15.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.10.2017

Duplicate-Bridge ist kein "Sport" im Sinne der Mehrwert­steuer­richtlinieAnwendung des Begriffs "kulturelle Dienst­leis­tungen" im Sinne der Richtlinie für Duplicate-Bridge jedoch nicht ausgeschlossen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Duplicate-Bridge nicht unter den Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwert­steuer­richtlinie fällt und daher nicht als solcher von der Mehrwertsteuer befreit werden kann. Allerdings schließt der Gerichtshof nicht aus, dass die Mitgliedstaaten annehmen können, dass Duplicate-Bridge unter den Begriff "kulturelle Dienst­leis­tungen" im Sinne der Richtlinie fällt.

The English Bridge Union (EBU) ist eine nationale Organisation zur Regelung und Entwicklung von Duplicate-Bridge in England. Dieses Kartenspiel ist eine Variante des Bridge-Spiels und wird auf nationaler und internationaler Ebene in Wettkämpfen gespielt, wobei jedes Paar nachfolgend dasselbe Blatt wie die Teilnehmer an den anderen Tischen spielt. Die Rangfolge wird so entsprechend den jeweiligen Ergebnissen erstellt.

EBU verlangt Erstattung der Mehrwertsteuer für Teilnah­me­ge­bühren

Die EBU organisiert Duplicate-Bridge-Turniere und verlangt von den Spielern eine Teilnahmegebühr, um daran teilnehmen zu können. Sie führt auf diese Gebühren Mehrwertsteuer ab. Die EBU verlangte die Rückerstattung dieser Steuer gemäß der Mehrwert­steu­er­richt­linie*. Sie ist der Auffassung, dass sie in den Genuss der Steuerbefreiung kommen müsse, die die Richtlinie bestimmten, in engem Zusammenhang mit Sport stehenden Dienst­leis­tungen einräume.

Steuer­ver­waltung lehnt Mehrwert­steu­er­be­freiung ab

Die Steuer­ver­waltung lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Vorschriften, nach denen bestimmte, "in engem Zusammenhang mit Sport ... stehende Dienst­leis­tungen" von der Steuer befreit seien, voraussetzten, dass ein "Sport" eine bedeutende körperliche Komponente enthalten müsse.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Definition des Begriffs "Sport" im Sinne der Richtlinie

Die EBU erhob gegen diese Entscheidung der Steuer­ver­waltung eine Klage, die abgewiesen wurde. Das mit dem Rechtsmittel gegen dieses Urteil befasste Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Rechts­mit­tel­gericht [Kammer für Steuer- und Finanzsachen], Vereinigtes Königreich) führt aus, dass Duplicate-Bridge zwar hohe intellektuelle Fähigkeiten voraussetze, fragt aber den Gerichtshof, ob es sich dabei um einen "Sport" im Sinne der Richtlinie** handelt.

Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwert­steu­er­richtlinie ist nach gewöhnlichem Sprachgebrauch zu bestimmen

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass er nicht dazu aufgerufen ist, die Bedeutung des Begriffs "Sport" im Allgemeinen zu bestimmen, sondern diesen im Rahmen der Mehrwert­steu­er­richtlinie auszulegen. Er weist darauf hin, dass die Bedeutung des Begriffs "Sport", da er in dieser Richtlinie nicht definiert wird, nach ständiger Rechtsprechung entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen ist, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden.

Begriff "Sport" zeichnet sich durch nicht unbedeutende körperliche Komponente aus

Da im Kontext der Mehrwert­steu­er­be­freiungen Ausnahmen eng auszulegen sind, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Auslegung des Begriffs "Sport" in der Richtlinie auf Tätigkeiten beschränkt ist, die dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs "Sport" entsprechen und die sich durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente auszeichnen.

Körperliche und geistige Gesundheit förderliche Tätigkeit für sich genommen kein hinreichender Anhaltspunkt für "Sport"

Duplicate-Bridge setzt zwar Logik, Gedächt­nis­vermögen und strategisches Denken voraus und kann der geistigen und körperlichen Gesundheit derer, die es regelmäßig spielen, förderlich sein. Der Gerichtshof entscheidet aber, dass die Tatsache, dass eine Tätigkeit der körperlichen und geistigen Gesundheit förderlich ist, für sich allein genommen kein hinreichender Anhaltspunkt für die Schluss­fol­gerung ist, dass diese Tätigkeit unter den Begriff "Sport" im Sinne der Richtlinie fällt. Der Umstand, dass eine der körperlichen und geistigen Gesundheit förderliche Tätigkeit in Wettkämpfen ausgetragen wird, lässt keinen anderen Schluss zu.

Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit wie Duplicate-Bridge, die sich durch eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente auszeichnet, nicht unter den Begriff "Sport" im Sinne der Mehrwert­steu­er­richtlinie fällt.

Duplicate-Bridge könnte unter Begriff "kulturelle Dienst­leis­tungen" im Sinne der Richtlinie fallen

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass eine solche Auslegung nicht der Frage vorgreift, ob eine Tätigkeit, die eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente enthält, unter den Begriff "kulturelle Dienst­leis­tungen" im Sinne der Richtlinie*** fallen könnte, wenn diese Tätigkeit unter Berück­sich­tigung ihrer Ausübung, ihrer Geschichte und der Traditionen, zu denen sie gehört, im sozialen und kulturellen Erbe eines Landes einen solchen Platz einnimmt, dass sie als Teil seiner Kultur angesehen werden kann.

Erläuterungen
* Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwert­steu­er­system (ABl. 2006, L 347, S. 1).

** Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG.

*** Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Mehrwert­steu­er­richtlinie.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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