Dokument-Nr. 4159
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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.04.2007
Lastentragungspflicht der Länder aufgrund von Menschenrechtsverletzung gilt auch für Altfälle
Hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg die Bundesrepublik Deutschland wegen einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Zahlung einer Entschädigung an den Verletzten verurteilt, so müssen die Länder nach der im Zuge der Föderalismusreform 2006 getroffenen Regelung die Entschädigung letztlich bezahlen, wenn die Verletzung durch Gerichte des Landes erfolgte. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass dies auch für Altfälle gilt.
Der Bund hatte in drei Fällen Entschädigungen an die Verletzten wegen überlanger Dauer von Gerichtsverfahren gezahlt, in einem weiteren Fall, weil ein deutsches Gericht die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus formalen Gründen nicht überprüft hat. In einer fünften Sache war Deutschland verurteilt worden, weil ein Gericht eine – an sich begründete – Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers nicht befristet hatte, in einer sechsten, weil einem Untersuchungshäftling nur unzureichende Akteneinsicht gewährt worden war. Im siebten Fall schließlich hatte ein deutsches Gericht in einem Zivilprozess nach Auffassung des Menschenrechtsgerichtshofs die Beweislastverteilung zwischen den Streitparteien falsch beurteilt und damit die Rechtsposition der Klägerin menschenrechtswidrig verkürzt.
In vier dieser Fälle verlangte der Bund vom Freistaat Bayern und in den anderen drei Fällen vom Land Berlin Erstattung, weil die jeweilige Verletzung der Menschenrechtskonvention von Gerichten dieses Landes verursacht worden sei. Die Länder lehnten dies ab, weil es an einer rechtlichen Grundlage fehle. Zwar sei eine solche Rechtsgrundlage mit dem sogenannten Lastentragungsgesetz im Zuge der Föderalismusreform im Jahre 2006 geschaffen worden. Das neue Gesetz sei jedoch auf Altfälle wie die vorliegenden nicht anwendbar.
Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Zur Begründung verweist es darauf, dass Bund und Länder mit der Föderalismusreform den zuvor zwischen ihnen bestehenden Streit abschließend beilegen wollten; das umfasse notwendig auch die Altfälle, weshalb die Länder auch insofern grundsätzlich zur Erstattung verpflichtet seien. Das setzt nach dem Lastentragungsgesetz allerdings voraus, dass die Entschädigung wegen einer Verletzung gezahlt wurde, für die ein Gericht des jeweiligen Landes verantwortlich ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass es insofern allein auf die Feststellungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ankommt; das Land kann nicht einwenden, der Gerichtshof habe falsch entschieden. Liegt die Rechtsverletzung in einem Urteil eines Gerichts des Landes, so muss der Bund gleichwohl die Hälfte der Entschädigung tragen, wenn das Urteil von einem Gericht des Bundes – auch etwa dem Bundesverfassungsgericht – bestätigt worden war; das setzt aber eine Vollprüfung des Urteils voraus. Liegt die Rechtsverletzung dagegen in der Verfahrensweise, nämlich in der überlangen Dauer eines Gerichtsverfahrens, so müssen Bund und Länder die Entschädigung nach dem Lastentragungsgesetz im Verhältnis der Anteile tragen, in welchem Bundes- und Landesgerichte zu der überlangen Verfahrensdauer beigetragen hatten. Diese Aufteilungsregel ist nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rein schematisch zu verstehen. Weil die Voraussetzungen für die Erstattung in allen sieben Fällen vorlagen, hat das Bundesverwaltungsgericht dem Bund jeweils Recht gegeben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 25/07 des BVerwG vom 26.04.2007
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