18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil30.06.2011

EuGH zur Rechtmäßigkeit der pauschalen Urheber­ver­gütung für öffentliches VerleihenGrößere öffentliche Verleihein­richtung müssen eine höhere Vergütung zahlen als die kleineren Einrichtungen

Die den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldete Vergütung darf nicht ausschließlich nach der Zahl der Entleiher berechnet werden. Der Betrag der Vergütung müsste auch die Zahl der der Öffentlichkeit zum Gebrauch überlassenen Gegenstände berücksichtigen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Nach der Richtlinie zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums* verfügen die Urheber über ein ausschließ­liches Recht, die Vermietung und das Verleihen von Originalen und Verviel­fäl­ti­gungs­stücken urheber­rechtlich geschützter Werke zu erlauben oder zu verbieten. Die Mitgliedstaaten können jedoch hinsichtlich des öffentlichen Verleihwesens Ausnahmen von diesem ausschließ­lichen Recht vorsehen, sofern die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten.

Die VEWA ist eine belgische Urheber­rechts­ver­wer­tungs­ge­sell­schaft. Am 7. Juli 2004 erhob sie beim Raad van State (belgischer Staatsrat) Klage auf Nichti­g­er­klärung eines Königlichen Erlasses zur Umsetzung der Richtlinie.

Pauschale Vergütung verstößt gegen Richtlinie

Die VEWA macht insbesondere geltend, dass dieser Königliche Erlass durch die Einführung einer pauschalen Vergütung von 1 Euro je Jahr und Erwachsenen und von ,5 Euro je Jahr und Minderjährigen, der bei den Verleihein­rich­tungen eingetragen ist, soweit dieser während des Bezugszeitraums mindestens eine Ausleihe vorgenommen hat, gegen die Richtlinie verstoße, die verlange, dass für ein Verleihen oder eine Vermietung eine "angemessene Vergütung" gezahlt werde.

Vergütung ausschließlich nach Zahl der Entleiher mit Richtlinie vereinbar?

In diesem Zusammenhang hat der Raad van State beschlossen, den Gerichtshof zu befragen. Er möchte wissen, ob die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die ein System einführt, wonach die den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldete Vergütung ausschließlich nach der Zahl der bei den öffentlichen Verleihein­rich­tungen, insbesondere Bibliotheken, eingetragenen Entleiher auf der Grundlage eines je Entleiher und Jahr festgelegten Pauschalbetrags berechnet wird.

Urheber müssen mit Vergütung angemessenes Einkommen erzielen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Vergütung den Urhebern ermöglichen muss, ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Ihr Betrag darf daher nicht nur symbolisch sein. Was im Einzelnen die Kriterien für die Festlegung des Betrags der den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldeten Vergütung angeht, ist es allein Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet die sachnahen Kriterien festzulegen. Hierfür ist den Mitgliedstaaten ein weiter Beurtei­lungs­spielraum vorbehalten. Diese können nämlich die Höhe des Betrags der den Urhebern im Fall des öffentlichen Verleihens geschuldeten Vergütung entsprechend ihren kultur­po­li­tischen Zielsetzungen festsetzen.

Vergütung soll Gegenleistung für nichtgenehmigte Nutzung der Werke als Schadensersatz dienen

Da jedoch die Vergütung die Gegenleistung für den den Urhebern durch die ohne ihre Genehmigung erfolgte Nutzung ihrer Werke entstandenen Schaden ist, kann die Festsetzung des Betrags dieser Vergütung nicht völlig von den Faktoren, aus denen sich ein solcher Schaden zusammensetzt, getrennt werden. Da der Schaden auf dem öffentlichen Verleihen, d. h. der Gebrauchs­über­lassung geschützter Werke durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, beruht, sollte der Betrag der Vergütung dem Umfang dieser Gebrauchs­über­lassung Rechnung tragen.

Mehr Beein­träch­tigung der Urheberrechte durch größere Überlassung der geschützten Objekte

Daher ist die Beein­träch­tigung der Urheberrechte umso größer, je größer die Zahl der geschützten Objekte ist, die durch eine öffentliche Verleiheinrichtung zum Gebrauch überlassen werden. Somit müsste der Betrag der von einer solchen Einrichtung zu entrichtenden Vergütung die Zahl der der Öffentlichkeit zum Gebrauch überlassenen Gegenstände berücksichtigen, so dass die größeren öffentlichen Verleihein­rich­tungen eine höhere Vergütung zahlen müssten als die kleineren Einrichtungen.

Neue Regelung berücksichtigt nicht Zahl der der Öffentlichkeit zum Gebrauch überlassenen Werke

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die durch den Königlichen Erlass eingeführte Regelung die Zahl der bei den öffentlichen Verleihein­rich­tungen eingetragenen Entleiher berücksichtigt, nicht jedoch die Zahl der der Öffentlichkeit zum Gebrauch überlassenen Gegenstände. Somit trägt eine solche Berück­sich­tigung weder dem Umfang des den Urhebern entstandenen Schadens noch dem Grundsatz, dass diese eine Vergütung erhalten müssen, die einem angemessenen Einkommen entspricht, ausreichend Rechnung.

Anmeldung für mehrere Verleihein­rich­tungen nicht berücksichtigt

Ferner wird nach dem Königlichen Erlass, wenn eine Person bei mehr als einer Verleihein­richtung eingetragen ist, der Betrag für diese Person nur einmal geschuldet. In diesem Zusammenhang hat die Vereniging van Educatieve en Weten­schap­pelijke Auteurs (VEWA) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass 80 % der Einrichtungen in der französischen Gemeinschaft Belgiens geltend machten, ein großer Teil ihrer Leser sei auch bei anderen Verleihein­rich­tungen eingetragen, und dass diese Leser daher bei der Zahlung der Vergütung des betreffenden Urhebers nicht berücksichtigt würden.

Regelung würde unter Umständen zu Vergü­tungs­be­freiungen führen

Unter diesen Umständen kann diese Regelung dazu führen, dass zahlreiche Einrichtungen tatsächlich nahezu von der Verpflichtung befreit werden, überhaupt eine Vergütung zu entrichten. Eine solche tatsächliche Befreiung steht jedoch nicht in Einklang mit der Richtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof, wonach nur eine begrenzte Zahl der Kategorien von Einrichtungen, die potenziell zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet sind, von dieser Verpflichtung ausgenommen werden kann.

Erläuterungen
* Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61), kodifiziert durch die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376, S. 28).

Quelle: Gerichtshof der europäischen Union/ra-online

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