15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.

Dokument-Nr. 3184

Drucken
ergänzende Informationen

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil29.08.2006

Kosten für Erwerb eines Busfüh­rer­scheins können steuerlich absetzbar seinAufwendung steht in einem konkreten Zusammenhang mit späteren Einnahmen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass bei einem Arbeitnehmer Aufwendungen für den Erwerb des Busfüh­rer­scheins sowohl Fortbil­dungs­kosten als auch als vorweggenommene Werbungskosten darstellen und daher als beruflicher Aufwand steuerlich abzugsfähig sein können.

Der 54jährige Kläger war als angestellter Maschinenführer beschäftigt. Daneben war er auch bei einer Spedition als Lkw-Fahrer tätig. Zuvor war der Kläger über viele Jahre hauptberuflich als Lkw-Fahrer tätig gewesen. Im Juni 2003 wurde dem Kläger betriebsbedingt wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes zum 31. Dezember 2003 gekündigt. Bereits Anfang des Jahres 2003 war aufgrund verschiedener Presse­mit­tei­lungen klar gewesen, dass die Firma, bei der er als Maschinenführer angestellt war, wegen der geplanten Verlegung des Werks von Deutschland ins Ausland betrie­bs­be­dingte Kündigungen vornehmen werde. Im März 2003 hatte sich der Kläger beim Arbeitsamt für „Fabrikarbeit, Fahrerstellen Klasse 2“ als arbeitssuchend gemeldet. Für den Erwerb des Busfüh­rer­scheins bekam er vom Arbeitsamt keine finanzielle Unterstützung. Im Dezember 2003 hatte er mit der Nachfolgefirma einen neuen Arbeitsvertrag als Umspuler abgeschlossen.

In seiner Einkom­men­steu­e­r­er­klärung machte der Kläger bei den Einkünften aus nicht­selb­ständiger Arbeit Aufwendungen für „Fortbildung Busführerschein“ in Höhe von 2.431,60 EUR geltend. Zur Begründung erklärte er, aufgrund der Entlassung habe er den Busführerschein gemacht, um als Busfahrer größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Er habe sich auch bei verschiedenen Busunternehmen beworben. Den neuen Arbeitsvertrag habe er abgeschlossen, weil er bis zu diesem Zeitpunkt als Busfahrer keinen Arbeitsplatz gefunden habe und in seinem Alter nicht habe arbeitslos werden wollen.

Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen für den Busführerschein nicht als Werbungskosten, sondern als Aus- oder Weiter­bil­dungs­kosten bei den Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 920,- EUR.

Die vom Kläger nach erfolglosem Einspruchs­ver­fahren erhobene Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg hatte Erfolg. Das Finanzgericht verpflichtete das Finanzamt, die Aufwendungen für den Erwerb des Busfüh­rer­scheins als Werbungskosten in voller Höhe anzuerkennen. Die Aufwendungen stellten zum einen Fortbil­dungs­kosten dar. Bei diesen handele es sich um beruflich veranlasste Weiter­bil­dungs­kosten in einem erlernten und ausgeübten Beruf. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Der Kläger habe den Beruf des Lkw-Fahrers bereits in den 70-iger Jahren mit dem Erwerb des entsprechenden Führerscheins erlernt und ausgeübt. Das Fahren von Kraftfahrzeugen gehöre demnach zu seiner Berufsausübung.

Die Aufwendungen seien zum anderen auch als vorab entstandene Aufwendungen (vorweggenommene Werbungskosten) zu berücksichtigen. Werbungskosten könnten, auch wenn der Steuer­pflichtige noch keine Einnahmen erziele, schon anfallen, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stünden. Diese Voraussetzungen habe der Kläger anschaulich und glaubhaft dargelegt. Dass er Arbeitsstellen als Busfahrer letztlich nicht bekommen habe, sei unerheblich. Komme es entgegen der Erwartung des Steuer­pflichtigen nicht zur Erzielung von Einkünften, sei von vergeblich vorab entstandenen Werbungskosten auszugehen, die steuerlich anzuerkennen seien.

Der Erwerb des Busfüh­rer­scheins sei vorliegend auch nicht der - steuerlich nicht zu berück­sich­ti­genden - privaten Lebensführung zuzurechnen. Dies sei zwar grundsätzlich beim Erwerb eines Pkw-Führerscheins der Fall. Etwas anderes gelte aber in den Fällen, in denen - wie hier - der Erwerb des LKW- und Busfüh­rer­scheins unmittelbare Voraussetzung zur Aufnahme der Berufsausübung sei. Nach der Lebenserfahrung könne angenommen werden, dass die private Benutzung dieser Führerscheine von untergeordneter Bedeutung und ihr Erwerb Voraussetzung für die erstmalige Anstellung oder das berufliche Fortkommen eines Berufs­kraft­fahrers sei. Beim Erwerb des Busfüh­rer­scheins hätten auch nicht private Neigungen, Interessen oder Liebhaberei des Klägers im Vordergrund gestanden; eben sowenig habe er vorrangig der Erweiterung der Allge­mein­bildung gedient.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Beaden-Württemberg vom 05.10.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil3184

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI