15.11.2024
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Dokument-Nr. 9106

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Gerichtshof der Europäischen Union Entscheidung20.01.2010

EuGH: Kein Schadensersatz wegen nichtiger Beihil­fe­re­gelung für BaumwolleZusammenhang zwischen geltend­ge­machtem Schaden und Verstoß gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit nicht nachgewiesen

Da drei Entkör­nungs­un­ter­nehmen für Baumwolle nicht nachweisen konnten, dass zwischen dem vom Rat bei Erlass der Stützungs­re­gelung für Baumwolle von 2004 begangenen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit und den geltend gemachten Schäden ein Kausa­l­zu­sam­menhang bestand, wurde ihre dagegen­ge­richtete Schaden­s­er­satzklage abgewiesen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hervor.

Anlässlich des Beitritts Griechenlands zu den Europäischen Gemeinschaften wurde eine Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle eingeführt. Diese Beihil­fe­re­gelung wurde ausgeweitet, als Spanien und Portugal den Europäischen Gemeinschaften beitraten. Im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik von 2003 erließ der Rat neue Regeln für Direktzahlungen und bestimmte Stützungs­re­ge­lungen für Inhaber landwirt­schaft­licher Betriebe und verabschiedete im Jahr 2004 eine neue Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle (Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004).

Beihil­fe­re­gelung für nichtig erklärt

Aufgrund einer von Spanien erhobenen Klage erklärte der Gerichtshof die letztgenannte Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle mit Urteil vom 7. September 2006 für nichtig.

Gerichtshof stellt Verstoß gegen Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit fest

Der Gerichtshof stellte mit jenem Urteil Spanien/Rat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fest, denn der Rat hatte nicht nachgewiesen, dass er beim Erlass der Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 tatsächlich sein Ermessen ausgeübt hatte. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die von den Gemein­schafts­organen vorgelegten Daten es ihm nicht erlaubten, zu überprüfen, ob der Gemein­schafts­ge­setzgeber, ohne die Grenzen des ihm in diesem Bereich zustehenden weiten Ermessens zu überschreiten, zu dem Schluss hatte kommen können, dass die Festsetzung des Betrags der betrieblichen Beihilfe für Baumwolle auf 35 % des Gesamtbetrags der nach der früheren Beihil­fe­re­gelung bestehenden Beihilfen ausreichte, um die Rentabilität und damit die Fortsetzung dieser Kultur sicherzustellen.

Unternehmen verlangen Entschädigung für erlittenen Schaden durch Anwendung von Stützungs­re­gelung

Nach diesem Urteil haben drei Entkör­nungs­un­ter­nehmen von Rohbaumwolle mit Sitz in Spanien, die die Regelung von 2004 in Anspruch genommen hatten, die vorliegenden Klagen auf Ersatz des Schadens erhoben, den sie im Wirtschaftsjahr 2006/2007 durch den Erlass und die Anwendung der genannten Stützungs­re­gelung behaupten, erlitten zu haben. Mit ihren Klagen verlangen diese drei Unternehmen vom Rat und der Kommission eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 37 188 Euro (für Sungro), 2,66 Mio. Euro (für Eurosemillas) und 1,73 Mio. Euro (für Surcotton).

Gerichtshof weist auf Voraussetzungen für außer­ver­tragliche Haftung der Gemeinschaft hin

Das Gericht weist in seinem heutigen Urteil darauf hin, dass die außer­ver­tragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe ausgelöst wird, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: die Rechts­wid­rigkeit des den Gemein­schafts­organen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausa­l­zu­sam­menhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Das Gericht hat dazu zuerst den Kausa­l­zu­sam­menhang zwischen der von den Gemein­schafts­organen mit dem Erlass der Regelung von 2004 begangenen Rechts­ver­letzung und den von den Unternehmen behaupteten Schäden geprüft.

Zusammenhang zwischen Schaden des Unternehmens und Verstoß des Rates verneint

Das Gericht stellt in diesem Punkt fest, dass das Vorbringen der Klägerinnen auf den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem im Wirtschaftsjahr 2006/2007 festgestellten Rückgang des Absatzes von Baumwolle und dem Inkrafttreten der Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 und nicht zwischen dem genannten Rückgang und der vom Rat mit dem Erlass der genannten Regelung begangenen Rechts­ver­letzung gerichtet ist. Diese Unternehmen haben deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht den Nachweis erbracht, dass der geltend gemachte Schaden unmittelbar mit dem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit zusammenhängt, den der Rat mit dem Erlass der Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 begangen hat.

Unternehmen hätten Ursächlichkeit des Schadens nachweisen müssen

Aus dem Urteil Spanien/Rat ergibt sich nämlich, dass nicht die Beihil­fe­re­gelung selbst, sondern die vor deren Erlass unterlassene Berück­sich­tigung aller einschlägigen Kriterien und Umstände unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit beanstandet wurde. Demzufolge war es Sache der Klägerinnen, nachzuweisen, dass die mit der Reform von 2004 festgelegten gekoppelten und entkoppelten Beihilfesätze, d. h. die Sätze von 35 % und 65 %, die für den von ihnen geltend gemachten Schaden ursächlich sein sollen, anders gewesen wären, wenn die Gemein­schafts­organe im Einklang mit diesem Urteil sämtliche einschlägigen Angaben (die Auswirkungen auf die Baumwoll­pro­duktion, die mit dem Baumwollanbau zusam­men­hän­genden Arbeitskosten und die Auswirkungen der neuen Regelung auf den Entkör­nungs­sektor) berücksichtigt hätten.

Die Unternehmen haben nicht nachgewiesen, dass die Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 ohne den vom Gerichtshof im Urteil Spanien/Rat festgestellten Rechtsverstoß nicht erlassen worden wäre oder zwangsläufig einen anderen Inhalt gehabt hätte. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die streitige Beihil­fe­re­gelung in den Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik fällt und dass die Entkoppelung der Direktbeihilfe für die Erzeuger und die Einführung der Betrie­b­sprä­mi­en­re­gelung zu den Kernstücken dieser Reform gehören. Demzufolge war es Sache der drei Unternehmen, nachzuweisen, dass es für den Rat unausweichlich war, beim Erlass einer neuen Regelung – die sich durch die Durchführung einer Studie über die Auswirkungen der Reform nicht nur an die Rechtsnorm hält, sondern auch die der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik zugrunde liegenden Ziele berücksichtigt – ein anderes System und einen anderen Grad der Entkoppelung festzulegen, als in der Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 vorgesehen ist.

Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass gemäß dem von der Kommission am 9. November 2007 vorgelegten neuen Vorschlag für eine Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle die durchgeführten Studien zu der Schluss­fol­gerung geführt haben, dass die Prozentsätze von 35 % bei gekoppelten und 65 % bei entkoppelten Produk­ti­o­ns­bei­hilfen beibehalten werden sollten, und dass die neue Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2008 dieselben Prozentsätze für gekoppelte und entkoppelte Beihilfen vorsieht.

Klagen mangels nachgewiesenem kausalen Zusammenhang der Umstände abgewiesen

Daher kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerinnen nicht den Nachweis erbracht haben, dass der ihnen entstandene Schaden in kausalem Zusammenhang mit dem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit steht, der der für nichtig erklärten Beihil­fe­re­gelung für Baumwolle von 2004 anhaftet. Deshalb werden die Klagen als unbegründet abgewiesen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die übrigen Voraussetzungen für die Auslösung der außer­ver­trag­lichen Haftung der Gemeinschaft erfüllt sind.

Quelle: ra-online, EuGH

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