18.10.2024
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Dokument-Nr. 9486

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Bundesverwaltungsgericht Urteil28.03.2010

BVerwG: Keine Berück­sich­tigung bloßer Fiktionszeiten bei der Nieder­las­sungs­er­laubnisBei Verlän­ge­rungs­antrag darf es nicht zu materiell-rechtlicher Besserstellung gegenüber sofort entschiedener Fälle kommen

Die Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis setzt nach § 26 Abs. 4 Aufent­halts­gesetz u.a. voraus, dass der Ausländer "seit sieben Jahren" im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis aus humanitären Gründen ist. In diesen Zeitraum sind die Zeit vom Ablauf der letzten Aufent­halt­s­er­laubnis bis zur Entscheidung der Auslän­der­behörde über die beantragte Verlängerung oder Erteilung eines humanitären Aufent­halt­s­titels nicht einzubeziehen bzw. anzurechnen. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Der Entscheidung liegt der Fall eines im Mai 2000 nach Deutschland eingereisten Irakers zugrunde, der hier als Flüchtling anerkannt wurde und deshalb fortlaufend jeweils befristete Aufent­halt­s­er­laubnisse erhielt, zuletzt bis September 2006. Seine Flücht­lings­a­n­er­kennung wurde im Mai 2006 bestandskräftig widerrufen. Den im September 2006 gestellten Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und den im Mai 2007 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lehnte die Auslän­der­behörde mit Bescheid vom 2. August 2007 ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Irak an. Das Verwal­tungs­gericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger könne nach Widerruf der Flücht­lings­a­n­er­kennung eine Aufent­halt­s­er­laubnis aus humanitären Gründen nicht mehr beanspruchen. Für die Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis aus humanitären Gründen fehle es schon an dem erforderlichen Besitz eines Aufent­halt­s­titels seit sieben Jahren, da der Kläger nur über anrechenbare Zeiten von sechs Jahren und vier Monaten verfüge. Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat dagegen dem Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis zuerkannt. Nach seiner Auffassung ist die Zeit der Fiktionswirkung des Verlän­ge­rungs­antrags von September 2006 bis August 2007 der Zeit des Titelbesitzes gleichzustellen und auf die Sieben­jah­resfrist anzurechnen.

Keine Einbeziehung der Fiktionszeiten in Sieben­jah­resfrist bei fehlendem materiell-rechtlichen Anspruch auf Aufent­halt­stitel

Die dagegen gerichtete Revision der Landes­an­walt­schaft Bayern hatte Erfolg. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dass Fiktionszeiten, in denen kein materiell-rechtlicher Anspruch auf einen Aufent­halt­stitel besteht, nicht in die Sieben­jah­resfrist einzubeziehen sind. Sinn und Zweck der Fiktionswirkung des Verlän­ge­rungs­antrags ist es, dem Ausländer die bisherige Rechtsstellung während des Verwal­tungs­ver­fahrens zu erhalten, insbesondere hinsichtlich der Erwer­b­s­tä­tigkeit und sonstiger sozialer Rechte. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung aber nicht bezweckt, den Ausländer materiell-rechtlich besser zu stellen, als wenn sogleich über seinen Verlän­ge­rungs­antrag entschieden worden wäre. Entgegen der Ansicht des Verwal­tungs­ge­richtshofs entstehen bei Nichtanrechnung der Fiktionszeit für den Ausländer im Fall einer verspäteten Entscheidung der Auslän­der­behörde auch keine ungerecht­fer­tigten Nachteile. Denn im Rahmen des Anspruchs auf Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis ist nach der Rechtsprechung des Senats inzident zu prüfen, ob dem Ausländer nach Ablauf der bisherigen Aufent­halt­s­er­laubnis weiterhin bis zur gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf einen befristeten oder unbefristeten humanitären Aufent­halt­stitel zustand. In diesem Fall sind die während des Verfahrens zurückgelegten Zeiten - unabhängig von der Fiktionswirkung - den Titel­be­sitz­zeiten gleichzustellen und auf die Sieben­jah­resfrist anzurechnen. Da dem Kläger vorliegend ein derartiger Anspruch nach Ablauf der Geltungsdauer seiner bisherigen Aufent­halt­s­er­laubnis nicht zustand und es damit an dem erforderlichen siebenjährigen Besitz einer humanitären Aufent­halt­s­er­laubnis fehlte, war das klageabweisende Urteil des Verwal­tungs­ge­richts wieder­her­zu­stellen.

Quelle: ra-online, Bundesverwaltungsgericht

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