14.11.2024
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Dokument-Nr. 21949

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.12.2015

Devisen­ge­schäfte als Bestandteil eines Darlehens in Fremdwährung stellen keine Wert­papier­dienst­leistungen darGewährung des Darlehens unterliegt nicht Bestimmungen der Richtlinie zum Anlegerschutz

Devisen­ge­schäfte, die Bestandteil bestimmter Arten von Darlehen in Fremdwährung sind, stellen keine Wert­papier­dienst­leistung dar. Sie unterliegen daher nicht den Unions­re­ge­lungen zum Anlegerschutz. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Im zugrunde liegenden Streitfalls unterzeichneten die Eheleute Lantos bei der Banif Plus Bank einen Kredit zur Finanzierung eines Autokaufs. Um einen günstigeren Zinssatz zu erhalten als den, der für Darlehen in ungarischen Forint angeboten wurde, entschieden sie sich für einen Kredit in Fremdwährung und setzten sich damit während der Tilgungszeit dem Risiko der Bewertung dieser Devisen im Verhältnis zum Forint aus. Im Rahmen einer von der Banif Plus Bank beim Ráckevei járásbíróság (Bezirksgericht Ráckeve, Ungarn) erhobenen Klage beantragt das Ehepaar bei diesem Gericht die Feststellung, dass Kreditverträge in Fremdwährung unter die Richtlinie über Märkte für Finan­z­in­stru­mente* fallen, so dass die Bank als Kreditinstitut u. a. verpflichtet gewesen wäre, die Angemessenheit oder die Eignung der zu erbringenden Dienstleistung zu bewerten.

Ist Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung als Erbringung einer Wertpa­pier­dienst­leistung anzusehen?

Das Ráckevei járásbíróság stellt dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage, ob die Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung wie des im Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden als Erbringung einer Wertpa­pier­dienst­leistung angesehen werden kann, auf die die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie Anwendung finden. Ferner möchte das ungarische Gericht wissen, ob die Nichtbeachtung dieser Vorschriften zur Nichtigkeit des Darle­hens­vertrags führt.

Rechtsakte der Union zum Verbrau­cher­schutz möglicherweise von Bedeutung

In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass in einer Rechtssache wie der in Rede stehenden bestimmte Rechtsakte der Union zum Verbrau­cher­schutz von Bedeutung sein können. Dies gilt für die Richtlinie 93/13**, die im Übrigen bereits Gegenstand eines Urteils des Gerichtshofs*** in dem besonderen Zusammenhang von auf Devisen lautenden Darle­hens­ver­trägen war, sowie die Richtlinien 87/102**** und 2008/48*****, die eine Reihe von Schutz­vor­schriften enthalten, die dem Darlehensgeber bestimmte Verpflichtungen u. a. zur Information des Verbrauchers auferlegen.

Zweck in Rede stehender Geschäfte ist nicht Vornahme einer Wertpa­pier­dienst­leistung

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Devisen­ge­schäfte, die im Rahmen der Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung wie des im Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden durchgeführt werden, Tätigkeiten sind, die sich zur Bereitstellung und Rückzahlung des Darlehens rein akzessorisch verhalten. Diese Geschäfte haben allein den Zweck, die Durchführung dieser beiden Hauptpflichten des Darle­hens­vertrags zu ermöglichen. Da der Kreditnehmer ausschließlich die Mittel erlangen möchte, um ein Konsumgut zu kaufen oder eine Dienstleistung zu erhalten, und nicht ein Wechsel­kurs­risiko steuern oder auf den Wechselkurs von Devisen spekulieren will, ist der Zweck der in Rede stehenden Geschäfte nicht die Vornahme einer Wertpa­pier­dienst­leistung. Ferner stellen diese Geschäfte nach der Richtlinie nicht selbst solche Dienst­leis­tungen dar.

Devisen­ge­schäfte als Bestandteil von Darlehen in Fremdwährungen stellen keine Wertpa­pier­dienst­leis­tungen dar

Die in Rede stehenden Devisen­ge­schäfte sind darüber hinaus mit einem Instrument, dem Darle­hens­vertrag, verbunden, das selbst kein Finan­z­in­strument im Sinne der Richtlinie ist. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass sich diese Geschäfte nicht auf einen Terminkontrakt beziehen, da sie nicht den Verkauf eines finanziellen Aktivums zu einem bei Vertragsschluss festgelegten Preis zum Gegenstand haben. Im vorliegenden Fall ist der für die Berechnung der Rückzahlungen zu berück­sich­tigende Wert der Devisen nicht im Voraus festgelegt, er wird vielmehr auf der Grundlage des Verkaufskurses dieser Devisen zum Fällig­keits­zeitpunkt jeder Rate bestimmt. Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass – vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht – Devisen­ge­schäfte, die Bestandteil von Darlehen in Fremdwährung wie des im Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden sind, keine Wertpa­pier­dienst­leis­tungen darstellen, so dass die Gewährung eines solchen Darlehens nicht den Bestimmungen der Richtlinie zum Anlegerschutz unterliegt.

Erläuterungen
* Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finan­z­in­strumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145, S. 1).

** Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbrau­cher­ver­trägen (ABl. L 95, S. 29).

*** Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C-26/13), vgl. auch Presse­mit­teilung Nr. 66/14.

**** Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über den Verbrau­cher­kredit (ABl. L 42, S. 49).

***** Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbrau­cher­kre­dit­verträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66, und Berichtigungen ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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