18.10.2024
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Urteil12.12.2007Niedersächsisches Finanzgericht7 K 249/07
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Niedersächsisches Finanzgericht Urteil12.12.2007

Teil-Einspruchs­be­scheid im Zusammenhang mit einkom­men­steu­er­lichen Vorläu­fig­keits­ver­merken ist aufzuhebenVorläu­fig­keits­vermerke in Einkom­men­steu­er­be­scheiden sind nicht hinreichend verständlich

Das Nieder­säch­sische Finanzgericht hat einen Teil-Einspruchs­be­scheid zu einzelnen Punkten des einkom­men­steu­er­lichen Vorläu­fig­keits­vermerks aufgehoben.

Daneben hat das NFG den im Einkom­men­steu­er­be­scheid aufgeführten Vorläu­fig­keits­vermerk als "nicht hinreichend bestimmt, nicht hinreichend verständlich, nicht hinreichend umfassend formuliert" gekennzeichnet. Hiermit werde nicht der verfas­sungs­rechtlich garantierte effektive Steuer­rechts­schutz vermittelt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das beklagte Finanzamt (FA) hatte gegenüber dem Kläger einen Einkom­men­steu­er­be­scheid für das Jahr 2005 erlassen. Im Hinblick auf diverse Grund­satz­ver­fahren beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht und Bundesfinanzhof versah das FA den Bescheid mit Vorläu­fig­keits­ver­merken (§ 165 AO).

Gegen den Einkom­men­steu­er­be­scheid wandte sich der Kläger mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs. Gleichzeitig beantragte er ein Ruhen des Einspruchs­ver­fahrens im Hinblick auf eine Vielzahl beim BVerfG und BFH anhängiger Verfahren. In diesem Zusammenhang verwies der Kläger darauf, dass er den im Hinblick auf diese Verfahren angefügten Vorläu­fig­keits­vermerk des FA nicht für ausreichend erachte.

Das Einspruchs­ver­fahren blieb erfolglos. Das FA erließ einen Teil-Einspruchs­be­scheid (§ 367 Abs. 2 a der Abgabenordnung - AO). Es entschied punktuell nicht über die Frage der "Nichtab­zieh­barkeit von Beiträgen zu Renten­ver­si­che­rungen als vorweggenommene Webungskosten”. Im Übrigen wurde der Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klage.

Das NFG hat den angefochtenen Teil-Einspruchs­be­scheid aufgehoben und daneben das FA verpflichtet, den Vorläu­fig­keits­vermerk bestimmter und verständlicher zu formulieren.

Zwar habe der Steuer­pflichtige, der einen Einspruch eingelegt habe, grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, dass möglichst lange nicht über seinen Einspruch entschieden werde, um dann eventuell von vielen Entwicklungen in der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung profitieren zu können. Sei allerdings wegen der Verfas­sungs­mä­ßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren beim EuGH, beim BVerfG oder bei einem obersten Bundesgericht anhängig und werde der Einspruch hierauf gestützt, ruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO das Einspruchs­ver­fahren insoweit. Diese sog. Zwangsruhe gelte nur dann nicht, soweit die Steuer vorläufig festgesetzt worden sei. Soweit das FA im Streitfall gleichwohl einen Teil-Einspruchs­be­scheid erlassen habe, sei dies ermes­sens­feh­lerhaft.

Die neue Regelung des § 367 Abs. 2 a AO diene - entsprechend dem aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Gebot rechts­schutz­ge­wäh­render Auslegung von Verfah­rens­vor­schriften - dazu, nur über den entschei­dungs­reifen Teil des Einspruchs zu entscheiden, wenn es sachdienlich sei. Dies gelte trotz des steten Anstiegs der Rechts­be­helfs­ver­fahren (ca. 3,5 Millionen Einsprüche im Jahr 2004, fast 6 Mio Einsprüche im Jahr 2006). Denn die Kompliziertheit und Strei­t­an­fäl­ligkeit des Steuerrechts falle nicht im Verant­wor­tungs­bereich des Steuer­pflichtigen, sondern des Gesetzgebers.

Der Vorläu­fig­keits­vermerk, den die FinVerw den Einkom­men­steu­er­be­scheiden regelmäßig beifüge, sei nicht ausreichend: Wer als steuerlicher Laie den amtlichen Zusatz im Vorläu­fig­keits­vermerk - "Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich" – lese, wähne sich in Rechts­si­cherheit. Unter diesem Gesichtspunkt könne z.B ein Steuerbescheid aufgrund des Vorläu­fig­keits­vermerks geändert werden, wenn ein Steuergesetz vom BVerfG für verfas­sungs­widrig erklärt worden sei. Eine Änderung komme nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn das Steuergesetz verfas­sungs­konform ausgelegt werden könne, es also nicht zu einer Unver­ein­ba­r­keits­er­klärung mit der Verfassung komme. In diesen Fällen könne effektiver Rechtsschutz nur durch ein Einspruchs­ver­fahren, verbunden mit einer Verfahrensruhe erreicht werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Niedersachsen vom 07.05.2008

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