15.11.2024
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Dokument-Nr. 9214

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil20.01.2010

Bayerischer VGH: Ausweisung eines Türken nach erfolgreicher Verhal­tens­therapie unver­hält­nismäßigKeine Gefahr für öffentliche Ordnung erkennbar, die Ausweisung rechtfertigen würde

Die Ausweisung eines Türken nach erfolgreicher Verhal­tens­therapie aufgrund einer Verurteilung wegen Körper­ver­letzung und 15 Jahre Aufenthalt in Deutschland ist unver­hält­nismäßig. Dies entschied der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof

Im zugrunde liegenden Fall wendete sich der Kläger gegen eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet, die die Landes­hauptstadt München im Jahr 2005 verfügt hatte. Der Kläger ist ein türkischer Staats­an­ge­höriger, der im Jahr 1995 zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau, die ebenfalls türkische Staats­an­ge­hörige ist, gezogen ist. Seine Frau arbeitete damals in einer Privatklinik. Im Jahr 1996 kündigte sie das Arbeits­ver­hältnis, um sich eine neue Stelle zu suchen. Nachdem sie schwanger war, sah sie davon aber ab und blieb bis Anfang 1999 zu Hause. Dann nahm sie wieder eine Berufstätigkeit auf. Der Kläger wurde zwischen 1994 und 2005 mehrfach wegen verschiedener Körper­ver­let­zungs­delikte verurteilt. Z. B. verletzte er im Jahr 2000 seine Ehefrau mit einem Messer am Arm und schlug sie mehrfach. Sie zog daraufhin mit der Tochter in ein Frauenhaus. Im Jahr 2002 wurde die eheliche Lebens­ge­mein­schaft jedoch wieder aufgenommen. Wegen eines Vorfalls im Jahr 2003 wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Er hatte wegen des Vorwurfs, dass er ihr Auto berührt habe, eine Pkw-Fahrerin, deren Verlobten und einen Passanten, der Hilfe leisten wollte, mit Faustschlägen und Fußtritten angegriffen. In der Haft nahm er an einer Gewalt-Präventions-Gruppe teil. Nach Haftentlassung hat er mit insgesamt 50 Sitzungen eine Verhal­tens­therapie absolviert. Er lebt wieder mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter zusammen und kümmert sich ernsthaft um die Tochter.

Stabiles familiäres Umfeld und erfolgreiche Therapie lassen Ausweisung nicht zu

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat das klageabweisende Urteil des Verwal­tungs­ge­richts und den Auswei­sungs­be­scheid aufgehoben. Es hat festgestellt, dass der Kläger nur auf Grund einer Ermes­sen­s­ent­scheidung ausgewiesen werden dürfe. Ihm stehe ein erhöhter Auswei­sungs­schutz zu, da seine Ehefrau trotz der über zwei Jahre dauernden Unterbrechung der Berufstätigkeit dem regulären Arbeitsmarkt i.S.d. Assozia­ti­o­ns­ab­kommens zwischen der Türkei und der Europäischen Union angehört habe. Die Unterbrechung der Berufstätigkeit sei nur vorübergehend gewesen und habe die Entstehung eines entsprechenden Rechts nicht gehindert. Die Ermes­sen­s­ent­scheidung der beklagten Stadt sei zwar bei Erlass der Auswei­sungs­ver­fügung rechtmäßig gewesen, nunmehr ergebe aber die anzustellende Gefahrprognose, dass vom Kläger keine Gefahren für die öffentliche Ordnung mehr ausgingen, die eine Ausweisung rechtfertigen würden. Der Kläger habe erfolgreich eine Verhal­tens­therapie absolviert. Außerdem müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger schon über 15 Jahre im Bundesgebiet und jetzt auch in stabilen sozialen Famili­en­ver­hält­nissen lebt.

Quelle: ra-online, Landesanwaltschaft Bayern

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