18.10.2024
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Niedersächsisches Finanzgericht Urteil19.09.2012

Nieder­säch­sisches Finanzgericht entscheidet über die Bewertung eines WohnrechtsJahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts darf nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden

Der Jahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts, das für Zwecke der Erbschaft- und Schen­kungs­steuer nach den §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird, darf nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden. Dies entschied das Nieder­säch­sische Finanzgericht.

Seit dem Inkrafttreten des Erbschaft­steu­er­re­form­ge­setzes am 1. Januar 2009 werden - entsprechend der Vorgabe des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts - alle wesentlichen Vermö­gens­gruppen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungssteuer mit dem gemeinen Wert (bzw. Verkehrswert) angesetzt.

Niedriger Verkehrswert kann aus Belastung des Grundbesitzers mit einem Nutzungsrecht resultieren

§ 177 BewG bestimmt ausdrücklich, dass den Bewertungen des Grundvermögens der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Die Berück­sich­tigung von Grund­s­tücks­be­las­tungen ist dabei grds. nicht vorgesehen. § 198 BewG erlaubt es dem Steuer­pflichtigen aber, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu führen. Der Gesetzgeber hat dabei die Möglichkeit zugelassen, dass der niedrigere Verkehrswert auch aus der Belastung des Grundbesitzes mit einem Nutzungsrecht resultieren kann.

Abzug des Wohnrechts bei Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schen­kungs­steuer

Wird das Nutzungsrecht - im Streitfall handelte es sich um ein Wohnrecht - allerdings nicht bereits bei der Ermittlung des Grund­be­sitz­wertes berücksichtigt, ist es (im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schen­kungs­steuer abzuziehen. Es ist dann "nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewer­tungs­ge­setzes" zu bewerten. In diesem Fall kommt grds. auch die Vorschrift des § 16 BewG zur Anwendung. Danach kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut "nach den Vorschriften des Bewer­tungs­ge­setzes anzusetzende Wert" durch 18,6 geteilt wird. Anders als bei einer Berück­sich­tigung der Nutzungen im Rahmen des nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswertes nach § 198 BewG findet bei einem Abzug der Nutzungen bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer somit eine wertmäßige Deckelung des Jahreswertes statt.

Stark unter­schiedliche Steuer­be­las­tungen durch unter­schiedliche Berech­nungs­mög­lich­keiten

Je nachdem, ob die Nutzungen somit bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes im Rahmen der Feststellung des Grund­be­sitz­wertes oder bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schen­kungs­steuer berücksichtigt werden, können sich bei identischem Sachverhalt und gleicher steuerlicher Leistungs­fä­higkeit somit stark unter­schiedliche Steuer­be­las­tungen ergeben, die alleine aus den unter­schied­lichen Berech­nungs­mög­lich­keiten resultieren.

"Vorschrift des Bewerb­tungs­ge­setztes" greift nicht ein, wenn es sich bei dem anzusetzenden Wert um den ermittelten Verkehrswert handelt

Der 3. Senat des Nieder­säch­sischen Finanzgerichts hält dieses Ergebnis für nicht folgerichtig und begrenzt § 16 BewG deshalb in verfas­sungs­kon­former Weise dahingehend, dass die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem "nach den Vorschriften des Bewer­tungs­ge­setzes anzusetzende[n] Wert" um den nach §§ 157 ff. BewG ermittelten Verkehrswert des Wirtschaftsgutes handelt.

Wert der Nutzungen soll Wert des Eigentums als Vollrecht nicht übersteigen

Der Decke­lungs­vor­schrift des § 16 BewG liegt die gesetz­ge­be­rische Überlegung zugrunde, dass der Wert der Nutzungen nicht den Wert des Eigentums als Vollrecht übersteigen soll. Dieses Ergebnis trat regelmäßig dann ein, wenn als "nach den Vorschriften des Bewer­tungs­ge­setzes anzusetzende[r] Wert" eines Wirtschaftsgutes der unrealistisch niedrige Einheits- oder Bedarfswerte angesetzt wurde. § 16 BewG sorgte dann dafür, dass auch der Wert der Nutzungen auf dieses unrealistisch niedrige Wertniveau herabgesenkt wurde. Diese Deckelung ist jedoch nach Auffassung des 3. Senats dann nicht mehr geboten und gerechtfertigt, wenn das belastete Wirtschaftsgut - wie vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgeschrieben - nach §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird. In diesem Fall verhinderte die Anwendung des § 16 BewG vielmehr eine Verkehrs­be­wertung der Nutzungen, die ebenfalls verfas­sungs­rechtlich geboten ist.

Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht/ra-online

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