24.11.2024
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Dokument-Nr. 4756

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Urteil09.08.2007BundesverwaltungsgerichtBVerwG 1 C 47.06
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Bundesverwaltungsgericht Urteil09.08.2007

Ausländer darf aufgrund von Verfah­rens­fehlern in Deutschland bleibenVerstoß gegen die Verfah­rens­ga­rantie in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat eine vom Regie­rungs­prä­sidium Karlsruhe verfügte Ausweisung eines türkischen Staats­an­ge­hörigen wegen eines unheilbaren Verfah­rens­fehlers für rechtswidrig erklärt. Geklagt hatte ein 1975 in Karlsruhe als Kind türkischer Arbeitnehmer geborener türkischer Staats­an­ge­höriger, der sich auf ein Aufent­haltsrecht nach dem Assozia­ti­o­ns­ab­kommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei (hier: nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assozia­ti­o­nsrats - ARB 1/80) berufen hat.

Er war im Februar 2004 in Karlsruhe wegen schweren gemein­schaft­lichen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und deshalb im September 2004 vom Regie­rungs­prä­sidium ausgewiesen worden. Seit seiner Entlassung aus dem Strafvollzug im Juli 2007 lebt der Kläger wieder bei seiner Familie in Karlsruhe.

Das Verwal­tungs­gericht hatte die Ausweisung wegen Verstoßes gegen die Verfah­rens­ga­rantie in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG aufgehoben, wonach - außer in dringenden Fällen - eine zweite unabhängige Stelle vor Ausspruch der Ausweisung zu beteiligen ist. Nachdem das behördliche Wider­spruchs­ver­fahren bei der Ausweisung von Straftätern in Baden-Württemberg abgeschafft worden sei, genüge die allein vom Regie­rungs­prä­sidium geprüfte und verfügte Ausweisung diesen Anforderungen nicht. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim hat die Ausweisung dagegen als rechtmäßig bestätigt. Er war der Auffassung, dass der Kläger sich auf die gemein­schafts­recht­lichen Verfah­rens­ga­rantien schon deshalb nicht berufen könne, weil er sein assozia­ti­o­ns­recht­liches Aufent­haltsrecht als Kind eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 durch Aufnahme einer selbständigen Erwer­b­s­tä­tigkeit im Gebraucht­wa­gen­handel im Jahre 1999 verloren habe.

Mit seinem im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteil hat der 1. Senat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts das Berufungsurteil geändert und die erstin­sta­nzliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt. Er hat entschieden, dass das nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg (EuGH) aus Art. 7 ARB 1/80 abzuleitende Aufent­haltsrecht des Klägers nicht durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erloschen ist, und insoweit auf die inzwischen dazu ergangene weitere Rechtsprechung des EuGH verwiesen. Danach erlöschen die Aufent­halts­rechte assozia­ti­o­ns­rechtlich privilegierter türkischer Familien­an­ge­höriger nur, wenn sie die Auswei­sungs­vor­aus­set­zungen nach Art. 14 ARB 1/80 erfüllen oder Deutschland für einen nicht unbeträcht­lichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen haben. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat ferner ausgeführt, dass der vom Verwal­tungs­gericht zutreffend festgestellte Verstoß gegen die gemein­schafts­rechtliche Verfah­rens­ga­rantie nach Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht dadurch nachträglich geheilt worden ist, dass diese Vorschrift mit Wirkung vom 30. April 2006 durch die Unionsbürger-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (2004/38/EG) aufgehoben worden ist. Die Ersetzung der alten durch neue, inhaltlich abweichende Verfah­rens­ga­rantien vermag die Fehler­haf­tigkeit der unter der Geltung des alten Rechts verfügten Ausweisung nicht zu heilen. Maßgeblich ist hier das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwal­tungs­ver­fahrens geltende Verfahrensrecht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 55/07 des BVerwG vom 28.08.2007

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