23.11.2024
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Dokument-Nr. 30869

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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.09.2021

Kontroll­funktion von Öffentlichkeit muss bei Ratssitzungen garantiert seinVerstoß gegen Sitzungs­öffentlichkeit kann zur Nichtigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse führen

Eine Verletzung des kommu­na­l­recht­lichen Grundsatzes der Sitzungs­öffentlichkeit durch fehlerhafte Vergabe eines Teils der Sitzplätze führt zur Nichtigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse, wenn die demokratische Kontroll­funktion der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet war. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Bürgermeister der Stadt Gladbeck berief für den 26. November 2015 eine Ratssitzung ein. Wegen des erwarteten großen Zuschau­e­r­in­teresses vergab die Verwaltung Eintrittskarten. Von den insgesamt 73 Plätzen wurden acht der Presse, neun verschiedenen Funkti­o­ns­trägern und sieben dem Bürgermeister zur Verfügung gestellt. Die im Rat vertretenen Fraktionen erhielten insgesamt 25 Karten, die ihnen im Verhältnis zu ihrem Stimmenanteil bei der Kommunalwahl 2014 zugeteilt wurden. Die restlichen 24 Karten vergab die Verwaltung nach der Reihenfolge der Anfragen. Die Klägerin, eine Ratsfraktion, hat gegen den Rat der Stadt Klage erhoben und geltend gemacht, dieses Vergabesystem verletze den Grundsatz der Öffentlichkeit und führe zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse.

BVerwG bestätigt vorin­sta­nz­liches Urteil

Das Verwal­tungs­gericht hat festgestellt, die Beschlüsse des Beklagten aus dem öffentlichen Teil der Ratssitzung seien unwirksam. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat dieses Urteil teilweise geändert. Es hat die Feststellung der Verletzung von Organrechten der Klägerin aufrecht­er­halten. Den weitergehenden Antrag, die Nichtigkeit der Beschlüsse festzustellen, hat es jedoch abgewiesen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt.

BVerG: Bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

Die Annahme des OVG, der Beklagte habe die Organrechte der Klägerin verletzt, indem er bei Durchführung der Ratssitzung gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen habe, steht mit Bundesrecht im Einklang. Das Berufungs­gericht ist in Auslegung irrevisiblen Landesrechts davon ausgegangen, dass der Grundsatz der Sitzungs­öf­fent­lichkeit eine chancengleiche Zugangs­mög­lichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen verfügbarer Kapazitäten verlangt. Eine bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen hat es nur für zulässig gehalten, soweit sie aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, sofern daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibt. Dieser Maßstab verletzt kein höherrangiges Recht und steht insbesondere mit dem Demokratiegebot im Einklang.

Kein schwerer Verstoß im konkreten Fall

Revisi­ons­rechtlich fehlerfrei ist auch die Annahme, die Verletzung des Öffent­lich­keits­grund­satzes führe nur bei schweren Verstößen zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. Dem Demokratiegebot widerspricht aber die Annahme, ein schwerer Verstoß fehle schon, wenn eine relevante Anzahl allgemein zugänglicher Plätze verbleibe und die Zuhörerschaft insgesamt nicht das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusam­men­ge­stellten Publikums habe. Richtigerweise ist darauf abzustellen, ob die Funktion der Sitzungs­öf­fent­lichkeit, demokratische Kontrolle sicherzustellen, noch gewährleistet ist. Das war hier der Fall.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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