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Gerichtshof der Europäischen Union Entscheidung20.01.2010
EuGH: Kein Schadensersatz wegen nichtiger Beihilferegelung für BaumwolleZusammenhang zwischen geltendgemachtem Schaden und Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nachgewiesen
Da drei Entkörnungsunternehmen für Baumwolle nicht nachweisen konnten, dass zwischen dem vom Rat bei Erlass der Stützungsregelung für Baumwolle von 2004 begangenen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den geltend gemachten Schäden ein Kausalzusammenhang bestand, wurde ihre dagegengerichtete Schadensersatzklage abgewiesen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hervor.
Anlässlich des Beitritts Griechenlands zu den Europäischen Gemeinschaften wurde eine Beihilferegelung für Baumwolle eingeführt. Diese Beihilferegelung wurde ausgeweitet, als Spanien und Portugal den Europäischen Gemeinschaften beitraten. Im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik von 2003 erließ der Rat neue Regeln für Direktzahlungen und bestimmte Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und verabschiedete im Jahr 2004 eine neue Beihilferegelung für Baumwolle (Beihilferegelung für Baumwolle von 2004).
Beihilferegelung für nichtig erklärt
Aufgrund einer von Spanien erhobenen Klage erklärte der Gerichtshof die letztgenannte Beihilferegelung für Baumwolle mit Urteil vom 7. September 2006 für nichtig.
Gerichtshof stellt Verstoß gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fest
Der Gerichtshof stellte mit jenem Urteil Spanien/Rat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fest, denn der Rat hatte nicht nachgewiesen, dass er beim Erlass der Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 tatsächlich sein Ermessen ausgeübt hatte. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die von den Gemeinschaftsorganen vorgelegten Daten es ihm nicht erlaubten, zu überprüfen, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber, ohne die Grenzen des ihm in diesem Bereich zustehenden weiten Ermessens zu überschreiten, zu dem Schluss hatte kommen können, dass die Festsetzung des Betrags der betrieblichen Beihilfe für Baumwolle auf 35 % des Gesamtbetrags der nach der früheren Beihilferegelung bestehenden Beihilfen ausreichte, um die Rentabilität und damit die Fortsetzung dieser Kultur sicherzustellen.
Unternehmen verlangen Entschädigung für erlittenen Schaden durch Anwendung von Stützungsregelung
Nach diesem Urteil haben drei Entkörnungsunternehmen von Rohbaumwolle mit Sitz in Spanien, die die Regelung von 2004 in Anspruch genommen hatten, die vorliegenden Klagen auf Ersatz des Schadens erhoben, den sie im Wirtschaftsjahr 2006/2007 durch den Erlass und die Anwendung der genannten Stützungsregelung behaupten, erlitten zu haben. Mit ihren Klagen verlangen diese drei Unternehmen vom Rat und der Kommission eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 37 188 Euro (für Sungro), 2,66 Mio. Euro (für Eurosemillas) und 1,73 Mio. Euro (für Surcotton).
Gerichtshof weist auf Voraussetzungen für außervertragliche Haftung der Gemeinschaft hin
Das Gericht weist in seinem heutigen Urteil darauf hin, dass die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe ausgelöst wird, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: die Rechtswidrigkeit des den Gemeinschaftsorganen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Das Gericht hat dazu zuerst den Kausalzusammenhang zwischen der von den Gemeinschaftsorganen mit dem Erlass der Regelung von 2004 begangenen Rechtsverletzung und den von den Unternehmen behaupteten Schäden geprüft.
Zusammenhang zwischen Schaden des Unternehmens und Verstoß des Rates verneint
Das Gericht stellt in diesem Punkt fest, dass das Vorbringen der Klägerinnen auf den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem im Wirtschaftsjahr 2006/2007 festgestellten Rückgang des Absatzes von Baumwolle und dem Inkrafttreten der Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 und nicht zwischen dem genannten Rückgang und der vom Rat mit dem Erlass der genannten Regelung begangenen Rechtsverletzung gerichtet ist. Diese Unternehmen haben deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht den Nachweis erbracht, dass der geltend gemachte Schaden unmittelbar mit dem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusammenhängt, den der Rat mit dem Erlass der Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 begangen hat.
Unternehmen hätten Ursächlichkeit des Schadens nachweisen müssen
Aus dem Urteil Spanien/Rat ergibt sich nämlich, dass nicht die Beihilferegelung selbst, sondern die vor deren Erlass unterlassene Berücksichtigung aller einschlägigen Kriterien und Umstände unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beanstandet wurde. Demzufolge war es Sache der Klägerinnen, nachzuweisen, dass die mit der Reform von 2004 festgelegten gekoppelten und entkoppelten Beihilfesätze, d. h. die Sätze von 35 % und 65 %, die für den von ihnen geltend gemachten Schaden ursächlich sein sollen, anders gewesen wären, wenn die Gemeinschaftsorgane im Einklang mit diesem Urteil sämtliche einschlägigen Angaben (die Auswirkungen auf die Baumwollproduktion, die mit dem Baumwollanbau zusammenhängenden Arbeitskosten und die Auswirkungen der neuen Regelung auf den Entkörnungssektor) berücksichtigt hätten.
Die Unternehmen haben nicht nachgewiesen, dass die Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 ohne den vom Gerichtshof im Urteil Spanien/Rat festgestellten Rechtsverstoß nicht erlassen worden wäre oder zwangsläufig einen anderen Inhalt gehabt hätte. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die streitige Beihilferegelung in den Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik fällt und dass die Entkoppelung der Direktbeihilfe für die Erzeuger und die Einführung der Betriebsprämienregelung zu den Kernstücken dieser Reform gehören. Demzufolge war es Sache der drei Unternehmen, nachzuweisen, dass es für den Rat unausweichlich war, beim Erlass einer neuen Regelung – die sich durch die Durchführung einer Studie über die Auswirkungen der Reform nicht nur an die Rechtsnorm hält, sondern auch die der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik zugrunde liegenden Ziele berücksichtigt – ein anderes System und einen anderen Grad der Entkoppelung festzulegen, als in der Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 vorgesehen ist.
Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass gemäß dem von der Kommission am 9. November 2007 vorgelegten neuen Vorschlag für eine Beihilferegelung für Baumwolle die durchgeführten Studien zu der Schlussfolgerung geführt haben, dass die Prozentsätze von 35 % bei gekoppelten und 65 % bei entkoppelten Produktionsbeihilfen beibehalten werden sollten, und dass die neue Beihilferegelung für Baumwolle von 2008 dieselben Prozentsätze für gekoppelte und entkoppelte Beihilfen vorsieht.
Klagen mangels nachgewiesenem kausalen Zusammenhang der Umstände abgewiesen
Daher kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerinnen nicht den Nachweis erbracht haben, dass der ihnen entstandene Schaden in kausalem Zusammenhang mit dem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht, der der für nichtig erklärten Beihilferegelung für Baumwolle von 2004 anhaftet. Deshalb werden die Klagen als unbegründet abgewiesen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die übrigen Voraussetzungen für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft erfüllt sind.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.01.2010
Quelle: ra-online, EuGH
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