21.11.2024
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Dokument-Nr. 7732

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil02.04.2009

EuGH: Staatlich verordnete Preissenkung für Arzneimittel zulässigA. Menarini Industrie Farmaceutiche riunite Srl u. a. / Ministero della salute und Agenzia Italiana del Farmaco

Die Mitgliedstaaten können die Arznei­mit­tel­preise mehrmals im Laufe ein und desselben Jahres senken und dabei Ausga­ben­schät­zungen zugrunde legen. Sie sind zuständig zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und zur Regulierung des Arznei­mit­tel­ver­brauchs im Hinblick auf die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts ihrer Kranken­ver­si­che­rungs­systeme. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Die Richtlinie 89/105 (siehe unten) soll für die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preis­fest­setzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Kranken­ver­si­che­rungs­systeme sorgen.

In den Jahren 2005 und 2006 erließ die italienische Arznei­mit­te­l­agentur (Agenzia Italiana del Farmaco, AIFA), die mit der Kontrolle des Arznei­mit­tel­ver­brauchs und der zulasten des italienischen staatlichen Gesund­heits­diensts (Servizio Sanitario Nazionale, SSN) gehenden Arznei­mit­te­l­ausgaben betraut ist, Maßnahmen zur Senkung der Preise von Arzneimitteln, um die Einhaltung der Obergrenze für die Arznei­mit­te­l­ausgaben, die vom SSN getragen werden, sicherzustellen.

Menarini und andere Gesellschaften vertreiben Arzneimittel, deren Kosten vollständig vom SSN getragen werden, und klagten wegen dieser Maßnahmen gegen das Ministero della salute und die AIFA beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio. Der Gerichtshof wird befragt, ob das italienische System zur Festsetzung der Arznei­mit­tel­preise mit der Richtlinie 89/105 im Einklang steht.

Der Gerichtshof weist vorab darauf hin, dass das Gemein­schaftsrecht die den Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Beachtung des Gemein­schafts­rechts zustehende Zuständigkeit zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und insbesondere zum Erlass von Vorschriften zur Regulierung des Arznei­mit­tel­ver­brauchs im Hinblick auf die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts ihrer Kranken­ver­si­che­rungs­systeme unberührt lässt.

Er stellt zunächst fest, dass ein Mitgliedstaat Maßnahmen von allgemeiner Tragweite, die in der Senkung der Preise für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arznei­mit­tel­ka­te­gorien bestehen, auch dann erlassen kann, wenn kein entsprechender Preisstopp vorausgegangen ist. Wenn ein Mitgliedstaat einen Preisstopp für Arzneimittel verfügt hat, hat er mindestens einmal jährlich zu überprüfen, ob nach der gesamt­wirt­schaft­lichen Lage die Beibehaltung des Preisstopps gerechtfertigt ist. Diese Überprüfung stellt ein Mindes­ter­for­dernis dar. Je nach den Ergebnissen dieser Überprüfung kann der Mitgliedstaat die Beibehaltung des Preisstopps für Arzneimittel beschließen oder Maßnahmen der Erhöhung oder der Senkung dieser Preise erlassen. Nach Auffassung des Gerichtshofs können, sofern dieses Mindes­ter­for­dernis eingehalten wird, Preis­sen­kungs­maß­nahmen mehrmals im Laufe ein und desselben Jahres über mehrere Jahre erlassen werden.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie dem Erlass von Maßnahmen, die eine Kontrolle der Preise für Arzneimittel anhand von Ausga­ben­schät­zungen vorsehen, nicht entgegensteht, sofern diese auf objektive und nachprüfbare Daten gestützt sind. Eine gegenteilige Auslegung würde ein Einwirken auf die mitglied­s­taatliche Organisation der internen Sozia­l­ver­si­che­rungs­po­litiken darstellen und die Politik der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Preis­fest­setzung für Arzneimittel in einem höheren Maße beeinflussen, als dies notwendig ist, um die Transparenz im Sinne der Richtlinie sicherzustellen.

Im Übrigen bestätigt der Gerichtshof, da in der Richtlinie nicht angegeben ist, welche Arten von Ausgaben die Mitgliedstaaten berücksichtigen können, um über die Beibehaltung des Preisstopps oder die Erhöhung oder Senkung der Arznei­mit­tel­preise zu befinden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Kriterien festzulegen, anhand deren sie die Überprüfung nach der gesamt­wirt­schaft­lichen Lage vornehmen: Sie können daher, stets unter Wahrung des Trans­pa­renzziels, die Arznei­mit­te­l­ausgaben allein, die Gesund­heits­ausgaben insgesamt und auch andere einschlägige Arten von Ausgaben berücksichtigen.

Schließlich muss, wenn in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen von einem Unternehmen, das Inhaber einer Genehmigung für das Inver­kehr­bringen eines Arzneimittels ist, das von einer Maßnahme betroffen ist, die einen Preisstopp oder eine Preissenkung verfügt, eine Ausnahme von dem durch diese Maßnahme vorge­schriebenen Preis beantragt wird, dieses Unternehmen die besonderen Gründe für seinen Ausnahmeantrag darlegen. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie verpflichtet sind, sicherzustellen, dass eine begründete Entscheidung über jeden derartigen Antrag getroffen wird.

Richtlinie 89/105/EWG

Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preis­fest­setzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Kranken­ver­si­che­rungs­systeme (ABl. 1989, L 40, S. 8).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des EuGH vom 02.04.2009

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