21.11.2024
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Dokument-Nr. 11448

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil07.04.2011

EuGH: Rumänische Umweltsteuer nicht mit Unionsrecht vereinbarNationale Regelung darf nicht dazu dienen, Einfuhr und Inver­kehr­bringen von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebraucht­fahr­zeugen in Rumänien zu erschweren

Die durch rumänische Rechts­vor­schriften eingeführte Umweltsteuer, der Fahrzeuge anlässlich ihrer erstmaligen Zulassung in diesem Mitgliedstaat unterliegen, ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Die Wirkung dieser Regelung besteht nur darin, die Einfuhr und das Inver­kehr­bringen von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebraucht­fahr­zeugen in Rumänien zu erschweren.

Durch rumänische Rechts­vor­schriften wurde zum 1. Juli 2008 eine anlässlich der erstmaligen Zulassung eines Kraftfahrzeugs in Rumänien zu entrichtende Umweltsteuer eingeführt. Diese Rechts­vor­schriften unterscheiden nicht zwischen in diesem Mitgliedstaat hergestellten Fahrzeugen und solchen, die im Ausland hergestellt wurden. Ebenso wenig unterscheiden sie zwischen Neu- und Gebraucht­fahr­zeugen.

Rumänischer Kläger erwirbt in Deutschland Gebrauchtwagen

Herr Tatu, rumänischer Staats­an­ge­höriger mit Wohnsitz in Rumänien, erwarb im Juli 2008 in Deutschland ein Gebraucht­fahrzeug zum Preis von 6.600 Euro. Das Fahrzeug hat einen Hubraum von 2.155 cm³ und entspricht der Emissionsklasse Euro 2. Es wurde 1997 hergestellt und im selben Jahr in Deutschland zugelassen.

Kläger hält Umweltsteuer für unvereinbar mit dem Unionsrecht

Damit Herr Tatu dieses Fahrzeug in Rumänien zulassen konnte, musste er einen Betrag von 7.595 Lei (ca. 2.200 Euro) als Umweltsteuer entrichten. Da er der Ansicht ist, dass die Steuer gegen das Unionsrecht verstoße, beantragte er die Rückerstattung des gezahlten Betrags. Er macht geltend, dass die fragliche Steuer mit dem Unionsrecht unvereinbar sei, da sie auf sämtliche aus einem anderen Mitgliedstaat nach Rumänien eingeführte Gebraucht­fahrzeuge, die erstmalig in Rumänien zugelassen würden, erhoben werde, während sie auf gleichartige, bereits in Rumänien zugelassene Fahrzeuge bei deren Weiter­ver­äu­ßerung als Gebraucht­fahrzeuge nicht erhoben werde.

Nationales Gericht erbittet Entscheidung des EuGH

Das Tribunal Sibiu (Landgericht Sibiu), bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, legte die Frage nach der Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit dem Unionsrecht dem Gerichtshof der Europäischen Union vor.

Abgaben auf Waren anderer Mitgliedstaaten dürfen nicht höher sein als Abgaben für gleichartige inländischen Waren

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass es nach dem Unionsrecht jedem Mitgliedstaat untersagt ist, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten inländische Abgaben zu erheben, die höher sind als bei gleichartigen inländischen Waren. Dieses Verbot soll die vollkommene Wettbe­wer­bs­neu­tralität der inländischen Abgaben für bereits auf dem inländischen Markt befindliche und für eingeführte Waren gewährleisten.

Rumänische Abgabenregelung nimmt keine ausreichende Unterscheidung von Fahrzeugen vor

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die durch die rumänischen Rechts­vor­schriften eingeführte Abgabenregelung weder eine Unterscheidung von Fahrzeugen nach ihrer Herkunft noch der Eigentümer dieser Fahrzeuge nach ihrer Nationalität vornimmt. Denn die Steuer wird unabhängig von der Nationalität des Fahrzeu­gei­gen­tümers, vom Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug hergestellt wurde, und davon, ob dieses auf dem inländischen Markt erworben oder eingeführt wurde, geschuldet.

Steuer kann aufgrund ihrer Wirkungen nicht nur unmittelbar sondern auch mittelbar diskriminierend sein

Auch wenn die Voraussetzungen einer unmittelbaren Diskriminierung nicht vorliegen, kann eine Steuer doch aufgrund ihrer Wirkungen mittelbar diskriminierend sein. Um festzustellen, ob diese Steuer zu einer mittelbaren Diskriminierung von eingeführten Gebraucht­fahr­zeugen gegenüber gleichartigen, bereits im Inland befindlichen Gebraucht­fahr­zeugen führt, prüft der Gerichtshof erstens, ob sie im Hinblick auf die Konkurrenz zwischen eingeführten Gebraucht­fahr­zeugen und gleichartigen Gebraucht­fahr­zeugen, die zuvor im Inland zugelassen wurden und anlässlich dieser Zulassung der betreffenden Steuer unterlagen, neutral ist. Zweitens prüft der Gerichtshof die Neutralität dieser Steuer bezüglich eingeführter Gebraucht­fahrzeuge und gleichartiger, im Inland vor dem Inkrafttreten der Steuer, d. h. vor dem 1. Juli 2008, zugelassener Gebraucht­fahrzeuge.

Kein Verstoß gegen das Unionsrecht im Hinblick auf Neutralität der Steuer

Was den ersten Aspekt der Neutralität der Steuer betrifft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, wenn der Betrag der Steuer, die auf ein eingeführtes Gebraucht­fahrzeug erhoben wird, den Restwert der Steuer übersteigt, der noch im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebraucht­fahrzeuge enthalten ist. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die rumänische Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da sie bei der Berechnung der Zulas­sungs­steuer die Wertminderung des Fahrzeugs berücksichtigt und dadurch gewährleistet, dass diese Steuer nicht den Restwert übersteigt, der im Wert gleichartiger Gebraucht­fahrzeuge enthalten ist, die zuvor im Inland zugelassen wurden und dieser Steuer anlässlich ihrer Zulassung unterworfen wurden.

Einfuhr und Inver­kehr­bringen von Gebraucht­fahr­zeugen anderer Mitgliedstaaten durch Regelung erschwert

Was hingegen den zweiten Aspekt der Neutralität der Steuer betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass die Wirkung der rumänischen Regelung darin besteht, dass eingeführte Gebraucht­fahrzeuge, die durch ein beträchtliches Alter und eine beträchtliche Abnutzung charakterisiert sind, trotz der Anwendung einer erhöhten Ermäßigung der Steuer zur Berück­sich­tigung ihrer Wertminderung, mit einer Steuer belegt werden, die bis um die 30 % ihres Marktwerts erreichen kann, während gleichartige Fahrzeuge, die auf dem inländischen Gebraucht­wa­genmarkt verkauft werden, nicht mit einer solchen Steuer belastet werden. Unter diesen Voraussetzungen besteht die Wirkung dieser Regelung darin, die Einfuhr und das Inver­kehr­bringen von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebraucht­fahr­zeugen in Rumänien zu erschweren.

Steuern auf Kraftfahrzeuge dürfen nicht dazu geeignet sein, Einfuhr gleichartiger Gebraucht­fahrzeuge zu erschweren

Auch wenn das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht an der Einführung neuer Steuern oder der Änderung des Satzes oder der Bemes­sungs­grundlage bestehender Steuern hindert, so ist danach doch jeder Mitgliedstaat verpflichtet, seine Steuern auf Kraftfahrzeuge so zu wählen und auszugestalten, dass ihre Wirkung nicht darin besteht, den Verkauf inländischer Gebraucht­fahrzeuge zu fördern und damit die Einfuhr gleichartiger Gebraucht­fahrzeuge zu erschweren.

Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass das Unionsrecht einem Mitgliedstaat verbietet, eine Umweltsteuer einzuführen, die auf Kraftfahrzeuge bei deren erstmaliger Zulassung in diesem Mitgliedstaat erhoben wird, wenn diese steuerliche Maßnahme in der Weise ausgestaltet ist, dass sie die Inbetriebnahme von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebraucht­fahr­zeugen in diesem Mitgliedstaat erschwert, ohne zugleich den Erwerb von Gebraucht­fahr­zeugen desselben Alters und mit derselben Abnutzung auf dem inländischen Markt zu erschweren.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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