15.11.2024
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Dokument-Nr. 5306

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Urteil11.12.2007Gerichtshof der Europäischen UnionC-280/06
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil11.12.2007

EuGH: Nachfol­ge­un­ter­nehmen kann für Wettbe­wer­bs­verstoß des Vorgängers verantwortlich gemacht werden

Die Verant­wort­lichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln kann von einer wirtschaft­lichen Einrichtung auf die ihr nachfolgende Einrichtung übergehen, wenn beide derselben öffentlichen Stelle unterstehen. Der Grundsatz der persönlichen Verant­wort­lichkeit hindert nicht daran, dass die von einer Wettbewerbs- und Kartellbehörde verhängte Sanktion für eine Zuwiderhandlung in vollem Umfang die nachfolgende Einrichtung trifft, auch wenn die erste Einrichtung noch besteht.

Bis 1999 waren in Italien sämtliche Tätigkeiten der Herstellung und des Vertriebs im Tabaksektor der Amministrazione autonoma dei monopoli di Stato (Selbständige Verwal­tungs­stelle für Staatsmonopole, AAMS) zugewiesen und wurden dann auf eine andere öffentliche Einrichtung namens Ente Tabacchi Italiani (ETI) übertragen. Deren Gesell­schafts­kapital wurde zunächst zu 100 % vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen gehalten. Nach einer von diesem Ministerium im Jahr 2003 veranlassten Ausschreibung wurde ETI privatisiert. Im Jahr 2003 stellte die italienische Wettbe­wer­bs­behörde nach einer Untersuchung fest, dass die Gesellschaften der Philip-Morris-Gruppe von 1993 bis 2001 zunächst mit der AAMS und dann mit ETI ein Kartell gebildet und umgesetzt hatten, das eine Beein­träch­tigung des Wettbewerbs hinsichtlich des Einzel­han­del­s­preises von Zigaretten auf dem italienischen Inlandsmarkt bewirkte. Sie verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro gegen die Gesellschaften des Philip Morris Konzerns und 20 Millionen Euro gegen ETI. In ihrer Entscheidung rechnete die Wettbe­wer­bs­behörde ETI das Verhalten der AAMS in der Zeit vor 1999 zu. Die AAMS hatte nämlich, als ETI seine Geschäfte aufnahm, ihre Erzeugungs- und Vertrie­b­s­tä­tig­keiten im Tabaksektor eingestellt. Daher sei ETI, trotz des Umstands, dass die AAMS noch bestehe, nach dem Kriterium der wirtschaft­lichen Kontinuität Rechts­nach­folger der AAMS. Diese Entscheidung wurde von sämtlichen betroffenen Unternehmen vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Verwal­tungs­gericht für die Region Latium) angefochten. Dieses wies die Klage der Gesellschaften der Philip-Morris-Gruppe ab. Der Klage von ETI gab es teilweise statt und hob die Entscheidung auf, soweit darin ETI für das Handeln der AAMS zur Verantwortung gezogen wurde. Das Tribunale stützte sich auf das Kriterium der persönlichen Verant­wort­lichkeit. Der Consiglio di Stato, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, hielt es für angebracht, den Gerichtshof um Aufschluss über das Kriterium zu ersuchen, nach dem das Unternehmen zu bestimmen ist, dem wegen eines Verstoßes gegen Wettbe­wer­bs­regeln Sanktionen aufzuerlegen sind, wenn im Rahmen dieser Verhaltensweise eine wirtschaftliche Einrichtung einer anderen nachgefolgt ist, die erste aber noch besteht. Der Gerichtshof stellt fest, dass, sofern zwei Einrichtungen wirtschaftlich gesehen identisch sind, eine rechtliche oder organi­sa­to­rische Änderung der Einrichtung, die gegen Wettbe­wer­bs­regeln verstoßen hat, nicht zwingend zur Folge hat, dass ein neues, von der Haftung für wettbe­wer­bs­widrige Handlungen seines Vorgängers befreites Unternehmen entsteht. Im vorliegenden Fall ist die Tatsache, dass die AAMS keine Rechts­per­sön­lichkeit besitzt, kein Umstand, der es rechtfertigen kann, die Sanktion ihrem Nachfolger aufzuerlegen. Die Verhängung der Sanktion gegen ETI für die von der AAMS begangene Zuwiderhandlung könnte jedoch dadurch gerechtfertigt sein, dass beide Einrichtungen derselben öffentlichen Stelle unterstehen, nämlich dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, und sie im Wesentlichen dieselben geschäftlichen Leitlinien anwandten. Dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts. Der Gerichtshof erkennt daher, dass in einem Fall, in dem eine Verhaltensweise, die eine einheitliche Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln darstellt, von einer Einrichtung, die einer öffentlichen Stelle untersteht, begangen und dann von einer anderen, derselben öffentlichen Stelle unterstehenden Einrichtung bis zum Abschluss fortgeführt wird, wobei die zweitgenannte Einrichtung Rechts­nach­folgerin der erstgenannten ist und diese noch besteht, der zweitgenannten Einrichtung wegen der gesamten Zuwiderhandlung Sanktionen auferlegt werden können, sofern nachgewiesen ist, dass beide Einrichtungen der Aufsicht der genannten Stelle unterstehen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 89/07 des EuGH vom 11.12.2007

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