Dokument-Nr. 9214
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil20.01.2010
Bayerischer VGH: Ausweisung eines Türken nach erfolgreicher Verhaltenstherapie unverhältnismäßigKeine Gefahr für öffentliche Ordnung erkennbar, die Ausweisung rechtfertigen würde
Die Ausweisung eines Türken nach erfolgreicher Verhaltenstherapie aufgrund einer Verurteilung wegen Körperverletzung und 15 Jahre Aufenthalt in Deutschland ist unverhältnismäßig. Dies entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
Im zugrunde liegenden Fall wendete sich der Kläger gegen eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet, die die Landeshauptstadt München im Jahr 2005 verfügt hatte. Der Kläger ist ein türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1995 zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau, die ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, gezogen ist. Seine Frau arbeitete damals in einer Privatklinik. Im Jahr 1996 kündigte sie das Arbeitsverhältnis, um sich eine neue Stelle zu suchen. Nachdem sie schwanger war, sah sie davon aber ab und blieb bis Anfang 1999 zu Hause. Dann nahm sie wieder eine Berufstätigkeit auf. Der Kläger wurde zwischen 1994 und 2005 mehrfach wegen verschiedener Körperverletzungsdelikte verurteilt. Z. B. verletzte er im Jahr 2000 seine Ehefrau mit einem Messer am Arm und schlug sie mehrfach. Sie zog daraufhin mit der Tochter in ein Frauenhaus. Im Jahr 2002 wurde die eheliche Lebensgemeinschaft jedoch wieder aufgenommen. Wegen eines Vorfalls im Jahr 2003 wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Er hatte wegen des Vorwurfs, dass er ihr Auto berührt habe, eine Pkw-Fahrerin, deren Verlobten und einen Passanten, der Hilfe leisten wollte, mit Faustschlägen und Fußtritten angegriffen. In der Haft nahm er an einer Gewalt-Präventions-Gruppe teil. Nach Haftentlassung hat er mit insgesamt 50 Sitzungen eine Verhaltenstherapie absolviert. Er lebt wieder mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter zusammen und kümmert sich ernsthaft um die Tochter.
Stabiles familiäres Umfeld und erfolgreiche Therapie lassen Ausweisung nicht zu
Der Verwaltungsgerichtshof hat das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts und den Ausweisungsbescheid aufgehoben. Es hat festgestellt, dass der Kläger nur auf Grund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürfe. Ihm stehe ein erhöhter Ausweisungsschutz zu, da seine Ehefrau trotz der über zwei Jahre dauernden Unterbrechung der Berufstätigkeit dem regulären Arbeitsmarkt i.S.d. Assoziationsabkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Union angehört habe. Die Unterbrechung der Berufstätigkeit sei nur vorübergehend gewesen und habe die Entstehung eines entsprechenden Rechts nicht gehindert. Die Ermessensentscheidung der beklagten Stadt sei zwar bei Erlass der Ausweisungsverfügung rechtmäßig gewesen, nunmehr ergebe aber die anzustellende Gefahrprognose, dass vom Kläger keine Gefahren für die öffentliche Ordnung mehr ausgingen, die eine Ausweisung rechtfertigen würden. Der Kläger habe erfolgreich eine Verhaltenstherapie absolviert. Außerdem müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger schon über 15 Jahre im Bundesgebiet und jetzt auch in stabilen sozialen Familienverhältnissen lebt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.02.2010
Quelle: ra-online, Landesanwaltschaft Bayern
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