18.10.2024
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Gericht der Europäischen Union Urteil13.12.2013

Beschlüsse der Kommission über die Zulassung des Inver­kehr­bringens der genetisch veränderten Kartoffelsorte Amflora nichtigKommission verletzt Verfahrens­vorschriften der Regelungen für die Zulassung von genetisch veränderte Organismen in der Union

Genetisch veränderte Organismen (GVO) dürfen im Gebiet der Europäischen Union nur dann in die Umwelt freigesetzt oder in Verkehr gebracht werden, wenn für sie im Anschluss an eine wissen­schaftliche Risikobewertung eine Zulassung erteilt worden ist, die besonderen Bedingungen unterliegt und für bestimmte Verwendungen erteilt wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichts der europäischen Union hervor.

Die Zulas­sungs­re­gelung umfasst zwei verschiedene Verfahren, die je nach der geplanten Verwendung der GVO durchgeführt werden. Das erste Verfahren, dessen Vorschriften in der Richtlinie 2001/18/EG (Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates) niedergelegt sind, hat die Zulassung der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt zum Gegenstand. Im Rahmen dieses Verfahrens ist die Zulas­sungs­er­teilung grundsätzlich Sache des Mitgliedstaats, bei dem ein Unternehmen einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Die übrigen Mitgliedstaaten sowie die Kommission können jedoch gegenüber der geplanten Zulas­sungs­ent­scheidung Einwände erheben.

Das zweite Zulas­sungs­ver­fahren, das mit der Verordnung Nr. 1829/2003 (Verordnung über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel) eingeführt wurde, betrifft genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel. Hier wird der Zulas­sungs­antrag auf Gemein­schaft­sebene geprüft.

Endgültige Entscheidung wird über Zulassung wird auf Grundlage der wissen­schaft­lichen Stellungnahmen der EFSA getroffen

Wird im Rahmen des erstgenannten Verfahrens ein Einwand geltend gemacht oder im zweitgenannten ein Zulas­sungs­antrag gestellt, wird die endgültige Entscheidung über die Zulassung von der Kommission oder vom Rat auf der Grundlage der wissen­schaft­lichen Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebens­mit­tel­si­cherheit (EFSA) getroffen.

Kommission erteilt grundsätzlich gewünschte Zulassung

In diesen Fällen wird die Kommission von zwei aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusam­men­ge­setzten Ausschüssen unterstützt, die ihre jeweilige Stellungnahme in Kenntnis der Stellungnahme der EFSA abgeben. Spricht sich der zuständige Ausschuss in seiner Stellungnahme für eine Zulassung des GVO aus, wird diese von der Kommission erteilt. Andernfalls oder wenn keine Stellungnahme abgegeben wurde, legt die Kommission einen Vorschlag hinsichtlich der Zulassung dem Rat vor, der diese erteilen oder ablehnen kann. Erlässt der Rat keine Entscheidung, erteilt die Kommission die Zulassung.

Antrag auf Zulassung des Inver­kehr­bringens der genetisch veränderten Kartoffelsorte Amflora

Die BASF Plant Science GmbH stellte zum einen über eine Tochter­ge­sell­schaft bei den schwedischen Behörden einen Antrag auf Zulassung des Inver­kehr­bringens der genetisch veränderten Kartoffelsorte Amflora im Hinblick auf deren Anbau und Verwendung zu industriellen Zwecken. Nachdem sich mehrere Mitgliedstaaten zu diesem Antrag geäußert hatten, wurden die Unionsbehörden mit der endgültigen Entscheidung betraut.

Antrag umfasste auch den Fall des zufälligen Vorhandenseins von Spuren von GVO

Zum anderen betrieb BASF unmittelbar bei den Unionsbehörden ein Verfahren auf Zulassung der Erzeugung von Futtermitteln aus Kartoffeln dieser Sorte. Ihr Antrag umfasste auch den Fall des zufälligen Vorhandenseins von Spuren von GVO in Lebensmitteln oder Futtermitteln.

EFSA bestätigt kein Vorliegen einer Gefahr

Nachdem bei ihr im Jahr 2005 befürwortende Stellungnahmen der EFSA eingegangen waren, legte die Kommission Zulas­sungs­vor­schläge den Ausschüssen und sodann, da deren Stellungnahmen ausblieben, dem Rat vor, der keine Entscheidung erließ. Demnach hätte die Kommission in diesem Stadium die beantragten Zulassungen erteilen können. Da sie jedoch im Laufe der Zulas­sungs­ver­fahren Informationen über Diskrepanzen zwischen den einzelnen wissen­schaft­lichen Stellungnahmen der EFSA erhalten hatte, enthielt sie sich dem Erlass von Zulassungen und beschloss vielmehr, die EFSA erneut zu konsultieren, damit diese Klarstellungen zu ihren Stellungnahmen treffe. Im Juni 2009 gab die EFSA eine konsolidierte wissen­schaftliche Stellungnahme ab, in der sie (angesichts von Minder­heitsvoten, die ihren Schluss­fol­ge­rungen entgegenstanden) bestätigte, dass die Kartoffelsorte Amflora weder eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen noch für die Umwelt darstelle. Aufgrund dieser Stellungnahme befasste die Kommission die zuständigen Ausschüsse nicht mit weiteren Entschei­dungs­ent­würfen für Zulassungen, sondern erteilte die beiden beantragten Zulassungen mit Beschlüssen vom 2. März 2010.

Ungarn erhebt Nichtig­keitsklage

Ungarn war jedoch der Auffassung, dass von der Kartoffelsorte Amflora eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt ausgehe, weshalb dieser Mitgliedstaat gegen die Zulas­sungs­be­schlüsse der Kommission eine Nichtig­keitsklage erhoben hat. Frankreich, Luxemburg, Österreich und Polen sind dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Ungarn beigetreten.

Kommission wich von den Vorschriften der Zulas­sungs­ver­fahren ab

Mit seinem Urteil stellt das Gericht zunächst fest, dass die Kommission vor Erlass der angefochtenen Beschlüsse den zuständigen Ausschüssen keine geänderten Entwürfe dieser Beschlüsse zusammen mit der konsolidierten Stellungnahme der EFSA von 2009 und den Minder­heitsvoten vorgelegt hat. Während die verfügenden Teile der angefochtenen Beschlüsse die gleichen sind wie diejenigen der den zuständigen Ausschüssen und dem Rat ursprünglich vorgelegten Entschei­dungs­entwürfe, sind die von der Kommission für den Erlass dieser Beschlüsse angeführten wissen­schaft­lichen Begründungen nicht die gleichen. Das Gericht stellt daher fest, dass die Kommission, indem sie beschloss, von der EFSA eine konsolidierte Stellungnahme einzuholen, und den angefochtenen Beschlüssen insbesondere diese Stellungnahme zugrunde legte, ohne den zuständigen Ausschüssen Gelegenheit zu geben, zur Stellungnahme und zu den geänderten Entschei­dungs­ent­würfen ihrerseits Stellung zu nehmen, von den Vorschriften der Zulas­sungs­ver­fahren abgewichen ist.

Ergebnis des Verfahrens hätte anders ausfallen können

In diesem Zusammenhang geht das Gericht davon aus, dass das Ergebnis des Verfahrens oder der Inhalt der angefochtenen Beschlüsse wesentlich anders hätte ausfallen können, wenn die Kommission diese Vorschriften beachtet hätte. Da die in den Ausschüssen durchgeführten Abstimmungen über die früheren Entwürfe starke Meinungs­un­ter­schiede ergeben hätten und in den Schluss­fol­ge­rungen der mit Minder­heitsvoten versehenen konsolidierten Stellungnahme der EFSA von 2009 noch größere Unklarheiten als in den früheren Stellungnahmen der EFSA zum Ausdruck gekommen seien, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitglieder der Ausschüsse möglicherweise ihren Standpunkt überdacht und sich für oder gegen die beantragten Zulassungen entschieden hätten. Überdies wäre die Kommission bei einer ablehnenden Stellungnahme der Ausschüsse oder in Ermangelung einer solchen verpflichtet gewesen, Zulas­sungs­vor­schläge dem Rat vorzulegen, der für oder gegen die fraglichen Zulassungen hätte entscheiden können. Erst am Ende dieses Verfahrens und nur in Ermangelung einer Entscheidung des Rates hätte die Kommission ihre Beschlüsse erlassen können.

Beschlüsse nicht als mit den früheren Entwürfen und Vorschlägen identisch anzusehen

Dazu stellt das Gericht fest, dass die Aufnahme einer sich auf eine neue Stellungnahme der EFSA beziehenden Begründung als wissen­schaftliche Grundlage in die Entwürfe der angefochtenen Beschlüsse eine wesentliche Änderung dieser Entwürfe gegenüber ihren früheren Fassungen darstellt. Daher können diese Beschlüsse nicht als mit den früheren Entwürfen und Vorschlägen identisch angesehen werden. Zudem ist die konsolidierte Stellungnahme von 2009, die gegenüber den früheren Stellungnahmen der EFSA erhebliche Unterschiede aufweist, als inhaltliche Neubewertung und nicht als rein formale Bestätigung der in den früheren Stellungnahmen enthaltenen Risiko­be­wer­tungen anzusehen.

Angefochtene Beschlüsse nichtig

Da somit die Kommission ihre Verfah­rens­pflichten in erheblichem Maße verletzt hat, erklärt das Gericht die angefochtenen Beschlüsse für nichtig.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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