24.11.2024
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Urteil21.12.2011Gerichtshof der Europäischen UnionC-366/10
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil21.12.2011

Emissionshandel gilt auch für Nicht-EU-FluglinienEuGH erlaubt Einbeziehung ausländischer Airlines in CO2-Handel

Die Richtlinie, mit der der Luftverkehr in das System für den Handel mit CO2-Emissi­ons­zer­ti­fikaten in der Gemeinschaft einbezogen wurde, ist gültig. Die Anwendung des Systems für den Handel mit Emissi­ons­zer­ti­fikaten auf die Luftfahrt verstößt weder gegen die Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts noch gegen das "Open-Skies"-Abkommen. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.

Die Europäische Union beschloss 2003, ein System für den Handel mit Treib­h­aus­ga­s­e­mis­si­ons­zer­ti­fikaten zu schaffen – als Kernstück der europäischen Politik im Bereich der Bekämpfung des Klimawandels*. Ursprünglich waren Treib­h­aus­ga­s­e­mis­sionen aus dem Luftverkehr nicht in das System für den Handel mit Emissi­ons­zer­ti­fikaten der Union einbezogen. Die Richtlinie 2008/101 sieht vor, dass Luftver­kehr­s­tä­tig­keiten ab dem 1. Januar 2012 einbezogen sind**. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Luftver­kehrs­un­ter­nehmen – auch von Drittländern – für ihre Flüge mit Abflug von oder Ankunft auf europäischen Flughäfen somit Emissi­ons­zer­ti­fikate erwerben und abgeben.

Eine Reihe von Luftver­kehrs­un­ter­nehmen und Verbänden amerikanischer und kanadischer Luftver­kehrs­un­ter­nehmen fochten im Vereinigten Königreich die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie an. Sie machen geltend, die Europäische Union habe durch den Erlass der Richtlinie gegen bestimmte Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts und verschiedene internationale Übereinkünfte verstoßen. Die Richtlinie verstoße zum einen gegen das Chicagoer Abkommen***, das Kyoto-Protokoll**** und das sog. „Open-Skies“-Abkommen*****, insbesondere indem sie eine Art Gebühr auf den Treib­stoff­ver­brauch vorschreibe; zum anderen verstoße die Richtlinie dadurch gegen bestimmte Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts, dass das Emissi­ons­zer­ti­fi­ka­te­system außerhalb des Hoheitsgebiets der Union zur Anwendung kommen solle.

Der High Court of Justice of England and Wales möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie gemessen an diesen Bestimmungen des Völkerrechts gültig ist. In seinem heutigen Urteil bestätigt der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie, mit der die Luftver­kehr­s­tä­tig­keiten in das System für den Handel mit Emissi­ons­zer­ti­fikaten einbezogen werden.

Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass im Hinblick auf die Prüfung der Gültigkeit der Richtlinie nur bestimmte Bestimmungen des „Open-Skies“-Abkommens und drei Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts (nämlich die Hoheit der Staaten über ihren Luftraum, die Rechts­wid­rigkeit der Beanspruchung der Hoheit über die hohe See und die Freiheit von Flügen über hoher See) geltend gemacht werden können. Nur bei diesen Grundsätzen und Bestimmungen der vom High Court angeführten sind nämlich die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien erfüllt.

Zum Chicagoer Abkommen stellt der Gerichtshof fest, dass die Union daran nicht gebunden ist; die Union ist nämlich nicht Vertragspartei dieses Abkommens, und derzeit sind auch nicht alle Befugnisse bezüglich dieses Abkommens auf sie übergegangen. Zum Kyoto-Protokoll stellt der Gerichtshof fest, dass dessen Vertrags­parteien ihren Verpflichtungen nach den Modalitäten und der Geschwindigkeit erfüllen können, auf die sie sich geeinigt haben; insbesondere ist die Verpflichtung, die Bemühungen um eine Begrenzung oder Reduktion der Emissionen von bestimmten Treibhausgasen aus dem Luftverkehr im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt- Organisation (ICAO) fortzusetzen, nicht unbedingt und hinreichend genau, um geltend gemacht werden zu können.

Der Gerichtshof erachtet es für zulässig, die Gültigkeit der Richtlinie anhand drei der geltend gemachten Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts zu prüfen, wobei die Kontrolle auf einen offen­sicht­lichen Beurtei­lungs­fehler beschränkt ist; beim vierten ist jedoch nicht hinreichend bewiesen, dass der Grundsatz, wonach ein Schiff auf hoher See ausschließlich dem Recht seines Flaggenstaats unterliegt, entsprechend für Flugzeuge gilt.

Sodann prüft der Gerichtshof die Vereinbarkeit der Richtlinie mit den Grundsätzen des Völker­ge­wohn­heits­rechts und dem „Open-Skies“-Abkommen. Er stellt fest, dass die Richtlinie auf Flugzeuge, die die hohe See oder das Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten der Union oder von Drittländern überfliegen, als solche keine Anwendung findet. Die Betreiber solcher Luftfahrzeuge unterliegen nur dann dem System des Handels mit Zertifikaten, wenn sie sich dafür entscheiden, den kommerziellen Flugbetrieb auf einer Flugstrecke mit Abflug von oder Ankunft auf einem Flughafen in der Union aufzunehmen. Insoweit verstößt die Anwendung des Systems des Handels mit Zertifikaten auf die Luftfahr­zeug­be­treiber weder gegen den Grundsatz der Territorialität noch gegen den Grundsatz der Souveränität der Drittstaaten; dieses System findet auf diese nämlich nur Anwendung, wenn sich ihre Luftfahrzeuge physisch im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union befinden und somit der unein­ge­schränkten Hoheitsgewalt der Union unterliegen. Eine solche Anwendung des Unionsrechts kann auch nicht den Grundsatz des freien Flugs über die hohe See in Frage stellen, da ein Luftfahrzeug, das die hohe See überfliegt, in dieser Beziehung nicht dem System des Handels mit Zertifikaten unterliegt.

Was die Tatsache angeht, dass der Luftfahr­zeug­be­treiber verpflichtet ist, Emissi­ons­zer­ti­fikate abzugeben, die unter Berück­sich­tigung des ganzen Flugs errechnet werden, weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Politik der Union im Umweltbereich auf ein hohes Schutzniveau abzielt. Der Unions­ge­setzgeber kann sich daher grundsätzlich dafür entscheiden, die Ausübung einer wirtschaft­lichen Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet, im vorliegenden Fall den Flugverkehr, nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass die Wirtschafts­teil­nehmer die von der Union festgelegten Kriterien beachten. Im Übrigen ist die Tatsache, dass bestimmte Faktoren, die zur Verschmutzung der Luft, des Meeres oder der Landgebiete der Mitgliedstaaten beitragen, auf ein Geschehen zurückzuführen sind, das sich teilweise außerhalb dieses Gebiets ereignet, im Hinblick auf die Grundsätze des Völker­ge­wohn­heits­rechts, die geltend gemacht werden können, nicht geeignet, die unein­ge­schränkte Anwendbarkeit des Unionsrechts in diesem Gebiet in Frage zu stellen.

Schließlich geht der Gerichtshof auf das Vorbringen ein, das System für den Handel mit Zertifikaten stelle – unter Verletzung des „Open-Skies“-Abkommens – eine Gebühr oder Abgabe auf Treibstoff dar. Er stellt hierzu fest, dass die Richtlinie nicht gegen die Verpflichtung verstößt, Treibstoff von Zöllen, Gebühren und Abgaben zu befreien. Anders als es für obligatorische Abgaben auf den Verbrauch von Treibstoff kennzeichnend ist, besteht bei dem in Rede stehenden System nämlich kein unmittelbarer und unauflöslicher Zusammenhang zwischen der Menge des von einem Luftfahrzeug getankten oder verbrauchten Treibstoffs und der finanziellen Belastung des Betreibers eines solchen Luftfahrzeugs im Rahmen des Funktionierens des Systems für den Handel mit Zertifikaten. Die Kosten, die der Betreiber konkret zu tragen hat, hängen bei einer marktgestützten Maßnahme nicht unmittelbar von der Zahl der abzugebenden Zertifikate ab, sondern von der Zahl der diesem Betreiber ursprünglich zugeteilten Zertifikate und deren Marktpreis, wenn sich herausstellt, dass zur Abdeckung der Emissionen der Erwerb weiterer Zertifikate erforderlich ist. Im Übrigen ist durchaus denkbar, dass ein Luftfahr­zeug­be­treiber, obwohl er Treibstoff in Besitz gehabt oder verbraucht hat, aufgrund seiner Teilnahme an diesem System finanziell überhaupt nicht belastet wird, ja durch die entgeltliche Übertragung seiner überzähligen Zertifikate gar einen Gewinn erzielt. Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die einheitliche Anwendung des Systems auf alle Flüge mit Abflug von oder Ankunft auf einem europäischen Flughafen mit den Bestimmungen des „Open-Skies“-Abkommens in Einklang steht, mit dem eine Diskriminierung von amerikanischen und europäischen Wirtschafts­teil­nehmern verboten werden soll.

Erläuterungen

* Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treib­h­aus­ga­s­e­mis­si­ons­zer­ti­fikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32).

** Richtlinie 2008/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treib­h­aus­ga­s­e­mis­si­ons­zer­ti­fikaten in der Gemeinschaft (ABl. L 8, S. 3).

*** Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944.

**** Protokoll von Kyoto zum Rahmen­über­ein­kommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 (ABl. 2002, L 130, S. 4).

***** Luftver­kehr­s­ab­kommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits vom 25. und 30. April 2007 (ABl. L 134, S. 4).

Quelle: ra-online, EuGH (pm/pt)

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