15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 1893

Drucken
Urteil13.02.2006Gerichtshof der Europäischen UnionC-226/04 und C-228/04
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil13.02.2006

EuGH entscheidet zum Ausschluss von öffentlicher Ausschreibung wegen Nichtzahlung von Sozialbeiträgen oder Steuern

Der Europäische Gerichtshof hat die Frage entschieden, ob Dienst­leis­tungs­er­bringer, die ihre Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialbeiträgen oder Steuern nicht erfüllt haben, von einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienst­leis­tungs­aufträge ausgeschlossen werden können. Der Gerichtshof legt die Voraussetzungen für eine nachträgliche Regularisierung fest.

Die Unternehmen La Cascina, Zilch und G. f. M antworteten auf eine vom italienischen Vertei­di­gungs­mi­nis­terium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen im Dezember 2002 veröffentlichte Ausschreibung zur Vergabe eines Dienst­leis­tungs­auftrags über Bewirt­schaf­tungs­leis­tungen für im italienischen Hoheitsgebiet verteilte Einrichtungen und Abteilungen des Vertei­di­gungs­mi­nis­teriums.

2003 schloss der öffentliche Auftraggeber diese Unternehmen vom Verfahren aus, weil La Cascina und G. f. M. hinsichtlich der Zahlung der Sozialbeiträge für ihre Arbeitnehmer und Zilch hinsichtlich ihrer Steuern ihre Verpflichtungen nicht erfüllt hätten.

Die drei Unternehmen fochten diese Entscheidung an. La Cascina und G. f. M. machten geltend, sie hätten ihre Situation bei der Sozia­l­ver­si­cherung nachträglich bereinigt. Zilch berief sich auf eine Regularisierung ihrer steuer­recht­lichen Situation, weil ihr eine Steueramnestie und eine Steue­r­ent­lastung zugute gekommen sei.

In diesem Zusammenhang hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio den Gerichtshof gefragt: 1. Zu welchem Zeitpunkt muss ein Dienst­leis­tungs­er­bringer seine Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialbeiträge und Steuern erfüllt haben, um zu einem Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge zugelassen zu werden? 2. Für welchen Zeitpunkt muss er die Erfüllung dieser Verpflichtungen nachweisen? 3. Ist ein Dienst­leis­tungs­er­bringer, der mit der Zahlung seiner Sozialbeiträge oder seiner Steuern im Verzug ist oder dem von den zuständigen Behörden für diese Beiträge oder Steuern Ratenzahlung eingeräumt worden ist oder der mit einem verwal­tungs­recht­lichen oder gerichtlichen Rechtsbehelf das Bestehen oder die Höhe seiner sozia­l­ver­si­cherungs- oder steuer­recht­lichen Verpflichtungen in Frage stellt, als Dienst­leis­tungs­er­bringer anzusehen, der seine sozia­l­ver­si­cherungs- oder steuer­recht­lichen Verpflichtungen nach der Richtlinie über öffentliche Dienst­leis­tungs­aufträge nicht erfüllt hat?

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Richtlinie über öffentliche Dienst­leis­tungs­aufträge sieben abschließend aufgezählte Gründe für einen Ausschluss von Bewerbern von der Teilnahme am Verga­be­ver­fahren vorsieht, darunter, dass der Betreffende seine Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge oder der Steuern und Abgaben nicht erfüllt hat. Die Beurteilung dieser Ausschluss­gründe ist den Mitgliedstaaten überlassen, die jedoch keine weiteren Gründe vorsehen dürfen.

Die Richtlinie enthält keine Definition des Begriffes der mangelnden „Erfüllung ihrer Verpflichtung“, für die folglich das nationale Recht zuständig ist. Demgemäß ist es Sache der Mitgliedstaaten, Inhalt und Umfang der steuer- und sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Vorschriften sowie die Bedingungen ihrer Erfüllung festzulegen.

Das Ende der Frist, innerhalb deren die Betreffenden die Zahlungen geleistet haben müssen, ist daher von den Mitgliedstaaten festzulegen, die dafür einen Zeitpunkt von der Einreichung der Teilnah­meanträge bis zu dem Zeitpunkt wählen können, der der Vergabe des Auftrags vorausgeht2. Die Grundsätze der Transparenz und der Gleich­be­handlung gebieten, dass diese Frist mit absoluter Gewissheit bestimmt und öffentlich bekannt gegeben wird.

Mithin hat ein Bewerber seine Verpflichtungen dann erfüllt, wenn er die seinen Verpflichtungen entsprechenden Zahlungen innerhalb dieser Frist vollständig geleistet hat. Andernfalls muss er innerhalb derselben Frist nachweisen können, dass er Begünstigter von Maßnahmen einer Steueramnestie oder der steuerlichen Milde, wie sie im nationalen Recht vorgesehen sind, oder einer mit der Verwaltung getroffenen Vereinbarung ist oder dass er einen Rechtsbehelf eingelegt hat.

Nationale Rechts­vor­schriften, die davon ausgehen, dass ein Bewerber in diesen Fällen seine Verpflichtungen erfüllt hat, sind mit dem Gemein­schaftsrecht vereinbar.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 09.02.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil1893

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI