14.11.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil16.01.2007

Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen sind steuerlich keine außer­ge­wöhnliche BelastungAuch nicht bei einer MCS-Vorerkrankung

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat zu der Frage Stellung genommen, ob Aufwendungen für Abschirm­maß­nahmen an einem Haus gegen Mobil­funkstrahlen als außer­ge­wöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Im Streitfall geht es um Aufwendungen für Abschirm­maß­nahmen gegen eine Mobilfunkanlage in Höhe von rd. 38.500.- €, die die Klägerin in ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung 2002 bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen geltend gemacht hatte.

Die an MCS (Multiple Chemical Sensitivity) erkrankte und deswegen zu einem Grad von 70 % behinderte Klägerin hatte zunächst vergeblich rechtliche Schritte zur Verhinderung einer Mobilfunkanlage unternommen. Nachdem im Jahre 2002 in der Nähe ihres Wohnhauses (ca. 70m Entfernung) die Mobilfunkanlage in Betrieb gegangen war und sie und ihre Familie das sofort heftig gespürt hätten (Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen und Kopfschmerzen etc), wurde ein Baubiologe und Umwelt­ana­lytiker mit Messungen beauftragt. Auf der Basis eines baubiologischen Gutachtens wurden dann professionelle Abschirm­maß­nahmen am Hause durchgeführt. Nach Beendigung der Arbeiten sei der technische Erfolg der Abschirm­maß­nahmen in einer erneuten baubiologischen Messung festgehalten worden. Der Antrag auf steuerliche Berück­sich­tigung bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen wurde u.a. unter Vorlage eines Gutachtens der Hausärztin damit begründet, dass die Klägerin unter MCS - einer weit über das normale Maß hinausgehenden Empfindlichkeit gegenüber externen Einflüssen - leide und dass es bei ihr zu einer Blutdruckkrise und einer akuten Binde­haut­ent­zündung mit externer Ursache gekommen sei, nachdem in der Nähe ihres Wohnhauses ein Funkmast in Betrieb genommen worden sei.

Das vom Finanzamt eingeschaltete Gesundheitsamt kam u.a. zu der Ansicht, dass bei der Einhaltung der geltenden Grenzwerte nach dem Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­gesetz keine gesund­heit­lichen Gefahren zu befürchten seien. Später schaltete das Finanzamt das Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht zu der Frage ein, ob die Abschirm­maß­nahmen aufgrund der Erkrankung der Klägerin notwendig und angemessen gewesen seien. Nach der Messung in der Umgebung des Hauses der Klägerin konnte ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der von der Klägerin geschilderten Art und elektro­ma­gne­tischen Feldern nicht nachgewiesen werden. Im Einkom­men­steu­er­be­scheid 2002 berücksichtigte der Beklagte den Betrag von rd. 38.500.- € nicht bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen. In dem umfangreichen weiteren Verfahren bei dem Finanzamt, in dem die Klägerin u.a. vorgetragen hatte, wegen ihrer polyvalenten Allergie reagiere sie mit schwerwiegenden sogar lebens­be­dro­henden Störungen, auch wenn die Grenzwerte in ihrem Haus nicht überschritten würden, wurde das Gesundheitsamt erneut um eine Stellungnahme gebeten. Es führte u.a. aus, das typische Beschwerdebild von MCS Patienten und die Tatsache, dass MCS-Beschwerden nur durch chemische Einflüsse ausgelöst würden, ließen im Falle der Klägerin einen Zusammenhang mit den ausschließlich physikalischen Einflüssen durch die Funkantenne nicht erkennen, es gäbe auch die international formulierte Hypothese, wonach schon der Stress durch die Besorgnis einer Gefahr zu körperlichen Beschwerden führe (Nocebo-Effekt). Auch in einem solchen Falle könne eine Abschirmaßnahme zu einer Linderung führen, ohne dass eine Notwendigkeit im Sinne eines Strah­len­schutzes bestanden hätte.

Die vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz angestrengte Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte u.a. aus, nach der neueren Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs seien Aufwendungen im Zusammenhang mit einer MCS-Erkrankung nicht als außer­ge­wöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuer­pflichtige seine Beschwerden nicht durch ein amtsärztliches Gutachten nachweise. Gerade wegen der im Streitfall bestehenden und zwischen den Beteiligten nicht streitigen Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ursächlichkeit sei der Nachweis in dieser qualifizierten Weise zu führen unerlässlich, um die Inanspruchnahme ungerecht­fer­tigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt. Die Bedenken der Klägerin, ein Amtsarzt sei nicht einschlägig spezialisiert, würden nicht durchgreifen, denn der eingeschaltete Amtsarzt könne sich ggf. durch Nachfrage bei anderen Stellen ein eigenes medizinisches Urteil bilden.

Der Senat gehe in diesem Zusammenhang, solange keine gegenteiligen wissen­schaftlich gesicherten aktuellen Erkenntnisse vorlägen, mit der oberst­ge­richt­lichen Rechtsprechung von Bundes­ge­richtshof und Bundes­ver­fas­sungs­gericht davon aus, dass bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ge­setzes eine Gesund­heits­ge­fährdung durch Mobilfunkwellen nicht unterstellt werden könne. Die weitergehenden Beweisanträge der Klägerin wurden abgelehnt, da der Senat keinen Anlass sah, den Amtsarzt erneut zu bemühen, eine amtsärztliche Stellungnahme liege bereits vor. Außerdem fehle es an der Zwangs­läu­figkeit der Aufwendungen i.S. einer außer­ge­wöhn­lichen Belastung. Die Klägerin habe nämlich selbst vorgetragen, trotz der Reduktion der Strah­len­be­lastung sei ihr ein völlig beschwer­de­freies Leben nicht möglich gewesen; deswegen sei sie im September 2003 aus dem Haus ausgezogen und habe eine neue Wohnung bezogen. Daraus folgerte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz, dass bereits zu Beginn der Abschirm­maß­nahmen klar gewesen sei, dass eine Abschirmung des gesamten Anwesens - also auch der Außenflächen - nicht möglich gewesen sei. Aus der Sicht der Klägerin seien damit die Aufwendungen im Ergebnis von vorneherein nicht sinnvoll und damit nicht notwendig gewesen, weil sie die gewünschte Nutzung des gesamten Anwesens nicht hätten ermöglichen können.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 01.02.2007

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