18.10.2024
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Dokument-Nr. 8858

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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil03.11.2009

Schulden des Kindes können nicht als außer­ge­wöhnliche Belastungen für die zahlenden Eltern gewertet werdenFür Eltern bestand keine rechtliche Verpflichtung für Steuerschulden des Kindes aufzukommen

Zahlen Eltern die Schulden ihres volljährigen Kindes, sind diese Beträge nicht als außer­ge­wöhnliche Belastungen abzugsfähig. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz.

In ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung 2005 machten die Kläger die Zahlungen von Umsatz­steu­er­schulden für ihre seit 2004 geschiedene Tochter in Höhe von fast 23.000,- € als außer­ge­wöhnliche Belastungen geltend. Die Tochter hat vier Kinder – im Streitjahr 17, 15, 12 und 8 Jahre alt - und erhielt für diese Unter­halts­zah­lungen in Höhe von 800,- € im Monat. Die Umsatz­steu­er­nach­zahlung resultierte überwiegend aus einer Vorsteu­er­kor­rektur hinsichtlich einer völlig überschuldeten Immobilie der Tochter. Nachdem das Finanzamt die Berück­sich­tigung der Aufwendungen als außer­ge­wöhnliche Belastung mit der Begründung abgelehnt hatte, es fehle an der für außer­ge­wöhnliche Belastungen notwendigen Zwangs­läu­figkeit, erhoben die Kläger Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz, die sie wie folgt begründeten: Die Tochter sei durch ihre Scheidung als allein erziehende Mutter von 4 minderjährigen Kindern finanziell in ein Notlage geraten, da sie von ihrem geschiedenen Ehemann nur 800,- € Unterhalt für alle Kinder erhalten habe. Sie habe deswegen eine Referen­dar­aus­bildung für das Lehramt aufgenommen, aber nur weniger als 1.200,- € Gehalt erzielt. Die steuerlichen Angelegenheiten seien von dem damaligen Ehemann und einem Steuerberater erledigt worden. Die Aufforderung zur Steuer­nach­zahlung sei für die Tochter völlig überraschend gekommen. Ein Nichtbegleichen der Steuerschuld hätte zur Privatinsolvenz der Tochter geführt, die dadurch mit ihrer Familie zu einem Sozialfall geworden wäre. Durch diese Belastung habe bei der Tochter die Gefahr eines Nerven­zu­sam­men­bruchs bestanden. Vor diesem Hintergrund seien die Voraussetzungen einer außer­ge­wöhn­lichen Belastung gegeben, die Mehrzahl vergleichbarer Steuer­pflichtiger habe derartige Aufwendungen nicht.

Sittliche Verpflichtung der Eltern nicht so groß, dass sie einer Rechtspflicht gleichgesetzt werden kann

Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u. a. aus, eine rechtliche Verpflichtung der Kläger für die Steuerschulden ihrer Tochter aufzukommen, habe nicht bestanden. Eltern hätten ihren Kindern gegenüber zwar angemessenen Unterhalt zu zahlen. In der famili­en­ge­richt­lichen Rechtsprechung werde jedenfalls dann, wenn ein volljähriges Kind eine selbständige Lebensstellung erreicht habe, eine Unter­halts­pflicht der Eltern ganz überwiegend verneint. Auf die Frage, ob Steuerschulden zum Lebensbedarf des Unter­halts­be­rech­tigten gehörten, komme es daher nicht mehr an. Nach Ansicht des Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestand zur Übernahme der Verbindlichkeit auch keine sittliche Verpflichtung im Sinne einer außer­ge­wöhn­lichen Belastung. Sittlich zu billigende oder besonders anerken­nenswerte Gründe allein genügten nicht; es reiche vor allem nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich sei. Eine Zwangs­läu­figkeit sei nicht schon gegeben, wenn sich der Steuer­pflichtige subjektiv verpflichtet fühle. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs sei eine Zwangs­läu­figkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar sei, dass sie einer Rechtspflicht gleichkomme. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht gegeben. Ein gesell­schaft­licher Zwang zur Übernahme von Verbind­lich­keiten volljähriger Kinder, die aus deren eigen­ver­ant­wort­lichen Entscheidungen – hier Kauf oder Übernahme der Immobilie - resultieren würden, sei nicht ersichtlich. Die Allgemeinheit erwarte auch nicht, dass Eltern derartige Verbind­lich­keiten für ihr über einen eigenen Hausstand verfügendes volljähriges Kind begleichen würden. Infolgedessen sei die Schuld­frei­stellung der Tochter nicht als Maßnahme anzusehen, die einer steuerlichen Entlastung und damit einer Überwälzung auf die Allgemeinheit zugänglich sei.

Quelle: ra-online, FG Rheinland-Pfalz

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