18.10.2024
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Dokument-Nr. 3609

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Urteil06.11.2003Gerichtshof der Europäischen UnionC-243/01
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil06.11.2003

"Gambelli-Urteil" - Nationale Verbote für Sportwetten können eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit und des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs darstellenEuGH zum Strafverfahren gegen Piergiorgio Gambelli und 137 weitere Personen

Gesetze, die das Sammeln von Wetten dem Staat oder seinen Konzessionären vorbehalten, müssten gerechtfertigt sein. Dies hat der Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im so genannten "Gambelli-Urteil" entschieden. Das Beharren des Staates auf ein Monopol im Bereich von Sportwetten stelle eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit und des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs dar.

Das innerstaatliche Gericht hat zu prüfen, ob die italienische Regelung tatsächlich den Zielen des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung Rechnung trägt und ob die auferlegten Beschränkungen nicht unver­häl­tismäßig sind.

Piergiorgio Gambelli und 137 weitere Personen betreiben in Italien Daten­über­mitt­lungs­zentren, in denen im italienischen Hoheitsgebiet Sportwetten für Rechnung eines englischen Buchmachers gesammelt werden, mit dem diese Zentren über das Internet in Verbindung stehen. Der Buchmacher, die Stanley International Betting Ltd, betreibt seine Tätigkeiten aufgrund einer von der Stadt Liverpool nach englischem Recht erteilten Lizenz.

In Italien ist diese Tätigkeit dem Staat oder seinen Konzessionären vorbehalten. Jeder Verstoß gegen diese Vorschrift kann eine Strafe von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Aus diesem Grund wurde gegen Herrn Gambelli und die Anderen die Strafverfolgung wegen Veranstaltung und Annahme verbotener Wetten eingeleitet, und die Daten­über­mitt­lungs­zentren wurden beschlagnahmt.

Nach Ansicht von Herrn Gambelli verstoßen die italienischen Bestimmungen gegen die gemein­schafts­recht­lichen Grundsätze der Nieder­las­sungs­freiheit und des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs. Das mit dieser Sache befasste Tribunale Ascoli Piceno hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gefragt, wie die einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags auszulegen seien.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass das italienische Gesetz eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit, des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs und der Freiheit darstellt, von einem Leistungs­er­bringer angebotene Dienst­leis­tungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen.

Zur Möglichkeit einer Rechtfertigung solcher Beschränkungen führt der Gerichtshof aus, dass sie gerechtfertigt sein können, wenn sie unter Berück­sich­tigung der sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und der sittlichen und finanziellen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung erforderlich sind. Außerdem muss das Hauptziel solcher Beschränkungen einem zwingenden Grund des Allge­mein­in­teresses, wie etwa einer Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel, entsprechen.

Mit der Erzielung von Einnahmen für die Staatskasse können sie hingegen nicht begründet werden. Auch dürfen die Beschränkungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, und müssen in nicht­dis­kri­mi­nie­render Weise angewandt werden.

Das italienischen Gericht hat ausgeführt, dass der italienische Staat eine Politik der starken Ausweitung des Spielens und Wettens zum Zweck der Einnah­men­er­zielung verfolge und dabei die Konzessionäre des Staates schütze. Der Gerichtshof stellt hierzu fest, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf die Aufrecht­er­haltung der öffentlichen Ordnung berufen kann, um einschränkende Maßnahmen zu rechtfertigen, wenn er zur Teilnahme an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten mit dem Ziel ermuntert, daraus Einnahmen zu erzielen.

Der Gerichtshof weist dem nationalen Gericht die Aufgabe zu, zu prüfen, ob das Diskri­mi­nie­rungs­verbot beachtet und ob die Voraussetzungen für die Durchführung von Wetten über Sportereignisse in der Praxis von den italienischen Wirtschafts­teil­nehmern leichter erfüllt werden können als von denjenigen aus anderen Mitgliedstaaten. Gegebenenfalls wären diese Voraussetzungen nämlich diskriminierend.

Ferner wird das nationale Gericht zu prüfen haben, ob eine Strafe, die gegen eine Person, die von ihrem Wohnort in Italien aus über das Internet mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher Wetten durchführt, verhängt wird, angesichts dessen, dass der Staat zur Teilnahme an Wetten ermuntert, nicht eine unver­häl­tis­mäßige Sanktion darstellt. Schließlich wird das nationale Gericht prüfen müssen, ob die Strafen, die gegen Vermittler verhängt werden, die die Erbringung von Dienst­leis­tungen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher erleichtern, außer Verhältnis zum Ziel der Betrugs­be­kämpfung stehende Beschränkungen darstellen.

Quelle: ra-online, EuGH

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