21.11.2024
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Dokument-Nr. 4992

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Urteil12.10.2007Gerichtshof der Europäischen UnionT-474/04
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.10.2007

Schutz von Unternehmen vor öffentlichen Anschuldigungen durch die EU-Kommission verbessertKeine Veröf­fent­lichung von Daten, bevor Unternehmen sich gegen Behauptungen wehren konnte

Damit die Europäische Kommission der Öffentlichkeit Einzelheiten einer Zuwiderhandlung eines Unternehmens, deren Verfolgung verjährt ist, preisgeben darf, muss die festgestellte Zuwiderhandlung zumindest im verfügenden Teil der Entscheidung angeführt und die Entscheidung an das Unternehmen gerichtet sein, damit es gegen diese gerichtlich vorgehen kann. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Mit einer Entscheidung vom 10. Dezember 2003 (Peroxid-Entscheidung) verhängte die Kommission gegen fünf Unternehmen Geldbußen wegen ihrer Beteiligung an Kartellen auf dem Markt für organische Peroxide.

Die Kommission war der Ansicht, dass in Bezug auf das Unternehmen Pergan die Verfolgung verjährt sei und dass es daher keinen Grund gebe, im verfügenden Teil der Peroxid-Entscheidung die Beteiligung dieses Unternehmens an der Zuwiderhandlung zu erwähnen und die Entscheidung auch an dieses Unternehmen zu richten. In den Gründen dieser Entscheidung hat die Kommission jedoch die Rolle beschrieben, die Pergan bei den beanstandeten Kartellen zugeschrieben worden war.

Die Kommission teilte Pergan ihre Entscheidung mit, das Verfahren ihr gegenüber einzustellen. Am 18. Februar 2004 übermittelte sie ihr eine Kopie der Peroxid-Entscheidung und setzte sie von ihrer Absicht in Kenntnis, eine nicht­ver­trauliche Fassung der Entscheidung zu veröffentlichen. Pergan beantragte daraufhin, aus der zur Veröf­fent­lichung bestimmten Fassung jeden Hinweis auf sie zu entfernen, insbesondere bezüglich ihrer angeblichen Zuwiderhandlung, deren Umfang und Dauer sie bestritt. Schließlich richtete sie ihren Antrag an den Anhörungs­be­auf­tragten der Kommission. Dieser lehnte es ab, aus der endgültigen Fassung einen großen Teil der Hinweise auf Pergan zu entfernen, da es sich nicht um Geschäfts­ge­heimnisse handele.

Daraufhin veröffentlichte die Kommission auf der Website ihrer Genera­l­di­rektion Wettbewerb eine nicht­ver­trauliche Fassung der Peroxid-Entscheidung, jedoch mitsamt den von Pergan beanstandeten Hinweisen.

Pergan hat mit ihrer Klage die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung des Anhörungs­be­auf­tragten begehrt, mit der dieser es abgelehnt hat, alle Hinweise auf sie in der veröf­fent­lichten endgültigen Fassung der Peroxid-Entscheidung zu entfernen.

In seinem Urteil hat das Gericht dieser Klage stattgegeben und die ablehnende Entscheidung für nichtig erklärt. Es hat entschieden, dass der Anhörungs­be­auf­tragte den Schutz des Berufs­ge­heim­nisses fehlerhaft angewandt hat, indem er feststellte, dass die von Pergan beanstandeten Angaben keinen Schutz verdienten und ihre Veröf­fent­lichung keine schwere und nicht gerechtfertigte Beein­träch­tigung der Interessen der Klägerin darstelle. Das Gericht weist darauf hin, dass die Organe zwar regelmäßig befugt sind, die von ihnen erlassenen Rechtsakte zu veröffentlichen, die Wahrung des Berufs­ge­heim­nisses einer Offenlegung dieser Rechtsakte oder bestimmter Informationen, die sie enthalten, aber entgegenstehen kann.

Dazu führt es aus, dass der Umfang der Befugnis der Kommission zum Erlass und zur Veröf­fent­lichung von Entscheidungen und der Umfang des Schutzes des Berufs­ge­heim­nisses insbesondere im Licht des Grundsatzes der Unschulds­ver­mutung ausgelegt werden müssen. Die Unschulds­ver­mutung verbietet jede ausdrückliche Feststellung und selbst jede Anspielung auf die Verant­wort­lichkeit einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Person in einer verfah­rens­be­en­denden Entscheidung, wenn diese Person diese Entscheidung nicht anfechten konnte.

Daher können die Einzelheiten der Zuwiderhandlung eines Unternehmens, deren Verfolgung verjährt ist, nur preisgegeben werden, wenn die festgestellte Zuwiderhandlung zumindest im verfügenden Teil der Entscheidung genannt wird und die Entscheidung an das betroffene Unternehmen gerichtet ist, damit es gerichtlich dagegen vorgehen kann.

Da die Beteiligung von Pergan an der Zuwiderhandlung im verfügenden Teil der Peroxid-Entscheidung nicht festgestellt worden war, war das Unternehmen nicht befugt, gegen diese Entscheidung Klage zu erheben, obwohl sie deren Gründe als unrichtig beanstandet hatte, soweit darin auf ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung hingewiesen wird. Eine solche Situation steht im Widerspruch zum Grundsatz der Unschulds­ver­mutung und missachtet das Berufsgeheimnis.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 72/07 des EuGH vom 12.10.2007

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