14.11.2024
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Dokument-Nr. 3954

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Urteil15.03.2007BundesverwaltungsgerichtBVerwG 3 C 35.06
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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.03.2007

Staat darf freie Träger der Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ratung nicht verdrängen

Ein Land darf die Förderung einer Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ra­tungs­stelle in freier Trägerschaft nicht mit der Begründung ablehnen, die Beratungsstelle sei nicht erforderlich, weil der bestehende Beratungsbedarf ganz oder weitgehend durch die bei den Gesund­heit­s­ämtern angestellten Beratungskräfte gedeckt werden könne. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dies verletze die im Schwan­ger­schafts­kon­flikt­gesetz ausgesprochene Verpflichtung des Landes, ein ausreichendes plurales Angebot wohnortnaher Beratungs­stellen sicherzustellen.

Geklagt hatte ein gemeinnütziger Verein, der bundesweit in den Bereichen Sexualberatung, Sexualpädagogik und Familienplanung ohne partei­po­li­tische oder religiöse Bindungen tätig ist. Sein Antrag, als Einzugsbereich seiner in Fürsten­feldbruck westlich von München betriebenen Beratungsstelle die umliegenden vier Landkreise festzulegen und ihn finanziell zu fördern, war vom beklagten Land abgelehnt worden, weil der Bedarf zu einem großen Teil schon durch die bei den vier Gesund­heit­s­ämtern beschäftigten Beraterinnen und Berater und im übrigen durch je eine katholisch und evangelisch geprägte Beratungsstelle gedeckt werde. Die Vorinstanzen haben diese Entscheidung für rechtswidrig erklärt und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat dies damit begründet, die Beratungsstelle der Klägerin sei erforderlich. Das Gebot eines pluralen Beratungs­an­gebots verbiete die volle Anrechnung der bei den Gesund­heit­s­ämtern gesetzlich festgelegten Beratungs­ka­pa­zitäten von je zwei Fachkräften und einem Arzt; diese dürften im Falle der Konkurrenz mit freien Trägern nur bis zur Hälfte des Bedarfs berücksichtigt werden, weil anderenfalls sonstige Träger weitgehend verdrängt würden. Selbst in dem hier streitigen Einzugsbereich mit hoher Bevöl­ke­rungszahl sei bei voller Anrechung nur Platz für eine einzige Beratungsstelle in freier Trägerschaft; in ländlichen Bereichen bleibe überhaupt kein offener Bedarf.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat die Revision des Beklagten jetzt zurückgewiesen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Verwal­tungs­ge­richtshof die Beratungs­mög­lich­keiten in München, wo die Klägerin eine große Beratungsstelle unterhält, bei der Beurteilung des bestehenden Beratungs­an­gebots nicht berücksichtigt habe. Das Berufungs­gericht habe in dem landesrechtlich geregelten Einzugsbereich eine Konkretisierung der bundesrechtlich vorge­schriebenen Wohnortnähe gesehen. Hierzu sei der Landes­ge­setzgeber durch das Schwan­ger­schafts­kon­flikt­gesetz ermächtigt. Es sei auch richtig, dass das bundes­rechtliche Erfordernis eines pluralen Beratungs­an­gebots verfehlt werde, wenn der Staat durch den Umfang seiner Beratungs­ka­pa­zitäten den Markt verstopfe und anderen Trägern unter Berufung auf die Deckung des Bedarfs den Zugang verwehre. Die dem Staat auferlegte weltan­schauliche Neutralität sei nicht identisch mit der weltan­schau­lichen Vielfalt, auf die das Merkmal der Pluralität ziele. Die Grenze der Anrechnung bei der Hälfte des Bedarfs habe der Verwal­tungs­ge­richtshof dem Landesrecht entnommen. Bundesrechtlich sei dagegen nichts zu erinnern.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/07 des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2007

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