18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 7168

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Urteil18.12.2008BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 27.07
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Bundesverwaltungsgericht Urteil18.12.2008

Bundes­ver­wal­tungs­gericht zur Flücht­lings­a­n­er­kennung aufgrund selbst geschaffener Nachflucht­gründe

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat sich erstmals in einem Revisi­ons­ver­fahren mit der Frage befasst, wann bei asylrechtlichen Folgeanträgen, die auf weitere exilpolitische Aktivitäten gestützt sind, eine Flücht­lings­a­n­er­kennung in Betracht kommt.

Das Verfahren betrifft den Fall eines türkischen Asylbewerbers kurdischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit, der seinen im Jahr 1998 gestellten ersten Asylantrag mit politischen Aktivitäten in der Türkei begründete. Während des Asylverfahrens veröffentlichte er unter einem Pseudonym Beiträge in einer in Deutschland erscheinenden Zeitschrift, die von den türkischen Behörden als Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angesehen wird. Der Antrag wurde rechtskräftig abgelehnt.

In der Folgezeit setzte der Asylbewerber seine Veröf­fent­li­chungen - nunmehr unter eigenem Namen - fort. Auf seinen darauf gestützten Folgeantrag erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihn im März 2004 als Flüchtling an. Hiergegen erhob der Bundes­be­auf­tragte für Asylan­ge­le­gen­heiten Klage. Das Berufungs­gericht hat wegen des nunmehr festgestellten exponierten prokurdischen Engagements des Asylbewerbers die Gefahr politischer Verfolgung in der Türkei bejaht. Die Flücht­lings­a­n­er­kennung sei auch im Hinblick auf den seit 1. Januar 2005 geltenden Regelaus­schluss­tat­bestand des § 28 Abs. 2 Asylver­fah­rens­gesetz (AsylVfG) gerechtfertigt.Danach darf die Flücht­lings­ei­gen­schaft in einem Asylfol­ge­ver­fahren in der Regel nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer den Folgeantrag auf Umstände stützt, die er selbst geschaffen hat. Es liege ein Ausnahmefall vor, denn die journalistische Tätigkeit des Asylbewerbers stelle sich als Ausdruck und Fortführung seiner bereits in der Türkei erkennbar betätigten Überzeugung dar.

Der 10. Senat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hat das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Gesetzgeber in § 28 Abs. 2 AsylVfG Nachflucht­gründe, die nach Abschluss des ersten Asylverfahrens von dem Betreffenden selbst geschaffen wurden, unter Missbrauchs­verdacht gestellt hat. Dabei kann die Kontinuität der nach außen betätigten politischen Überzeugung ein Indiz gegen einen Missbrauch des Flücht­lings­schutzes sein, ohne indessen allein zur Widerlegung der Regelvermutung auszureichen. Vielmehr muss der Asylbewerber gute Gründe dafür anführen, warum er nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmalig exilpolitisch aktiv geworden ist oder seine bisherigen Aktivitäten intensiviert hat. Die Regelung steht auch mit den gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben sowie der Genfer Flücht­lings­kon­vention in Einklang. Denn die in Deutschland geltenden Abschie­bungs­verbote gewähren dem Ausländer in jedem Fall ausreichenden Schutz. Das Berufungs­gericht wird das Vorliegen eines Ausnahmefalles nach diesen Grundsätzen erneut prüfen müssen. Deshalb wurde der Rechtsstreit an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 88/08 des BVerwG vom 18.12.2008

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