Dokument-Nr. 3480
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil22.11.2006
Luftsteuer für Balkone ist rechtswidrigGesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt für derartige Sondernutzungsgebühren
Die von der Landeshauptstadt München erhobene Sondernutzungsgebühr (z.T. als sog. "Luftsteuer" bezeichnet) für Balkone, die in den öffentlichen Straßenraum ragen, erwies sich - im konkreten Fall - als rechtswidrig. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall klagte ein Miteigentümer in einer Wohnanlage gegen einen Bescheid über Sondernutzungsgebühren in Höhe von über 10.000 Euro, der an ihn als "Gesamtschuldner für die Wohnungseigentümer" einer Anlage mit ca. 30 Balkonen und einem Vordach adressiert war. Die Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 12. Mai 2005 abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hatte der Kläger jedoch Erfolg; die vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts München wurde abgeändert und der Gebührenbescheid aufgehoben.
Das Gericht gelangt zum Ergebnis, dass grundsätzlich Sondernutzungsgebühren erhoben werden können, jedoch auf Grund der derzeit bestehenden Satzungsregelung nicht in der vorgenommenen Art und Weise. Die Heranziehung eines einzelnen Wohnungseigentümers als Gesamtschuldner von Sondernutzungsgebühren, die die gesamte Wohnanlage betreffen, bedürfe wegen des damit verbundenen Eingriffs in Freiheits- und Eigentumsgrundrechte einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Das Bayerische Straßen- und Wegerecht, Ermächtigungsgrundlage für Sondernutzungs(gebühren)satzungen, sehe jedoch eine entsprechende Befugnis nicht vor. Im Anschluss an die zivilrechtliche Rechtsprechung sei vielmehr die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst als Gebührenschuldner heranzuziehen.
Des Weiteren halte die Vorschrift in der Sondernutzungsgebührensatzung, wonach Sondernutzungen auch dann gebührenpflichtig würden, wenn sie im Gebührenverzeichnis der Satzung nicht aufgeführt seien, der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Insofern liege ein Verstoß gegen das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Normen vor. Denn ein Abgabenpflichtiger könne eine ihn treffende Abgabenpflicht nur ermitteln, wenn er die gebührenpflichtige Nutzungsart kenne. Die einschlägigen Bestimmungen würden aber nur einen Teil der Nutzungsarten regeln und im Übrigen die entsprechende Anwendung solcher geregelter Tatbestände anordnen, die den nicht geregelten Tatbeständen am ähnlichsten seien. Dies sei mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabenschuld nicht mehr vereinbar. Im Übrigen begegne die Sondernutzungsgebührensatzung grundsätzlichen Bedenken, weil bei der Inanspruchnahme des Luftraums über der Straße keine Abstufung der Gebühren vorgenommen sei. Bei Sondernutzungen für die Inanspruchnahme des Luftraums über öffentlichen Straßen außerhalb des Verkehrsraums (z.B. Balkon) sei die Gebührenschuld grundsätzlich nur nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gebührenschuldners zu bemessen. Denn eine nennenswerte Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sei angesichts der Höhe der Einwirkung in den Luftraum - deutlich über Fußgängerhöhe - und dem relativ geringen Vorspringen in den Luftraum über der Straße (beim Vordach ,4 m und bei den Balkonen 1,2 m) nicht messbar. Das wirtschaftliche Interesse selbst dürfe nur bis zu der Grenze herangezogen werden, innerhalb der der Träger der Straßenbaulast noch ein Interesse am Ausschluss von Einwirkungen auf den Luftraum (etwa bis zur Höhe von straßenbegleitenden Bäumen, Straßenlampen oder Oberleitungsmasten von Straßenbahnen) über der Straße haben könne.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.12.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Bayern vom 06.12.2006
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