23.11.2024
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Dokument-Nr. 8435

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil09.09.2009

EuGH bestätigt rechtswidriges Verhalten der Clearstream Banking AGVerbotene Preis­dis­kri­mi­nierung gemäß Wettbe­wer­bsrecht nachgewiesen

Clearstream hat ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Erbringung primärer Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen für in Deutschland emittierte Wertpapiere missbraucht. Dies entschied der Europäische Gerichtshof.

Bei Clearing und Abrechnung handelt es sich um Vorgänge, die auf den Abschluss eines Wertpa­pier­ge­schäfts folgen. Das Clearing findet zwischen Geschäfts­ab­schluss und der Abrechnung statt. Damit wird sichergestellt, dass sich Verkäufer und Käufer auf dasselbe Geschäft geeinigt haben und der Verkäufer zum Verkauf der fraglichen Wertpapiere berechtigt ist. Die Abrechnung umfasst die finale Übertragung von Wertpapieren und Mitteln zwischen Käufer und Verkäufer sowie die Vornahme der entsprechenden Vermerke in den Wertpa­pier­konten.

Primär- und Secun­dä­r­clearing

Primärclearing und -abrechnung werden von derselben Einrichtung ausgeführt, die die Wertpapiere auch endverwahrt, während Sekun­dä­r­clearing und -abrechnung von Zwischen­ver­wahrern, d. h. von anderen Markt­teil­nehmern als dem Endverwahrer, insbesondere Kredi­t­in­stituten, erbracht werden.

Drei Gruppen von Anbietern für Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen

Die Anbieter von Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen lassen sich in drei Gruppen einteilen: erstens die Zentra­l­ver­wahrer (CSD), die in ihrem Herkunftsland für Geschäfte mit den bei ihnen hinterlegten Wertpapieren primäre Clearing- und Abrech­nungs­dienste anbieten, darüber hinaus aber auch Dienst­leis­tungen als Zwischen­ver­wahrer bei Clearing und Abrechnung grenz­über­grei­fender Geschäfte, bei denen die Hinterlegung der Wertpapiere in einem anderen Land erfolgt ist, anbieten können; zweitens die internationalen Zentra­l­ver­wahrer (ICSD), deren Kerngeschäft in Clearing und Abrechnung internationaler Wertpa­pier­ge­schäfte besteht und die als Zwischen­ver­wahrer auf die Leistungen der CSDs zurückgreifen; drittens die Banken, die ihren Kunden, ebenfalls als Zwischen­ver­wahrer, Dienst­leis­tungen für Wertpa­pier­ge­schäfte anbieten.

Die Clearstream International SA (CI) ist eine Holding­ge­sell­schaft, zu der die Clearstream Banking AG (CBF), mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland) und die Clearstream Banking Luxembourg SA (CBL) gehören. Die Clearstream-Gruppe erbringt die Dienst­leis­tungen Clearing, Abrechnung und Verwahrung von Wertpapieren.

CBL und die Euroclear Bank SA (EB) mit Sitz in Brüssel (Belgien) sind die beiden einzigen ICSDs, die derzeit in der Europäischen Union tätig sind. CBF ist in Deutschland das einzige Finanzinstitut, das als CSD zur Endverwahrung von nach deutschem Recht emittierten Wertpapieren und zur Erbringung von auf diese bezogenen primären Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen berechtigt ist. Sie hat eine faktische Monopolstellung auf dem relevanten Markt inne und nimmt damit dort eine beherrschende Stellung ein.

Im Jahr 2004 erließ die Kommission eine Entscheidung, in der sie CBF und CI vorwarf, ihre beherrschende Stellung dadurch missbraucht zu haben, dass sie sich zum einen geweigert hätten, primäre Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen für EB rechtzeitig zu erbringen, und diese insoweit diskriminiert hätten und dass sie zum anderen EB preislich diskriminiert hätten. Zudem gab die Kommission den beiden Gesellschaften auf, die festgestellten Zuwider­hand­lungen künftig zu unterlassen.

Das Urteil des Gerichts

CBF und CI haben beim Gericht erster Instanz Klage gegen die Entscheidung der Kommission erhoben. In seinem heutigen Urteil weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Nachfrager von Abwick­lungs­leis­tungen nicht die Wertpa­pier­ver­käufer und -käufer selbst sind, da zwischen diesen und dem Zentra­l­ver­wahrer der Wertpapiere keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Kunden des Zentra­l­ver­wahrers sind nämlich allein Kreditinstitute und andere Finan­zin­ter­mediäre. Die Nachfrager der von CBF angebotenen Clearing- und Abrech­nungs­leis­tungen sind also Zwischen­ver­wahrer wie die CSDs und die ICSDs, die für ihre eigenen Kunden ihre Dienst­leis­tungen in Bezug auf in Deutschland emittierte Wertpapiere nicht erbringen können, wenn sie nicht über die Leistungen von CBF verfügen.

Clearing und Abrechnung nur für verwahrte Wertpapiere

Dann stellt das Gericht fest, dass aus dem Verwah­rungs­monopol von CBF für in Deutschland emittierte Wertpapiere ein Abwick­lungs­monopol für Geschäfte mit diesen Wertpapieren folgt. Hierzu weist es darauf hin, dass Clearing und Abrechnung nur für Wertpapiere erbracht werden können, die verwahrt werden.

Beherrschende Stellung missbraucht

Zur Frage, ob CBF und CI ihre beherrschende Stellung missbraucht haben, führt das Gericht aus, dass es diesen nicht gelungen ist, zwei Jahre Wartezeit für eine Compu­ter­ver­bindung zu rechtfertigen, die zur gängigen Praxis von CBF gehört und die von dieser für ihre Kunden normalerweise innerhalb weniger Monate eröffnet wird, wie es u. a. bei CBL der Fall war. Die Erklärung von CBF und CI, wonach der Grund für die Nichteröffnung des Zugangs für EB die Tatsache gewesen sei, dass EB nicht alle für die Eröffnung eines solchen Zugangs erforderlichen Vorbereitungen getroffen habe, weist das Gericht zurück.

Unverfälschter Wettbewerb darf nicht beeinträchtigt werden

Was das Vorbringen von CBF und CI betrifft, dass bei der Prüfung ihres Verhaltens die Ablehnung des Antrags von CBF auf Zugang zu Euroclear France für alle französischen Wertpapiere und die Neuver­hand­lungen ihrer gesamten Vertrags­be­zie­hungen mit EB berücksichtigt werden müssten, erinnert das Gericht daran, dass Unternehmen, die eine beherrschende Stellung innehaben, zwar das Recht behalten, ihre geschäftlichen Interessen zu schützen, dass sie aber eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass sie durch ihr Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigen.

Missbräuch­liches Verhalten bestätigt

Die verspätete Erbringung der fraglichen Dienst­leis­tungen war aber geeignet, einen Wettbe­wer­bs­nachteil für EB herbeizuführen. Folglich können die Klägerinnen ihr Verhalten auch mit den beiden genannten Gründen nicht rechtfertigen. Da diese beiden Fragen zudem mehr als ein Jahr nach dem Zugangsantrag von EB aufgeworfen wurden, kann ihre Einbeziehung in die Verhandlungen über die Gewährung eines Zugangs für EB als missbräuchlich bezeichnet werden.

Das Gericht erinnert ebenfalls daran, dass das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch ohne jedes Verschulden als missbräuchlich betrachtet werden kann. Das Vorbringen der Klägerinnen, sie hätten keine wettbe­wer­bs­feind­lichen Ziele verfolgt, ist somit für die rechtliche Bewertung der Tatsachen unerheblich.

Verbotene Preis­dis­kri­mi­nierung

Schließlich stellt das Gericht fest, dass die primären Clearing- und Abrech­nungs­dienste, die die CBF im grenz­über­schrei­tenden Wertpa­pier­ge­schäft sowohl für ICSDs als auch für CSDs erbringt, vom Leistungsumfang her gleich sind. Folglich stellt es eine gemäß dem Wettbe­wer­bsrecht der Gemeinschaft verbotene Preis­dis­kri­mi­nierung dar, EB für gleichwertige Dienst­leis­tungen einen höheren Preis in Rechnung zu stellen als den nationalen CSDs.

Quelle: ra-online, EuGH

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