18.10.2024
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Dokument-Nr. 30555

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil08.07.2021

Kein Vertrieb eines rezeptfreien Arzneimittels in andere EU-Staaten ohne GenehmigungAusnahmen in medizinischen Bedarfsfällen möglich

Ein in einem Mitgliedstaat nicht der ärztlichen Verschreibungs­pflicht unterliegendes Arzneimittel darf in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden, wenn auch dieser Mitgliedstaat sein Inver­kehr­bringen genehmigt. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Im März 2019 wiesen die ungarischen Behörden das ungarische Unternehmen Pharma Expressz an, seine Geschäftspraxis zu unterlassen, unter Missachtung der hierfür im ungarischen Recht vorgesehenen Formalitäten in Ungarn Arzneimittel zu vertreiben, deren Inver­kehr­bringen als nicht der ärztlichen Verschrei­bungs­pflicht unterliegendes Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde.

Vertrieb ohne Genehmigung in Ungarn nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich

Nach ungarischem Recht dürfen nämlich Arzneimittel, die über keine von den ungarischen Behörden oder der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für das Inver­kehr­bringen verfügen, nur dann vertrieben werden, wenn ihre Verwendung zu therapeutischen Zwecken den ungarischen Behörden von einem verschreibenden Arzt mitgeteilt wird, der eine Stellungnahme dieser Behörden zu dieser Anwendung einholen muss.

Einhaltung der Formalitäten eventuell Verstoß gegen EU-Recht?

Pharma Expressz hat den Bescheid der ungarischen Behörden beim Fõvárosi Törvényszék (Haupt­städ­tisches Stuhlgericht, Ungarn) angefochten, das den Gerichtshof um Klärung der Frage ersucht, ob es nicht gegen das Unionsrecht verstößt, die Einhaltung dieser Formalitäten für den in Ungarn erfolgenden Vertrieb von Arzneimitteln zu verlangen, deren Inver­kehr­bringen als nicht der ärztlichen Verschrei­bungs­pflicht unterliegende Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde.

EuGH: Ohne Genehmigung des Mitgliedstaats oder der Kommission kein Vertrieb

Der EuGH wies darauf hin, dass nach der Arznei­mit­tel­richt­linie1 ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats oder die Kommission in Anwendung des dafür vorgesehenen zentralisierten Verfahrens eine Genehmigung für das Inver­kehr­bringen erteilt hat. Verfügt ein Arzneimittel also nicht über eine von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem es zum Verkauf angeboten wird, oder eine nach dem zentralisierten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inver­kehr­bringen, darf es in diesem Staat nicht vertrieben werden, und zwar unabhängig davon, dass es in einem anderen Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden darf, durch einen Mitgliedstaat genehmigt wurde, durch einen anderen Mitgliedstaat, der dessen Vertrieb nicht genehmigt hat, ebenfalls als nicht der ärztlichen Verschrei­bungs­pflicht unterliegendes Arzneimittel anzusehen ist, sondern steht ganz im Gegenteil dieser Möglichkeit entgegen.

Ausnahme stellt ordnungsgemäße Umsetzung der Arznei­mit­tel­richtlinie dar

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die sich aus den ungarischen Rechts­vor­schriften ergebenden Formalitäten offenbar die Umsetzung einer in der Arznei­mit­tel­richtlinie vorgesehenen Ausnahme in ungarisches Recht darstellen, die in besonderen medizinischen Bedarfsfällen das Inver­kehr­bringen von Arzneimitteln in einem Mitgliedstaat gestattet, selbst wenn keine von diesem Staat oder der Kommission erteilte Genehmigung für das Inver­kehr­bringen vorliegt. Da Ungarn mit der Einführung dieser Formalitäten eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Ausnahme vorgenommen hat, können sie jedoch nicht als mengenmäßige Einfuhr­be­schrän­kungen oder Maßnahme gleicher Wirkung im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs eingestuft werden.

Anerken­nungs­antrag wurde nicht gestellt

Zu dem in der Arznei­mit­tel­richtlinie vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Genehmigung für das Inver­kehr­bringen stellt der Gerichtshof fest, dass es unter strengen Voraussetzungen durchgeführt wird und davon abhängt, dass der Inhaber einer Genehmigung für das Inver­kehr­bringen eines bestimmten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Anerkennung dieser Genehmigung in den anderen Mitgliedstaaten stellt, was nicht den Umständen der vorliegenden Rechtssache entspricht. Folglich verlangt die Arznei­mit­tel­richtlinie nicht nur nicht, dass ein Arzneimittel, dessen Inver­kehr­bringen als nicht der ärztlichen Verschrei­bungs­pflicht unterliegendes Arzneimittel

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)

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