14.11.2024
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Dokument-Nr. 12383

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Urteil16.07.1998Gerichtshof der Europäischen UnionC-210/96
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 1998, 3183Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1998, Seite: 3183
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.07.1998

Sechs-Korn-Eier-Fall: Bei der Beurteilung über eine irreführende Lebens­mit­tel­ver­packung ist auf den durch­schnittlich informierten Verbraucher abzustellenEuGH entscheidet über Artikel 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 "über bestimmte Verma­rk­tungs­normen für Eier"

Bei der Beurteilung, ob eine Angabe auf einer Lebens­mit­tel­ver­packung irreführend ist, hat das nationale Gericht darauf abzustellen, wie ein durch­schnittlich Informierter, aufmerksamer und verständiger Durch­schnitts­ver­braucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Dies hat der EuGH entschieden.

Die Klägerin zu 1 (Gut Springenheide GmbH) bringt unter der Bezeichnung "6-Korn - 10 frische Eier" Eier in Fertigpackungen in den Verkehr. Nach den Angaben der Klägerin beträgt der Futteranteil aus den sechs zur Fütterung verwandten Getreidearten 60 % der Futtermischung. Den Eierpackungen ist jeweils ein Einlegezettel beigefügt, auf dem die sich aus dieser Ernährung ergebenden Qualitäten der Eier gerühmt werden. Die Lebens­mit­te­l­über­wa­chungs­stelle übermittelte der Klägerin zu 1 zunächst mehrere Beanstandungen hinsichtlich dieser Bezeichnung und dieses Einlegezettels. Sie forderte sie dann mit Schreiben vom 24. Juli 1989 auf, beide nicht mehr zu verwenden. Gegen ihren Geschäftsführer, den Kläger zu 2, wurde im übrigen am 5. September 1990 ein Bußgeldbescheid erlassen.

Verwal­tungs­gericht stellt Verstoß gegen das Irrefüh­rungs­verbot fest

Das Verwal­tungs­gericht Münster wies eine Feststel­lungsklage der Kläger mit Urteil vom 11. November 1992 mit der Begründung ab, dass die Bezeichnung und die Angaben auf dem Einlegezettel gegen das Irrefüh­rungs­verbot des § 17 Absatz 1 des Lebensmittel- und Bedarfs­ge­gen­stän­de­ge­setzes verstießen.

Oberver­wal­tungs­gericht: Käufer wird irregeführt

Die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Das Berufungs­gericht entschied nämlich, dass die Bezeichnung und der Einlegezettel gegen die gemein­schafts­recht­lichen Vorschriften über die gemeinsame Markt­or­ga­ni­sation für Eier verstießen. In diesem Rahmen lässt eine Gemein­schafts­ver­ordnung aus dem Jahre 1990 "über bestimmte Verma­rk­tungs­normen für Eier" auf Packungen werbewirksame Angaben zu, sofern sie nicht geeignet sind, den Käufer irrezuführen. Die Bezeichnung "6-Korn - 10 frische Eier", die zugleich eine Handelsmarke sei, und der dazugehörende Einlegezettel seien geeignet, einen nicht zu vernach­läs­si­genden Teil der Käuferschaft irrezuführen, da sie fälsch­li­cherweise die Annahme nahelegten, die Hühner würden nur 6-Korn-Fütterung erhalten und die verkauften Eier hätten besondere Qualitäten.

Revision beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht

Die Kläger legten gegen dieses Urteil Revision beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht ein. Nach Ansicht dieses Gerichts lässt sich die Vorschrift über werbewirksame Angaben auf zweierlei Weise auslegen. Sie könne dahin verstanden werden, daß für den irreführenden Charakter der Angaben auf die tatsächliche Erwartung der angesprochenen Verbraucher abzustellen sei; dann sei gegebenenfalls durch eine repräsentative Befragung der Verbraucher oder durch Sachver­stän­di­gen­gut­achten zu ermitteln, welche Erwartung die Verbraucher hegten. Es könne ihr aber auch ein objektivierter, allein juristisch zu inter­pre­tie­render Käuferbegriff zugrunde liegen, der unabhängig von einer bestimmten Verbrau­che­rer­wartung sei. Das vorlegende Gericht möchte also wissen, auf welchen Verbraucher bei der Beurteilung, ob eine Angabe zur Förderung des Verkaufs von Eiern geeignet ist, den Käufer unter Verstoß gegen die Gemein­sch­schafts­ver­ordnung von 1990 irrezuführen, abzustellen ist. Daher hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof der EG Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorzulegen, die der Gerichtshof heute beantwortet.

EuGH: Bei der Frage der Irreführung ist auf den durch­schnittlich informierten, aufmerksamen und verständiger Durch­schnitts­ver­braucher abzustellen

Unter Hinweis auf gemein­schafts­rechtliche Vorschriften, die jede Irreführung des Verbrauchers verhindern sollen, und auf seine Rechtsprechung entscheidet der Gerichtshof, dass das nationale Gericht bei der Beurteilung, ob eine Angabe zur Förderung des Verkaufs von Eiern geeignet ist, den Käufer irrezuführen, darauf abzustellen hat, wie ein durch­schnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durch­schnitts­ver­braucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Hat das nationale Gericht besondere Schwierigkeiten, zu beurteilen, ob die betreffende Angabe irreführen kann, so verbietet das Gemein­schaftsrecht ihm jedoch nicht, dies nach Maßgabe seines nationalen Rechts durch ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten oder eine Verbrau­cher­be­fragung zu ermitteln.

Es ist Sache des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, diesen Grundsatz anzuwenden.

Quelle: ra-online, EuGH (pm/pt)

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