15.11.2024
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Dokument-Nr. 5159

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Urteil15.11.2007BundesverwaltungsgerichtBVerwG 1 C 45.06
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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.11.2007

Neuer Zeitpunkt für die Beurteilung der Ausweisung von Ausländern

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat entschieden, dass bei Ausweisungen von Ausländern Änderungen der Sach- und Rechtslage von den Tatsa­chen­ge­richten zu berücksichtigen sind. Bisher hatte der für das Ausländerrecht zuständige 1. Senat aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur bei EU-Bürgern und weiteren gemein­schafts­rechtlich privilegierten Ausländern die Berück­sich­tigung nachträglicher Veränderungen verlangt. Durch hiesige Entscheidung wird die bisherige Rechtsprechung, wonach bei den übrigen Ausländern (sog. Drittstaater) auf den Zeitpunkt der behördlichen Auswei­sungs­ver­fügung abzustellen ist, aufgegeben und der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung nunmehr auch für diese Ausländer ins gerichtliche Verfahren verlagert.

In dem Verfahren vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht ging es um die Ausweisung eines 32-jährigen jugoslawischen Staats­an­ge­hörigen, der im Alter von 18 Jahren nach Deutschland gekommen war und 1999 eine unbefristete Aufent­halt­s­er­laubnis erhalten hatte. Im November 2002 wurde er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, nachdem er wegen Geldwäsche zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden war. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hob die Ausweisung hingegen auf. Er stellte bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Wider­spruchs­be­scheides ab und hielt die Ausweisung angesichts der besonderen Umstände der Tat sowie der Integration des seit 1993 erwerbstätigen Klägers für unver­hält­nismäßig.

Auf die Revision des beklagten Landes hat der 1. Senat entschieden, dass nunmehr in allen Auswei­sungs­ver­fahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsa­chen­ge­richte abzustellen ist. Das gilt ab Inkrafttreten des Richt­li­ni­e­n­um­set­zungs­ge­setzes im August 2007. Der Senat hat dies im Wege einer Gesamtschau insbesondere auf zwei Gründe gestützt. Zum einen ist nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Verhält­nis­mä­ßigkeit von Ausweisungen im Hinblick auf einen möglichen Eingriff in das Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) eine Prüfung nach den aktuellen Verhältnissen erforderlich. Zum anderen verlangen inzwischen auch einige der dem Richt­li­ni­e­n­um­set­zungs­gesetz zugrun­de­lie­genden EU-Richtlinien von den Gerichten hinsichtlich der Ausweisung bestimmter Drittstaater eine zeitnahe Beurteilung der Gefahr, die von dem Ausländer für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.

Im Fall des Klägers führt die Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Ausweisung zur Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits an den Verwal­tungs­ge­richtshof. Denn dieser hat – nach damaliger Rechtslage konsequent – nur Feststellungen für die Sachlage zum Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Auswei­sungs­ver­fahrens im Jahr 2002 getroffen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof wird nunmehr auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen haben. Dabei wird er auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger sich aufgrund der durch das Zuwan­de­rungs­gesetz zum 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage und der damit verbundenen gesetz­ge­be­rischen Aufwertung der unbefristeten Aufent­halt­s­er­laubnis auf besonderen Auswei­sungs­schutz berufen kann.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 71/07 des BVerwG vom 15.11.2007

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