Dokument-Nr. 6280
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.06.2008
EuGH zu Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Der Europäische Gerichtshof erklärt die Entscheidung der Europäischen Kommission über bestimmte Maßnahmen Portugals zugunsten der Radiotelevisão Portuguesa teilweise für nichtig. Die Kommission hat einige ihrer Feststellungen nicht begründet und gegen ihre Pflicht zu sorgfältiger und unvoreingenommener Prüfung verstoßen.
Die Radiotelevisão Portuguesa (RTP) ist das mit der Veranstaltung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Portugal betraute staatliche Unternehmen.
Im November 2001 eröffnete die Kommission, nachdem ihr mehrere Beschwerden der SIC vorlagen, ein Prüfverfahren hinsichtlich einer Reihe von Maßnahmen, die die Portugiesische Republik zugunsten der RTP in den Jahren 1992 bis 1998 durchgeführt hatte. Am Ende dieses Verfahrens stellte die Kommission fest, dass einige dieser Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare staatliche Beihilfen seien, andere hingegen nicht.
Im Dezember 2003 hat die SIC gegen diese Entscheidung beim Gericht erster Instanz Nichtigkeitsklage erhoben.
Das Gericht befindet erstens, dass die Kommission ihre Feststellung, dass die der RTP bei der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gewährten Abgabenbefreiungen keine staatliche Beihilfe darstellten, nicht begründet hat. Deshalb erklärt das Gericht diesen Teil der Entscheidung für nichtig.
Sodann führt das Gericht aus, dass Portugal entgegen dem Vorbringen der SIC nicht verpflichtet war, vor der Vergabe der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des Fernsehens an die RTP eine Ausschreibung durchzuführen. Die in Art. 86 Abs. 2 EG vorgesehene Ausnahme von dem Verbot staatlicher Beihilfen enthält nämlich kein derartiges Erfordernis. Außerdem ist die RTP nicht Konzessionsinhaberin im Sinne der rechtlichen Rundfunks erklärt und rechtfertigt es, dass ein Mitgliedstaat für die Zuweisung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des Rundfunks nicht verpflichtet ist, eine Ausschreibung durchzuführen, zumindest dann nicht, wenn er, wie hier, diese öffentlich-rechtliche Dienstleistung selbst mit Hilfe einer staatlichen Gesellschaft erbringen will. Anschließend untersucht das Gericht die von der Kommission in Bezug auf die Ausnahme nach Art. 86 Abs. 2 EG von dem Verbot staatlicher Beihilfen durchgeführte Prüfung. Es führt aus, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des Rundfunks so zu definieren, dass diese ein breit gefächertes Programmangebot umfassen, wobei dem Erbringer der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse die Ausübung kommerzieller Tätigkeiten wie der Verkauf von Werbeblöcken gestattet ist.
Hinsichtlich der Kontrolle der Erfüllung der der RTP obliegenden gemeinwirtschaftlichen Aufgabe weist das Gericht darauf hin, dass allein der Mitgliedstaat dafür zuständig ist, die Einhaltung der in dem gemeinwirtschaftlichen Auftrag festgelegten Qualitätsstandards durch die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu beurteilen. Die Kommission muss sich grundsätzlich darauf beschränken, festzustellen, ob es auf nationaler Ebene einen unabhängigen Kontrollmechanismus gibt. Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass die Kommission auf das Bestehen eines solchen Mechanismus hingewiesen hat.
In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Zuschüsse zu den gemeinwirtschaftlichen Kosten kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kommission dadurch ihre Prüfpflicht verletzt hat, dass sie Portugal nicht darum ersuchte, ihr bestimmte Prüfberichte zu übermitteln. Die Kommission darf es in Anbetracht ihrer Prüfpflicht nicht unterlassen, um die Übermittlung von Informationen zu ersuchen, die geeignet erscheinen, andere Informationen zu bestätigen oder zu widerlegen, die für die Prüfung der fraglichen Maßnahme einschlägig sind, deren Zuverlässigkeit jedoch nicht als hinreichend sicher anzusehen ist. Da die Kommission also über die tatsächlich erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen und die zur Erbringung dieser Leistungen tatsächlich aufgewandten Kosten keine hinreichend zuverlässigen Informationen besaß, war es ihr anschließend, so das Gericht, unmöglich, die Verhältnismäßigkeit der Zuschüsse im Hinblick auf die gemeinwirtschaftlichen Kosten angemessen zu prüfen, und sie konnte daher eine Überkompensierung der gemeinwirtschaftlichen Kosten nicht wirksam ausschließen.
Demzufolge erklärt das Gericht auch den Teil der Entscheidung der Kommission für nichtig, in dem festgestellt wird, dass bestimmte punktuelle Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare staatliche Beihilfen seien.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 42/08 des EuGH vom 26.06.2008
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