15.11.2024
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Dokument-Nr. 2172

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Urteil04.04.2006Bayerischer Verwaltungsgerichtshof4 N 04.2798 und 4 N 05.2249
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil04.04.2006

Bayerischer VGH bestätigt Rechtmäßigkeit der Zweit­woh­nung­steuer

Mit zwei Urteilen hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof die Rechtmäßigkeit der Zweit­woh­nung­s­teu­er­sat­zungen zweier Fremden­ver­kehrs­ge­meinden (Stadt Tegernsee und Gemeinde Aschau) bestätigt.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass bayerische Gemeinden grundsätzlich berechtigt sind, auf der Grundlage des Kommu­na­l­ab­ga­ben­ge­setzes Satzungen über die Erhebung einer Zweit­woh­nung­steuer zu erlassen. Seit 1989 war es den bayerischen Gemeinden zwar gesetzlich verboten, eine Steuer auf das Innehaben einer Wohnung zu erheben. Mit der Aufhebung dieses Verbots im Sommer 2004 wollte der Gesetzgeber jedoch angesichts leerer kommunaler Kassen den Gemeinden eine weitere Einnahmequelle erschließen. Das Gericht betont, dass es nicht diese politische Entscheidung zu bewerten hat. Ihm kommt im Normen­kon­troll­ver­fahren allein die Prüfung zu, ob die beiden angegriffenen Satzungen mit höherrangigem Recht zu vereinbaren sind.

Aus der Sicht des Bayrischen Verwal­tungs­ge­richtshofs bestehen keine Zweifel daran, dass die bayerischen Gemeinden nach den finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Vorgaben des Grundgesetzes und den landes­recht­lichen Vorschriften grundsätzlich berechtigt sind, eine Zweit­woh­nung­steuer zu erheben. Die Rechtslage stellt sich damit nicht anders dar als etwa in den Ländern Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein, in denen - durch die oberge­richtliche und höchst­rich­terliche Rechtsprechung bestätigt - seit über 30 Jahren Eigentümer und Mieter von Zweitwohnungen zur Steuer herangezogen werden. Anknüp­fungspunkt für diese Steuer ist der besondere finanzielle Aufwand, den der Steuer­pflichtige betreibt, indem er neben seiner Hauptwohnung eine weitere Wohnung für seine persönliche Lebensführung nutzt bzw. zur eigenen Nutzung vorhält. Die dauerhafte Vermietung von Zweitwohnungen (reine Kapitalanlage) fällt demgegenüber nicht unter die Zweit­woh­nung­steuer.

Das Gericht hat die Satzungen der Stadt Tegernsee und der Gemeinde Aschau, die im Wesentlichen identisch sind, in ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung nicht beanstandet. Das Gericht hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass den Gemeinden beim Erlass derartiger Satzungen ein weiter Gestal­tungs­spielraum zukommt, zumal der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, den Gemeinden konkrete Vorgaben etwa zum Steuermaßstab und Steuersatz zu machen. Auch hat er - was ihm rechtlich zusteht - keinen Geneh­mi­gungs­vor­behalt für die gemeindlichen Satzungen vorgesehen. Der den Gemeinden eingeräumte weite Gestal­tungs­spielraum führt zwangsläufig zu einem beschränkten rechtlichen Überprü­fungs­rahmen für das Gericht. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts ist diesem insbesondere die Prüfung verwehrt, ob der Satzungsgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat; das Gericht ist vielmehr auf eine Rechtskontrolle beschränkt.

Ein unzulässiges Überschreiten des gemeindlichen Gestal­tungs­spielraums konnte der Verwal­tungs­ge­richtshof nicht feststellen. Das Anknüpfen der Steuer an die Jahres­net­to­kaltmiete - einer von mehreren möglichen Steuermaßstäben - und deren Schätzung durch die Gemeinde bei selbstgenutzten Eigen­tums­woh­nungen ist unbedenklich; dieser Maßstab lässt Rückschlüsse auf den Aufwand zu, der mit der Steuer erfasst werden soll. Auch die von den Gemeinden gewählte Staffelung der Steuersätze in 7 Stufen, die eine Jahressteuer von 110 € bis zu 7.200 € umfasst, hält sich im vorgegebenen rechtlichen Rahmen. Der Senat verkennt nicht, dass bei diesem System ein nur geringfügiges Überschreiten einer Stufe zur Verdoppelung der Steuer führt, was von den Betroffenen verständ­li­cherweise als ungerecht empfunden wird. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass gerade bei einer pauscha­lie­renden Regelung in den "Grenzbereichen" unvermeidliche Härten auftreten; sie sind deswegen aber noch nicht mit dem Gleich­be­hand­lungs­grundsatz unvereinbar. Es gilt hierfür nichts anderes als etwa bei Stich­tags­re­ge­lungen oder Grenzwerten. Entscheidet sich der Satzungsgeber zulässigerweise aus Gründen der Verwal­tungs­ver­ein­fachung dafür, den Aufwand für Zweitwohnungen zu schätzen, so entspricht es dieser Entscheidung, beim Steuersatz - pauschal - Gruppen zu bilden. Damit werden im Rahmen der Veranlagung Unschärfen bei der "centgenauen" Ermittlung der Jahres­net­to­kaltmiete abgemildert. Dem kommunalen Satzungsgeber steht es grundsätzlich frei, die Zahl der Staffelungen zu erhöhen - aber auch zu verringern - ebenso wie er sich für einen degressiven Tarif hätte entscheiden können. Rechtlich verpflichtet ist er dazu jedoch nicht.

Der Höchst­steu­ersatz von 7.200 € erscheint absolut gesehen sehr hoch, jedoch ist er mit dem ebenfalls sehr hohen jährlichen Mietaufwand von mehr als 40.000 € in Relation zu setzen. Wer zum Zweck der persönlichen Lebensführung bereit und in der Lage ist, einen derartigen Aufwand zu treiben, ist finanziell besonders leistungsfähig. Es kann daher ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die Zweit­woh­nung­steuer in diesen - in der Praxis ohnehin sehr seltenen Fällen (derzeit in Tegernsee 3 Fälle, in Aschau keiner) - konfiskatorisch wirkt und das Eigen­tums­grundrecht verletzt.

Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass mit den vorliegenden Normen­kon­trol­l­ent­schei­dungen nur die abstrakt-generellen Regelungen der o.g. Gemeinden als rechtlich unbedenklich eingestuft worden sind. Damit ist aber noch nicht abschließend entschieden, ob die Erhebung der Zweit­woh­nung­steuer in jedem Einzelfall rechtmäßig ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des BayVGH vom 04.04.2006

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