23.10.2024
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Dokument-Nr. 7149

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.12.2008

EuGH beschränkt Nutzung von Auslän­der­zen­tra­l­re­gisterNutzung des Auslän­der­zen­tra­l­re­gisters zur Verbrecherjagd rechtswidrig - Für statistische Zwecke erhobene Daten müssen anonymisiert werden

Ein zentrales Auslän­der­re­gister darf nur solche perso­nen­be­zogenen Daten enthalten, die zur Anwendung aufent­halts­recht­licher Vorschriften unbedingt erforderlich sind. Die Verarbeitung und Speicherung solcher Daten von Unionsbürgern zu statistischen Zwecken oder zur Bekämpfung der Kriminalität verstößt gegen das Gemein­schaftsrecht. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Im deutschen Ausländerzentralregister werden bestimmte perso­nen­be­zogene Daten von Ausländern, die sich für einen Zeitraum von über drei Monaten im deutschen Hoheitsgebiet aufhalten, zusammengefasst. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt dieses Register und unterstützt u. a. die mit der Durchführung auslän­der­recht­licher Vorschriften betrauten öffentlichen Stellen. Das Register wird insbesondere zu statistischen Zwecken und bei der Erfüllung der den Sicherheits-, Polizei- und Justizbehörden obliegenden Aufgaben im Bereich der Bekämpfung und Aufklärung strafbarer oder die öffentliche Sicherheit gefährdender Handlungen genutzt.

In Deutschland lebender Österreicher fühlt sich durch das Auslän­der­re­gister diskriminiert

Herr Huber, ein öster­rei­chischer Staats­an­ge­höriger, ließ sich 1996 in Deutschland nieder, um dort den Beruf des selbständigen Versi­che­rung­s­agenten auszuüben. Da er sich durch die Speicherung von ihn betreffenden Daten im Zentralregister diskriminiert sieht, insbesondere deshalb, weil es keine entsprechende Datenbank für deutsche Staats­an­ge­hörige gibt, beantragte Herr Huber die Löschung dieser Daten.

Oberver­wal­tungs­gericht NRW rief EuGH an

Das mit dem Rechtsstreit befasste Oberver­wal­tungs­gericht für das Land Nordrhein-Westfalen befragt den Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten im Zentralregister mit dem Gemein­schaftsrecht.

Gespeicherte Daten stellen perso­nen­be­zogene Daten im Sinne der Richtlinie zum Schutz perso­nen­be­zogener Daten dar

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die fraglichen Daten perso­nen­be­zogene Daten im Sinne der Richtlinie zum Schutz perso­nen­be­zogener Daten darstellen. Nach dieser Richtlinie ist die Verarbeitung solcher Daten nur dann zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt. 1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31).

Kein unein­ge­schränktes Aufent­haltsrecht

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Aufent­haltsrecht eines Unionsbürgers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, dessen Staats­an­ge­hö­rigkeit er nicht besitzt, nicht uneingeschränkt besteht, sondern Beschränkungen unterworfen werden darf. Dass ein Mitgliedstaat über einschlägige Informationen und Dokumente über Ausländer verfügt und ein Register zur Unterstützung der mit der Anwendung aufent­halts­recht­licher Vorschriften betrauten Behörden nutzt, ist somit grundsätzlich legitim, sofern dem Erfor­der­lich­keitsgebot im Sinne der Richtlinie zum Schutz perso­nen­be­zogener Daten Genüge getan wird. Der Gerichtshof gelangt zu dem Schluss, dass ein solches System zur Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten mit dem Gemein­schaftsrecht vereinbar ist, wenn es nur die Daten enthält, die für die Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch die genannten Behörden erforderlich sind, und sein zentralisierter Charakter eine effizientere Anwendung dieser Vorschriften in Bezug auf das Aufent­haltsrecht von Unionsbürgern erlaubt, die keine Staats­an­ge­hörigen des betreffenden Mitgliedstaats sind.

Namentliche Speicherung nicht ist für statistische Zwecke nicht erforderlich

Zur Speicherung und Verarbeitung dieser Daten zu statistischen Zwecken führt der Gerichtshof aus, dass das Gemein­schaftsrecht es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, Maßnahmen zu erlassen, die den nationalen Behörden die genaue Kenntnis der Bevöl­ke­rungs­be­we­gungen in ihrem Hoheitsgebiet ermöglichen sollen. Diese Statistiken setzen voraus, dass die Staaten eine Reihe von Informationen erheben. Die Ausübung dieser Befugnis macht allerdings die Erhebung und Speicherung von namentlich genannte Personen betreffenden Daten, wie sie in dem fraglichen Register vorgenommen wird, nicht erforderlich. Folglich entscheidet der Gerichtshof, dass eine solche Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten nicht dem Erfor­der­lich­keitsgebot im Sinne der Richtlinie entspricht.

EuGH: Hinsichtlich der Nutzung der in dem Register enthaltenen Daten zur Bekämpfung der Kriminalität werden Ausländer diskriminiert

Schließlich führt der Gerichtshof in Bezug auf die Frage der Nutzung der in dem Register enthaltenen Daten zur Bekämpfung der Kriminalität insbesondere aus, dass mit diesem Ziel auf die Verfolgung von Verbrechen und Vergehen unabhängig von der Staats­an­ge­hö­rigkeit der Täter abgestellt wird. Das fragliche Register enthält jedoch nicht die perso­nen­be­zogenen Daten der Staats­an­ge­hörigen des betroffenen Mitgliedstaats. Demzufolge verstößt eine Nutzung zur Bekämpfung der Kriminalität gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot und damit gegen das Gemein­schaftsrecht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 90/08 des EuGH vom 16.12.2008

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