der Aktivseite der Bilanz zu stehen), dass diese Kreditinstitute das operationelle Risiko im Zusammenhang mit regulierten Spareinlagen trügen (dabei entspricht es dem Grundgedanken der Ausnah­me­re­gelung, dass die Kreditinstitute dieses Risiko tragen) und dass eine etwaige Zahlungs­un­fä­higkeit des französischen Staates zur Folge haben könne, dass die auf die CDC übertragenen Beträge den Klägerinnen nicht zurückgezahlt würden (dabei betrifft die Ausnah­me­re­gelung ausschließlich Risiko­po­si­tionen gegenüber Staaten, und die EZB hat die Wahrschein­lichkeit einer solchen Zahlungs­un­fä­higkeit nicht untersucht).

Anpassungsfrist kein Liqui­di­täts­risiko

Das Gericht ist zudem der Auffassung, dass angesichts der Tatsache, dass sich die mit einer übermäßigen Verschuldung verbundenen Risiken im Fall einer unzureichenden Liquidität verwirklichen, der grundsätzliche Standpunkt der EZB, dass sich aufgrund der Anpassungsfrist(d.h. der zwischen den Anpassungen der jeweiligen Positionen der betroffenen Kreditinstitute und der CDC liegenden Frist) die mit einer übermäßigen Verschuldung verbundenen Risiken eher verwirklichen könnten, obwohl die EZB einräumt, dass diese Anpassungsfrist kein Liqui­di­täts­risiko begründe, aufgrund seiner Allgemeinheit und angesichts des Fehlens einer detaillierten Prüfung der typischen Merkmale der regulierten Spareinlagen als offensichtlich fehlerhaft anzusehen ist.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ ra-online

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