24.11.2024
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Dokument-Nr. 2320

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil02.05.2006

EuGH: Entscheidung der Kommission zum Inlandsroaming von O2 und T-Mobile nichtig

Die Entscheidung der Kommission zur Vereinbarung zwischen O2 und T-Mobile über die gemeinsame Nutzung von Mobilfunknetzen der dritten Generation (3G) in Deutschland wird teilweise für nichtig erklärt.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die in der Entscheidung enthaltene Analyse mangelhaft ist, weil es an einer objektiven Erörterung der Wettbe­wer­bs­si­tuation ohne eine Vereinbarung und an dem konkreten Nachweis fehlt, dass die Roaming­be­stim­mungen der Vereinbarung wettbe­wer­bs­be­schränkende Auswirkungen haben O2 und T-Mobile, zwei Betreiber digitaler Mobilfunknetze und -dienste in Deutschland, schlossen 2001 einen Rahmenvertrag über die gemeinsame Nutzung von Infra­s­truk­tu­r­ein­rich­tungen und Inlandsroaming bei der Mobil­funk­kom­mu­ni­kation der dritten Generation (3G) auf dem deutschen Markt. Nach ihrer Anmeldung bei der Kommission am 6. Februar 2002 wurde diese Vereinbarung durch ergänzende Vereinbarungen vom 20. September 2002, 22. Januar 2003 und 21. Mai 2003 geändert.

T-Mobile und O2 beantragten bei der Kommission, zu bescheinigen, dass der von ihnen geschlossene Rahmenvertrag nicht in den Anwen­dungs­bereich der Wettbe­wer­bs­regeln fällt, oder ersatzweise, sie von diesen Regeln freizustellen. In ihrer Entscheidung vom 16. Juli 2003 vertrat die Kommission die Auffassung, dass für sie keine Veranlassung zu Maßnahmen in Bezug auf die Bestimmungen des Vertrages über die Stand­ort­mit­be­nutzung bestehe. Ferner gewährte sie eine Freistellung, d. h. sie erklärte die Wettbe­wer­bs­regeln für auf die Bestimmungen der Vereinbarung über das Roaming unanwendbar, und zwar für die von ihr bestimmten Zeiträume.

O2 erhob Klage beim Gericht erster Instanz und beantragte die Nichti­g­er­klärung der Bestimmungen dieser Entscheidung über die Freistellung von der Anwendung der Wettbe­wer­bs­regeln.

Das Gericht hat die von der Kommission in Bezug auf die Roaming­be­stim­mungen gewährte Freistellung insoweit für nichtig erklärt, als diese Freistellung voraussetzt, dass die betreffenden Bestimmungen in den Anwen­dungs­bereich der Wettbe­wer­bs­regeln fallen. Das Gericht hat festgestellt, dass die Kommission gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, eine objektive Untersuchung der Wettbe­wer­bs­si­tuation ohne eine Vereinbarung durchzuführen. Um richtig beurteilen können, inwieweit die Vereinbarung dafür erforderlich war, dass O2 in den 3G-Mobil­kom­mu­ni­ka­ti­o­nsmarkt vordringen konnte, hätte die Kommission die Frage vertiefen müssen, ob O2 ohne eine Vereinbarung auf diesem Markt aktiv gewesen wäre.

Zu den Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb hat das Gericht sodann ausgeführt, dass die allgemeine Beurteilung durch die Kommission, dass Inlandsroaming den Wettbewerb beschränke, nicht auf konkrete, der Vereinbarung eigene und in der Entscheidung angeführte Gegebenheiten gestützt sei. Das Gericht hat festgestellt, dass die Entscheidung der Kommission außerdem keine Bewertung der das Roaming in den Stadtgebieten betreffenden Änderungen der Vereinbarung enthalte. Die Beurteilung der Kommission sei fehlerhaft, weil mangels einer konkreten Prüfung des Aufbaus der Vereinbarung in ihrer nach der ursprünglichen Anmeldung geänderten Fassung keine Untersuchung der Tatsachen durchgeführt worden sei. Die geänderte Vereinbarung sehe insbesondere vor, dass das Roaming in den Stadtgebieten während eines kürzeren Zeitraums als in den beiden anderen Gebieten (von zweitrangiger wirtschaft­licher Bedeutung und von geringer wirtschaft­licher Bedeutung) vorgenommen werde. Die generelle Beurteilung des Roaming durch die Kommission als wettbe­wer­bs­be­schränkend berücksichtige diese räumliche und zeitliche Anpassung des in der geänderten Vereinbarung vorgesehenen Inlandsroaming nicht.

Darüber hinaus sei eine beschränkende Wirkung des Preis­ge­stal­tungs­me­cha­nismus nicht nachgewiesen. Schließlich habe die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Vereinbarung mit dem Gemeinsamen Markt den besonderen Rahmen, der auf den besonderen Merkmalen des sich herausbildenden Marktes der Mobil­funk­kom­mu­ni­kation der dritten Generation beruhe, nicht berücksichtigt.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Roaming-Vereinbarung, statt den Wettbewerb zwischen Netzbetreibern zu beschränken, es im Gegenteil unter bestimmten Voraussetzungen dem kleinsten Betreiber ermöglichen könne, den Wettbewerb mit den maßgeblichen Akteuren aufzunehmen. In Anbetracht der spezifischen Merkmale des hier betroffenen sich herausbildenden Marktes hätte die Stellung von O2 im Wettbewerb auf dem 3G-Markt wahrscheinlich ohne die Vereinbarung nicht gesichert werden können, ja wäre sogar gefährdet gewesen. Das Gericht hat die Entscheidung daher für nichtig erklärt, soweit sie eine Freistellung der Bestimmungen der Vereinbarung über das Roaming gewährt (Artikel 81 Absatz 3 EG), ohne vorher den wettbe­wer­bs­widrigen Charakter dieser Bestimmungen festgestellt zu haben (Artikel 81 Absatz 1 EG).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 38/06 des EuGH vom 02.05.2006

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